Leitsatz (amtlich)
Kann ein Testament nicht im Original, sondern nur eine private Kopie der Originalurkunde vorgelegt werden, ist die Kopie gemäß § 348 FamFG zu eröffnen.
Normenkette
FamFG § 348
Verfahrensgang
AG Oberhausen (Aktenzeichen 6 IV 1007/21) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Nachlassgerichts vom 17. März 2022 abgeändert.
Das Nachlassgericht wird angewiesen, die Kopie des Testaments vom 2. Januar 1976 gemäß § 348 FamFG zu eröffnen.
Nebenentscheidungen sind nicht veranlasst.
Gründe
I. Die Beteiligte ist die Ehefrau des Erblassers und sie hat die Kopie eines vom Erblasser unter dem Datum des 2. Januar 1976 errichteten Testaments, das sie als Alleinerbin bestimmt, zur Eröffnung beim Nachlassgericht eingereicht. Dazu hat sie vorgetragen, der Erblasser habe diese Kopie gefertigt und ihr zur Aufbewahrung überreicht. Aus welchem Grunde er ihr nicht auch das Original übergeben habe, sei nicht bekannt.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Nachlassgericht die Eröffnung der Testamentskopie abgelehnt. Mangels hinreichender Gewähr einer vollständigen und unverfälschten Wiedergabe sei eine Kopie nicht zu eröffnen.
Hiergegen beschwert sich die Beteiligte. Das Nachlassgericht hat an seinem Rechtsstandpunkt festgehalten und zur Begründung seines Nichtabhilfe- und Vorlagebeschlusses ergänzend ausgeführt, ob das Testament Grundlage für die Erteilung eines die testamentarische Erbfolge ausweisenden Erbscheins sein könne, sei im Erbscheinserteilungsverfahren zu prüfen; ein die testamentarische Erbfolge ausweisender Erbschein könne trotz Nichteröffnung der Testamentskopie beantragt werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verfahrensakte verwiesen.
II. Die nach Maßgabe von §§ 58 ff FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten gegen die vom Nachlassgericht abgelehnte Eröffnung der von der Beteiligten eingereichten Testamentskopie ist begründet.
Nach § 348 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Nachlassgericht, sobald es vom Tod des Erblassers Kenntnis erlangt, eine in seiner Verwahrung befindliche Verfügung von Todes wegen zu eröffnen. Die sich im hiesigen Verfahren stellende Frage, ob auch die Kopie eines Testaments zu eröffnen ist, wird nicht einheitlich beantwortet.
Das Amtsgericht hat sich im angefochtenen Beschluss der in der älteren Rechtsprechung (soweit ersichtlich zuletzt: BayObLG NJWE-FER 2000, 165) und von Teilen der Literatur (MüKo FamFG/Muschler, 3. Aufl. 2019, § 348 Rn. 12, mit weiteren Nachweisen in Fußnote 37; s. auch zu § 2260 BGB, der durch § 348 FamFG ersetzt wurde: MüKo BGB/Hagena, 4. Aufl. 2004, §§ 2260 Rn. 15 mit weiteren Nachweisen in der Fußnote 29; Prütting/Helms-Fröhler, FamFG, 5. Aufl. 2020, § 348 Rn. 15; BeckOK/Schlögel, FamFG, 43. Edition, Stand: 1. Juli 2022, § 348 Rn. 7; Bumiller/Harders-Harders, FamFG, 12. Aufl. 2019, § 348 Rn. 7; Kroiß/Horn/Solomon-Poller, Nachfolgerecht, 2. Aufl. 2019, § 348 FamFG Rn. 10; Firsching/Graf-Krätzschel, Nachlassrecht, 11. Aufl. 2019, § 37 Rn. 3) vertretenen Auffassung, wonach einfache Abschriften oder Kopien einer letztwilligen Verfügung nicht zu eröffnen sind, angeschlossen. Zur Begründung dieser Sichtweise wird angeführt, bei einer einfachen Abschrift einer letztwilligen Verfügung oder einer Kopie bestehe keine hinreichende Gewähr einer vollständigen und unverfälschten Wiedergabe des vollen Inhaltes (MüKo FamFG/Muschler, a.a.O., § 348, Rn. 12). Ferner wird darauf verwiesen, dass auch ein verloren gegangenes Testament nicht eröffnet werden könne, gleichwohl ein Erbschein erteilt werden könne (Firsching/Graf-Krätzschel, Nachlassrecht, a.a.O., § 37 Rn. 3).
Die gegenteilige Auffassung hat jüngst das Oberlandesgericht München (Beschluss vom 7. April 2021, 31 Wx 108/21, juris) vertreten und zur Begründung darauf verwiesen, dass die Erbfolge auch auf der Grundlage von nur noch in Kopie vorhandenen Testamenten festgestellt werden könne; dann sei konsequenterweise auch die Kopie zu eröffnen. Die eine Pflicht des Nachlassgerichts zur Eröffnung auch einer Testamentskopie bejahenden Literaturstellen verweisen auf die weiteren von der Eröffnung abhängenden Wirkungen, dies sind z.B. der Beginn der Ausschlagungsfrist, Mitteilungen an das Grundbuchamt sowie an das Erbschaftssteuerfinanzamt (vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, 20. Aufl. 2020, § 348 Rn. 15, mit weiteren Nachweisen in Fußnote 18; zu den Folgen der Eröffnung: § 348 Rn. 37 ff.), und auf den Normzweck von § 348 FamFG (Haußleiter/Schemmann, FamFG, 2. Aufl. 2017, § 348 Rn. 3; ohne Begründung: Burandt/Rojahn-Gierl, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 348 Rn. 2).
Der Senat schließt sich der zweitgenannten Auffassung an. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:
Sinn und Zweck des Testamentseröffnungsverfahrens ist es, im öffentlichen Interesse, nämlich im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit durch zeitnahe amtliche Feststellung und Bekanntgabe vorhandener Verfügungen von Todes wegen ganz gleich welcher Art, eine geordnete Nachlassabwicklung sicherzustellen. Daneben soll dem privaten In...