Leitsatz (amtlich)
1. Zum Doppelahndungsverbot von Ordnungswidrigkeiten (hier: Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse an Sonntagen, in dem zugleich ein Verstoß gegen die Bauordnung erblickt wird).
2. Eine einheitliche Tat im verfahrensrechtlichen Sinne liegt vor, wenn landwirtschaftliche Erzeugnisse unter Verstoß gegen das Sonntagsverkaufsverbot angeboten werden und auf den Verkauf durch Werbetafeln unter Verstoß gegen baurechtliche Vorschriften hingewiesen wird.
3. Wird das Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt, das bereits vor Erlass des Bußgeldbescheides eingetreten ist, sind die Kosten und notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen.
Verfahrensgang
StA Mönchengladbach (Aktenzeichen 22 Js 2314/99) |
Tenor
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Kosten des Verfahrens und die dem Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I.
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen wegen vorsätzlicher Errichtung und Nutzungsänderung baulicher Anlagen ohne die erforderliche Baugenehmigung eine Geldbuße von 5. 000, - DM verhängt. Gegenstand des Verfahrens ist nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen der Vorwurf, in der Zeit zwischen 23. September 1997 und 26. Mai 1998 auf den Grundstücken B 1 und 3 in N ohne Genehmigung Gemüse, Obst und Blumenverkauft sowie auf die Verkaufstätigkeit hinweisende Werbeanlagen an den Gebäuden angebracht zu haben. Dagegen hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt, die er mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet hat.
II.
Das Verfahren ist gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206 a StPO einzustellen, weil das Verfahrenshindernis des Doppelbetrafungsverbots (ne bis in idem) besteht.
1.
Ist ein Bußgeldbescheid rechtskräftig geworden oder hat das Gericht über eine Tat als Ordnungswidrigkeit rechtskräftig entschieden, so kann dieselbe Tat nicht mehr als Ordnungswidrigkeit verfolgt werden (§ 84 Abs. 1 OWiG, Art. 103 Abs. 3 GG).
Der Tatbegriff ist hier - wie im Strafrecht - im verfahrensrechtlichen Sinne (§ 264 StPO) zu verstehen. Er umfasst den vom Bußgeldbescheid betroffenen Vorgang einschließlich aller damit zusammenhängenden und sich darauf beziehenden Vorkommnisse, die geeignet sind, das in diesen Bereich fallende Handeln des Betroffenen unter irgendeinem Gesichtspunkt als strafbar oder ordnungswidrig erscheinen zu lassen. Der Tatbegriff erfasst das gesamte Verhalten des Betroffenen, soweit es mit dem durch den Bußgeldbescheid bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Lebensauffassung einen einheitlichen Vorgang bildet, ohne Rücksicht darauf, ob sich bei der rechtlichen Beurteilung eine oder mehrere ordnungswidrige Handlungen im materiellen Sinn neben der im Bußgeldbescheid bezeichneten Handlung ergeben. Dabei müssen die einzelnen Handlungen nach dem Ereignis selbst innerlich dergestalt miteinander verknüpft sein, dass ihre getrennte Würdigung und Ahndung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorganges empfunden würde (vgl. BayObLG LRE 14, 263, 264/265 mwN; OLG Stuttgart DJ 1980, 394). Vorliegend sind gegen den Betroffenen zumindest dreizehn rechtskräftige Bußgeldbescheide der Gemeinde N ergangen, die Verstöße zwischen 25. Mai 1997 und 28. Juni 1998 gegen § 24 Abs. 1 Nrn. 2 a, 3 Ladenschlüsse zum Gegenstand haben. Die geahndeten Verstöße gegen das Sonntagsverkaufsverbot betreffen einen einheitlichen Lebensvorgang, nämlich den des ungenehmigten Verkaufs von Lebensmitteln auf dem Grundstück in B . Damit im untrennbaren Zusammenhang steht bei natürlicher Betrachtungsweise auch die ungenehmigte Anbringung von Werbetafeln mit dem Hinweis auf die vom Betroffenen ausgeübte Verkaufstätigkeit. Es handelt sich um in engster zeitlicher und räumlicher Verbindung stehende Missstände, die von einem einheitlichen Verschulden des Betroffenen getragen waren. Deren Aufspaltung nach ihrem rechtlichen Gehalt hinsichtlich der Verstöße gegen das Ladenschlussgesetz und die Bauordnung NW würde die gebotene einheitliche Betrachtung eines einheitlichen Lebensvorganges außer Acht lassen. Es handelt sich somit um eine Tat im verfahrensrechtlichen Sinn, so dass die rechtskräftigen Bußgeldbescheide einer Ahndung des Geschehens unter dem Gesichtspunkt des Verstoßes gegen bauordnungsrechtliche Vorschriften von Anfang an entgegenstanden.
2.
Infolge des von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrenshindernisses ist die Einstellung des Verfahrens gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 206 a StPO auszusprechen, weil letztere Vorschrift bei Vorliegen eines nicht mehr behebbaren Prozesshindernisses im Rechtsmittelverfahren unmittelbar anzuwenden ist (so auch BGHSt 32, 275, 290; 24, 208, 212; BayObLG NJW 1987, 1711, 1712 mwN; BayObLGSt 1985, 52, 55 mwN; a. A. OLG Celle MDR 1969, 503; Kleinknecht/Meyer-Goßner, 45. Aufl. , § 206 a StPO Rdnr. 6 mwN; § 349 StPO Rdnr. 29 mwN).
III.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO. Zwar kann nach §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 3...