Leitsatz (amtlich)
1. Die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung gem. § 185 Nr. 2 ZPO liegen nicht vor, wenn die inländische Anschrift eines gesetzlichen Vertreters oder eines Bevollmächtigten der juristischen Person, an die zugestellt werden soll, ohne die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen bekannt ist.
2. Die öffentliche Zustellung ist trotz eines Verstoßes gegen § 185 ZPO wirksam, wenn eine andere Zustellungsmöglichkeit für das Gericht nicht ersichtlich war und es ex ante betrachtet auch keinen Grund hatte, die Partei zu weiteren Ermittlungen anzuhalten.
3. Gegen die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand steht der Gegenpartei wegen des Grundsatzes auf effektiven Rechtsschutz i.V.m. Art. 103 Abs. 1 GG die Gehörsrüge zu (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 20.1.2009 - Xa ZB 34/08).
Verfahrensgang
LG Wuppertal (Beschluss vom 24.04.2014; Aktenzeichen 1 O 38/13) |
Tenor
Die Gehörsrüge der Klägerin gegen den Beschluss des erkennenden Senats vom 24.4.2014, durch welchem der Beklagten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Einspruchs gegen den Vollstreckungsbescheid des AG Hagen vom 24.1.2012 (Az. 11-2866194-02-N) gewährt wurde, wird zurückgewiesen.
Die Berufung der Klägerin gegen das am 11.7.2013 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Wuppertal - Einzelrichter - wird auf ihre Kosten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Kosten der Wiedereinsetzung von der Beklagten zu tragen sind.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung von 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Zwischen den Parteien war seit 2009 vor dem LG Mönchengladbach zum Az. 11 O 315/09, später vor dem OLG Düsseldorf zum Az. I-10 U 4/12 ein Rechtsstreit anhängig. Dabei machte die hiesige Beklagte gegen die hiesige Klägerin und deren Geschäftsführer die Zahlung rückständiger Mieten sowie die Räumung von Mietobjekten geltend. Die hiesige Beklagte hatte 2007 das Bürogelände, auf dem sich die Mietobjekte befinden, von dem Geschäftsführer der hiesigen Klägerin erworben. Gleichzeitig wurden Mietverträge zwischen den Parteien des vorausgegangenen Rechtsstreits über die Mietobjekte geschlossen. Der Geschäftsführer der hiesigen Klägerin war bis März 2009 als Verwalter des Gesamtobjekts tätig und war der Ansicht, dass ihm i.H.v. 38.418,98 EUR Aufwendungsersatzansprüche aus seiner Verwaltungstätigkeit gegen die hiesige Beklagte zustehen würden. Er erklärte in dem vorausgegangenen Rechtsstreit hilfsweise die Aufrechnung mit dieser Forderung. Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz erhob die hiesige Klägerin Widerklage mit den Anträgen, an sie 38.418,98 EUR sowie weitere 24.340 EUR jeweils nebst dort bezeichneter Zinsen zu zahlen. Die Widerklage wurde mit Urteil des LG Mönchengladbach vom 9.12.2011 (Bl. 46 ff. d. GA.) als unzulässig abgewiesen.
Das AG Hagen hat am 24.1.2012 einen Vollstreckungsbescheid über insgesamt 62.758,98 EUR nebst dort im Einzelnen aufgeführter Zinsen und Kosten gegen die Beklagte erlassen. Die Forderungen wurden von der Klägerin jeweils als Anspruch gem. (unzulässigem) Widerklageantrag zu 1. bzw. zu 2. aus dem Schriftsatz vom 11.11.2011 zum Verfahren 11 O 315/14 (gemeint ist: 11 O 315/09) des LG Mönchengladbach bezeichnet und stimmen betragsmäßig mit dem Widerklageantrag aus dem vorausgegangenen Rechtsstreit überein. Der am 28.1.2012 durch die Deutsche Post AG unternommene Versuch, den Vollstreckungsbescheid der Beklagten zuzustellen, scheiterte, weil diese unter der sich aus dem Handelsregister (Bl. 14d. GA.) ergebenden Anschrift W-Straße 11, S., nicht zu ermitteln war. Auch der durch die Klägerin unter derselben Adresse initiierte Zustellungsversuch durch einen Gerichtsvollzieher scheiterte (Bl. 15d. GA.). Auf Nachfrage der Klägerin teilte das Registergericht mit, in den Unterlagen des Handelsregisters sei keine Adressänderung bezüglich der Beklagten vorgenommen worden. Die eingeholte Gewerbeauskunft ergab keine Gewerbeanmeldung der Beklagten für die W-Straße 11, S. (Bl. 21d. GA.). Die Klägerin beantragte daraufhin mit Schreiben vom 23.2.2012 (Bl. 16 f. d. GA.) die Bewilligung der öffentlichen Zustellung, welche das AG Hagen mit Beschluss vom 20.3.2012 (Bl. 26d. GA.) bewilligte und die Einspruchsfrist auf einen Monat festsetzte. Am 27.3.2012 wurde die Benachrichtigung über die öffentliche Zustellung des Vollstreckungsbescheids an der Gerichtstafel ausgehängt (Bl. 27d. GA.).
Mit am 29.1.2013 beim AG Hagen eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag (Bl. 29 ff. d. GA.), hat die Beklagte gegen den Vollstreckungsbescheid Einspruch eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, sie sei erstmals am 17.1.2013 über die D. GmbH darüber informiert worden, dass der N. l-Bank AG am 10.1.201...