Leitsatz (amtlich)

Der einem Wohnungseigentümer grundsätzlich zustehende Anspruch auf Beseitigung einer ohne die erforderliche Zustimmung nach § 22 Abs. 1 WEG durchgeführten baulichen Veränderung kann ausgeschlossen sein, wenn die Erfüllung dieses Anspruchs dem Anspruchsgegner unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist.

 

Normenkette

WEG § 22 Abs. 1; BGB §§ 242, 1004

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Aktenzeichen 11 T 36/02)

AG Dinslaken (Aktenzeichen 8 UR II 37/01 WEG)

 

Tenor

Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten zu 1) tragen die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt.

Wert des Beschwerdegegenstandes: 1.500 Euro.

 

Gründe

Die Beteiligten bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft D. In der Teilungserklärung vom 30.11.1994 ist jedem der Beteiligten ein Sondernutzungsrecht an Teilen der Gartenflächen eingeräumt worden. Im Zuge einer Ergänzung der Teilungserklärung vom 23.2.1997 sind Regelungen hinsichtlich der Sondernutzungsflächen getroffen worden. Dem jeweiligen Berechtigten wurdegestattet, „Gebäudelichkeiten beliebiger Größe” auf den Sondernutzungsflächen zu errichten.

Die Beteiligte zu 2) hat auf dem ihrem Sondernutzungsrecht unterliegenden Teil des Grundstücks ein Carport errichtet, dessen Pfeiler einer Längsseite in weiten Teilen auf der dem Sondernutzungsrecht der Beteiligten zu 1) unterliegenden Fläche stehen.

Die Beteiligten zu 1) haben beim AG beantragt, der Beteiligten zu 2) aufzugeben, den auf dem Grundstück D. errichteten Carport zu entfernen, soweit sich dieser auf dem Grundstück D. befindet.

Das AG hat den Antrag abgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1) ist beim LG ohne Erfolg geblieben.

Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1) ihr Begehren weiter.

Die Beteiligte zu 2) ist dem Rechtsmittel erfolgreich entgegengetreten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Die gem. § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist in der Sache nicht begründet, denn die Entscheidung des LG weist keinen Rechtsfehler i.S.d. § 27 FGG auf.

1. Das LG hat unter Bezugnahme auf die Gründe der amtsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt, aus § 912 BGB könnten die Beteiligten zu 1) die Beseitigung des bei der Errichtung des Carports erfolgten Überbaus nicht verlangen, denn sie hätten weder sofort nach der Grenzüberbauung Widerspruch erhoben, noch könne der Beteiligten zu 2) grobe Fahrlässigkeit bei ihrer Handlungsweise vorgeworfen werden. Auch aus dem Gemeinschaftsverhältnis – gem. den §§ 10, 13 WEG – könnten die Beteiligten zu 1) bei der gegebenen Sachlage keine Verpflichtung der Beteiligten zu 2) herleiten, den Carport zu versetzen.

2. Diese Erwägungen halten der dem Senat obliegenden rechtlichen Nachprüfung i.E. stand.

a) Bei der Errichtung des Carports handelt es sich um eine bauliche Veränderung i.S.d. § 22 Abs. 1 WEG. Bauliche Veränderung ist nicht nur eine Veränderung bereits vorhandener Gebäudeteile, sondern jede auf Dauer angelegte gegenständliche Veränderung realer Teile des gemeinschaftlichen Eigentums, die von dem im Aufteilungsplan vorgesehenen Zustand abweicht, wenn sie über eine ordnungsgemäße Instandhaltung und -setzung hinausgeht. Gemäß § 22 Abs. 1 WEG bedurfte diese bauliche Veränderung der Zustimmung der Beteiligten zu 1), wenn nicht in der Teilungserklärung bzw. Gemeinschaftsordnung eine anderweitige Regelung getroffen worden war und den Beteiligten zu 1) durch den so errichteten Carport über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein nicht ganz unerheblicher Nachteil erwächst.

Hier durfte die Beteiligte zu 2) nach der Ergänzung der Teilungserklärung vom 23.2.1997 zwar auf der ihrem Sondernutzungsrecht unterliegenden Fläche ein Carport errichten, nach den Feststellungen der Vorinstanzen, die von den Beteiligten auch nicht angegriffen werden, hat die Beteiligte zu 2) aber den Carport auf dem gemeinschaftlichen Grundstück nicht ausschließlich innerhalb der ihrem Sondernutzungsrecht unterliegenden Teilfläche errichtet.

b) Soweit das LG die bauliche Veränderung als „Überbau” und die Frage der Duldungspflicht gem. der Bestimmung des § 912 BGB behandelt hat, kann dahinstehen, ob und ggf. in welchem Umfang die Vorschrift des § 912 BGB auch zwischen Wohnungseigentümern Anwendung findet, denn das LG hat hier i.E. jedenfalls zu Recht einen Anspruch der Beteiligten zu 1) auf Beseitigung des Carport, soweit dieser sich zum Teil auf der ihrem Sondernutzungsrecht unterliegenden Fläche befindet, verneint.

Der einem Wohnungseigentümer grundsätzlich zustehende Anspruch auf Beseitigung einer ohne die erforderliche Zustimmung nach § 22 Abs. 1 WEG vorgenommenen baulichen Veränderung kann im Einzelfall ausgeschlossen sein, wenn die Erfüllung dieses Anspruchs dem Anspruchsgegner unter Berücksichtigung aller Umstände nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist....

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