Tenor
1. Der Beschluss der Vergabekammer Westfalen vom 20. August 2020 (VK 3 - 19/20) wird mit Ausnahme des die Kostenfestsetzung betreffenden Tenors zu 2) aufgehoben. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin.
3. Die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin war notwendig.
4. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird festgesetzt auf bis EUR 125.000,00.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin schrieb mit Bekanntmachung vom 22. April 2020 (Tag der Absendung) Entsorgungsdienstleistungen EU-weit im offenen Verfahren aus (Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union, Bekanntmachungsnr.: 2020/S ...). Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ist Los 2, das die Übernahme und Verwertung von Altpapier im Zeitraum vom 1. September 2021 bis 31. August 2023 betrifft.
Nach Ziff. 2.3.2 der Leistungsbeschreibung, die Teil der Vergabeunterlagen war, hat der Auftragnehmer den Transport und die Verwertung des an der in der Leistungsbeschreibung näher bezeichneten Übernahmestelle von der Antragsgegnerin übernommenen Altpapiers unter Einhaltung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen durchzuführen. In den Besonderen vertraglichen Bedingungen für Los 2, die ebenfalls Teil der Vergabeunterlagen waren, verpflichtete sich die Antragsgegnerin zur Zahlung eines Entgelts für sämtliche vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen und der Auftragnehmer zur Zahlung einer Vergütung für die Verwertung des Altpapiers (§ 7 Abs. 1 der Bedingungen). Das von der Antragsgegnerin zu zahlende Entgelt berechnet sich nach der an der Übernahmestelle tatsächlich übernommenen und verwogenen Altpapiermenge und wird jährlich angepasst (§ 9 der Bedingungen). Die vom Auftragnehmer zu zahlende Vergütung wird monatlich ebenfalls auf der Grundlage der übernommenen und verwogenen Altpapiermenge abgerechnet und während der Vertragslaufzeit monatlich gemäß der Indexentwicklung des Statistischen Bundesamts angepasst (§ 7 Abs. 2 der Bedingungen). Ausgangsbasis für die monatliche Ermittlung der Vergütung sollte (nach den geänderten Vergabeunterlagen) der Indexstand der Großhandelsverkaufspreise für Altpapier für Januar 2020 sein, der mit 27,7 Punkten auf einem historisch niedrigen Stand lag.
Die Bieter wurden aufgefordert, ihrem Angebot zwei Preisblätter ausgefüllt beizufügen. Im Preisblatt 1 waren unter der "Preisangabe A: Transport- und Verwertungslogistik" die "Kosten für die notwendigen Leistungen der Transport- und Verwertungslogistik (z.B. Übernahme, Verwiegung, Transport, Sortierung, Nachtransport) ab der [...] Übernahmestelle, inkl. aller weiteren damit verbundenen Nebenleistungen" anzugeben, im Preisblatt 2 unter der "Preisangabe B: Verwertung von Altpapier" die "Erlöse für die Verwertung/Vermarktung des übernommenen Altpapiers".
Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis. Bei dessen Ermittlung wird die vom Bieter angebotene Vergütung (gemäß Preisblatt 2) als Nettobetrag von den ermittelten Bruttokosten der weiteren Leistungen (gemäß Preisblatt 1) abgezogen (Ziff. 2.2.4 der Bewerbungs- und Angebotsbedingungen in den Vergabeunterlagen).
Neben der Antragstellerin gaben zwei weitere Bieterunternehmen jeweils fristgerecht ein Angebot auf Los 2 ab. Die Antragstellerin bot im Preisblatt 1 einen negativen Einheitspreis für die Transport- und Verwertungslogistik von EUR ... je Mg und im Preisblatt 2 als indexabhängigen Erlös für die Verwertung des übernommenen Altpapiers einen Einheitspreis von EUR ... je Mg und damit den niedrigsten Gesamtpreis.
Die Antragsgegnerin schloss das Angebot der Antragstellerin am 8. Juni 2020 aus, unter anderem weil das Angebot wegen einer unzulässigen Mischkalkulation spekulativ sei. Entgegen den Vorgaben im Preisblatt 1 habe die Antragstellerin kein Entgelt, sondern einen Erlös für die Transport- und Verwertungslogistik angeboten. Der Verwertungserlös sei wiederum ungewöhnlich niedrig angesetzt worden, so dass sich die Indexentwicklung zum Nachteil der Antragsgegnerin auswirke.
Die Antragstellerin beanstandete den Angebotsausschluss mit Rügeschreiben vom 9. Juni 2020. Ihr Angebot beruhe nicht auf einer unzulässigen Mischkalkulation. Sie beanstandete ferner, dass ihr nicht die Möglichkeit eingeräumt wurde, im Rahmen einer Aufklärung die von der Antragsgegnerin behaupteten Indizien für eine unzulässige Mischkalkulation zu erschüttern.
Dieser Rüge half die Antragsgegnerin am 10. Juni 2020 nicht ab.
Die Antragstellerin hat am 25. Juni 2020 einen Nachprüfungsantrag gestellt, mit dem sie ihr Rügevorbringen wiederholt und vertieft hat. Zum Hintergrund der Preisangaben hat sie unter Vorlage eines Bestätigungsschreibens der K. (im Folgenden: K.) vom 23. Juni 2020 weiter vorgetragen, dass sie für den Fall des Zuschlags die K. als Nachunternehmerin mit der Verwertung bzw. Vermarktung...