Entscheidungsstichwort (Thema)
Ergänzungspflegerbestellung: Feststellungsinteresse bei Erledigung der Angelegenheit während des Beschwerdeverfahrens
Leitsatz (amtlich)
Zum Feststellungsinteresse i.S.d. § 62 FamFG, wenn sich die angefochtene Bestellung eines Ergänzungspflegers, der die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts durch ein minderjähriges Kind im Ermittlungsverfahren gegen seinen Elternteil nach § 55 Abs. 2 StPO prüfen soll, während des Beschwerdeverfahrens erledigt.
Normenkette
FamFG § 62; StPO § 55 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Mülheim a.d. Ruhr (Beschluss vom 17.08.2010) |
Tenor
Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den am 17.8.2010 erlassenen Beschluss des AG - Familiengericht (Rechtspflegerin) - Mülheim an der Ruhr wird als unzulässig verworfen.
Die Kindesmutter trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Beschwerdewert: 1.500 EUR
Gründe
I. Die Antragsgegnerin ist die Mutter des Kindes M., das am ... 8.2001 geboren wurde und aus ihrer geschiedenen Ehe mit Herrn U. K. stammt. Nach einem Besuchswochenende erstattete der Kindesvater am 12.7.2010 gegen die Antragsgegnerin eine Anzeige, weil der gemeinsame Sohn ihm gegenüber geäußert haben soll, er bekomme bei seiner Mutter Schläge und nichts zu essen. In dem daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahren hat die Staatsanwaltschaft Duisburg am 5.8.2010 bei dem Vormundschaftsgericht unter Bezugnahme auf einen polizeilichen Vermerk beantragt, für das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Duisburg - 503 Js 183/10 -... für den Minderjährigen M. K. gem. § 1909 BGB einen Ergänzungspfleger zu bestellen mit dem Wirkungskreis Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts Einwilligung zur Erhebung der Nebenklage.
Durch den angefochtenen Beschluss hat die Rechtspflegerin diesem Antrag entsprochen.
II. Die gegen diese Entscheidung gerichtete Beschwerde der Kindesmutter ist unzulässig und zu verwerfen, weil sich die Angelegenheit während des Rechtsmittelverfahrens erledigt und die Kindesmutter trotz eines Hinweises keinen sachgerechten Antrag gestellt hat.
1. Auf das vorliegende Verfahren ist gem. Art. 111 Abs. 1 FGG-Reformgesetz neues Verfahrensrecht anzuwenden. Zuständig ist mithin gem. §§ 3 Nr. 2a Rechtspfleger-gesetz, 151 Nr. 5 FamFG der Rechtspfleger des Familiengerichts, der die Anhörungspflichten des § 160 FamFG zu befolgen hat. Die früher bestehenden Vormundschaftsgerichte sind für neue, nach dem 31.8.2009 eingeleitete Verfahren nicht mehr zuständig.
2. Zeugen können in einem Ermittlungs- oder Strafverfahren die Aussage aus persönlichen Gründen verweigern, § 52 Abs. 1 StPO. Unter welchen Voraussetzungen ein Minderjähriger, der mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt ist, vernommen werden kann, regelt Abs. 2 dieser Bestimmung. Nach Satz 1 dürfen Minderjährige, die "wegen mangelnder Verstandesreife ... von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung" haben, nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind "und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt". Ist dagegen "der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden", und "das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht" (§ 52 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Im vorliegenden Fall steht die elterliche Sorge noch beiden Elternteilen gemeinsam zu, und die Antragsgegnerin ist selbst Beschuldigte des Ermittlungsverfahrens. Folglich war sie - ebenso wie der Kindesvater - gehindert, an der Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts für ihren neunjährigen Sohn mitzuwirken. Daraus ergab sich die Notwendigkeit, für den Fall einer beabsichtigen Vernehmung des Kindes einen Ergänzungspfleger zu bestellen (vgl. Oberloskamp Vormundschaft, Pflegschaft und Beistandschaft für Minderjährige 3. Aufl., § 10 Rz. 13 und 34; Palandt, BGB, 69. Aufl., § 1629 Rz. 26; ferner OLG Nürnberg Rpfleger 2010, 445 für einen Fall des alleinigen Sorgerechts).
Ob eine Vernehmung ernsthaft in Betracht kam und die Vorwürfe gegen die Antragsgegnerin einer Prüfung standhalten, hatte nicht das Familiengericht im vorliegenden Zwischenverfahren zu klären; diese Entscheidung oblag vielmehr allein der Staatsanwaltschaft nach Maßgabe der strafprozessualen Regeln. Diesen Zusammenhang verkennt die Antragsgegnerin mit ihren - in der Diktion weit überzogenen - Ausführungen vom 27.9.2010 (GA Bl. 32 f.).
3. Auf der Grundlage der angefochtenen Entscheidung hat der Ergänzungspfleger mit Schriftsatz vom 2.9.2010 (GA Bl. 22 f.) ggü. der Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass er für den Minderjährigen ausdrücklich das Zeugnisverweigerungsrecht als leiblicher Sohn der Beschuldigten ausübe und die Erhebung einer Nebenklage auf der Grundlage des jetzigen Standes der Ermittlungen ablehne. Damit hat sich das vorliegende Verfahren grundsätzlich erledigt. Der mit der Bestellung des Ergänzungspflegers verbundene Eingriff in das Sorgerecht der Eltern (§ 1630 Abs. 1 BGB) hat sein Ende gefunden. Weit...