Verfahrensgang

AG Neuss (Beschluss vom 01.12.2014; Aktenzeichen 49 F 353/13)

 

Tenor

I. Der Wert der Beschwerde wird auf 1.156,80 EUR festgesetzt. Der Wert der Anschlussbeschwerde wird auf 384 EUR (273 - 241 = 32 EUR. 12 = 384 EUR) festgesetzt.

II. Dem Antragsteller wird zur Verteidigung gegen die Beschwerde ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H. aus D. bewilligt.

Der Antrag des Antragsgegners, ihm für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen.

Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - N. vom 01.12.2014 (zum Verfahrenskostenhilfeantrag erster Instanz) wird zurückgewiesen.

III. Die Beteiligten werden darauf hingewiesen, dass die Beschwerde nur eine geringfügige Erfolgsaussicht hat. Sie führt lediglich zu einer Herabsetzung des monatlich geschuldeten Unterhalts von insgesamt 241 EUR auf 227 EUR. Danach hat die Anschlussbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg.

 

Gründe

1. Teil

Die Beschwerde bezieht sich nicht auf den Unterhaltszeitraum von Juli 2013 bis Dezember 2013, weil der Antragsgegner nach dem ergangenen Berichtigungsbeschluss insoweit gar nicht beschwert ist. Ein Rückstand für den genannten Zeitraum wurde dem Antragsteller nicht zugesprochen. Es kommt danach allein auf die ab Januar 2014 bestehenden Unterhaltsansprüche an.

2. Teil

Der Antrag des Antragstellers, den Antragsgegner zur Zahlung von Kindesunterhalt zu verpflichten, ist zulässig.

Die Zulässigkeit des Antrages scheitert nicht daran, dass der Antragsgegner von seiner Mutter nicht ordnungsgemäß vertreten wurde. Sie war vielmehr nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB alleinvertretungsberechtigt.

Nach § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB kann bei gemeinsamer elterlicher Sorge derjenige Elternteil, in dessen "Obhut" sich das Kind befindet, dieses bei der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche gesetzlich vertreten. Der dem Jugendhilferecht entlehnte (vgl. auch § 42 SGB VIII) Begriff der Obhut knüpft an die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse an. Ein Kind befindet sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt, der mithin die elementaren Lebensbedürfnisse des Kindes nach Pflege, Verköstigung, Kleidung, ordnender Gestaltung des Tagesablaufs und ständig abrufbereiter emotionaler Zuwendung vorrangig befriedigt oder sicherstellt. Leben die Eltern in verschiedenen Wohnungen und regeln sie den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes dergestalt, dass es vorwiegend in der Wohnung eines Elternteils lebt und dies durch regelmäßige Besuche in der Wohnung des anderen Elternteils unterbrochen wird (Eingliederungs- oder Residenzmodell), so ist die Obhut im Sinne des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB dem erstgenannten Elternteil zuzuordnen (BGH FamRZ 2006, 1015, 1016; FamRZ 2007, 707, bei juris Rn. 8). Nur wenn die Eltern ihr Kind in der Weise betreuen, dass es in etwa gleich langen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (Wechselmodell), lässt sich ein Schwerpunkt der Betreuung nicht ermitteln. Das hat zur Folge, dass kein Elternteil die Obhut im Sinne von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB innehat. Dann muss der Elternteil, der den anderen für barunterhaltspflichtig hält, entweder die Bestellung eines Pflegers für das Kind herbeiführen, der dieses bei der Geltendmachung seines Unterhaltsanspruchs vertritt, oder der Elternteil muss beim Familiengericht beantragen, ihm gemäß § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen (BGH FamRZ 2014, 917, bei juris Rn. 16; FamRZ 2006, 1015, 1016).

Für die Beurteilung der Frage, ob ein Kind räumlich getrennt lebender Eltern im Residenzmodell oder im Wechselmodell betreut wird, kommt im Rahmen des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB dem zeitlichen Einsatz der Eltern bei der Betreuung des Kindes eine besondere Bedeutung zu. Anknüpfend an den Normzweck der Vorschrift, die Einleitung von Sorgerechtsverfahren nur mit dem Ziel einer späteren Austragung von Unterhaltskonflikten möglichst zu vermeiden, wird ein Elternteil bereits dann als Träger der Obhut im Sinne von § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB angesehen werden können, wenn bei diesem Elternteil ein eindeutig feststellbares, aber nicht notwendigerweise großes Übergewicht bei der tatsächlichen Fürsorge für das Kind vorliegt (vgl. BGH a.a.O.; MünchKommBGB/Huber 6. Aufl. § 1629 Rn. 77; Johannsen/Henrich/Jaeger Familienrecht 5. Aufl. § 1629 BGB Rn. 6).

Ein sog. Wechselmodell liegt hier aber, wie noch unter 3. Teil, II, S. 11 ff. ausgeführt wird, gerade nicht vor, so dass die Vertretungsbefugnis der Mutter nicht in Frage steht.

3. Teil

Die Beschwerde des Antragsgegners ist nur teilweise begründet. Die Anschlussbeschwerde ist unbegründet.

Der Antragsgegner ist verpflichtet, dem Antragsteller monatlichen Kindesunterhalt nach DT 3/1 i.H.v. derzeit 257 EUR abzüglich eines Verpflegungsmehraufwandes i.H.v. 30 EUR, d.h. 227 EUR monatlich zu zahlen.

Der Antragsgegner ist seinem Sohn, dem Antragsteller, nach §§ 1601 ff. ...

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