Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Entscheidung vom 17.03.2009) |
Tenor
Die sofortigen Beschwerden der Beklagten gegen den Beschluss der 4b Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 17. März 2009 werden zurückgewiesen.
Der Beklagten haben jeweils die Kosten der Beschwerdeverfahren zu tragen.
Der Gegenstandswert der Beschwerdeverfahren beträgt jeweils 200.000 EUR.
Die zulässigen sofortigen Beschwerden der Beklagten sind unbegründet. Das Landgericht hat das Verfahren mit Recht nicht nach Art. 27 Abs. 1 oder Art. 28 Abs. 1 EuGVVO ausgesetzt.
Gründe
I.
Eine Aussetzung nach Art. 27 Abs. 1 EuGVVO scheidet zumindest deshalb aus, weil die in den Mitgliedstaaten Italien und Deutschland erhobenen Klagen nicht "denselben Anspruch" betreffen.
Die Auslegung dieses Begriffs hat - wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - autonom unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Verordnung zu erfolgen und sich dementsprechend daran zu orientieren, dass soweit wie möglich Parallelprozesse vor Gerichten verschiedener Vertragsstaaten vermieden werden, in denen Entscheidungen ergehen können, die miteinander "unvereinbar" im Sinne von Art. 34 Nr. 3 EuGVVO sind und deshalb in dem jeweils anderen Staat nicht anerkannt werden (vgl. nur EuGH, Urteil vom 8. Dezember 1987 - Rs. 144/86, Slg. 1987, 4861 = NJW 1989, 665 unter Tz. 8 und 13; BGH NJW 2002, 2795). Für die Unvereinbarkeit zweier Entscheidungen und die Beurteilung, ob in zwei Prozessen derselbe Anspruch verfolgt wird, kommt es deshalb nicht auf die "formale Identität" der Klagen, sondern darauf an, ob der "Kernpunkt" beider Rechtsstreitigkeiten derselbe ist (EuGH, aaO, unter Tz. 16 und 17, BGH aaO). Entscheidend ist danach, ob die von den Beklagten beim Tribunale di Milano eingereichte Klage (Übersetzung Anlage L 1a) zu einer Entscheidung führen kann, die im Kern den gleichen Gegenstand aufweist wie die vor dem Landgericht aus den Klagepatenten A, B und C anhängig gemachten Verletzungsverfahren. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt hierfür ist der Antrag zu 2 der Beklagten (Übersetzung Anlage L 1a, S. 24) festzustellen,
dass keine der Aktivitäten der Kläger (hier die Beklagten) in Belgien, Frankreich, Italien, Deutschland, den Niederlanden und Spanien eine Verletzung des Schutzumfangs des europäischen Patents EP 0 996 905 oder jeglicher anderer Rechtsansprüche und/oder Rechtstitel von Visto auf geistiges Eigentum darstellen, die daraus hergeleitet wurden oder werden, einschließlich, aber nicht beschränkt auf Ausscheidungsanmeldungen sowie Gebrauchsmuster, die darauf basierend registriert wurden oder werden.
Zweifelhaft erscheint bereits, ob hieraus überhaupt eine Geltendmachung nicht nur des italienischen Teils, sondern auch des deutschen Teils des genannten Patents und daraus abgeleiteter Patente hergeleitet werden kann. Jedenfalls sind die (abgeleiteten) Klagepatente A, B und C nach dem Antrag und dem Inhalt der Klageschrift nicht in einer Weise zum Kernpunkt der Klage gemacht worden, die zu einer Unvereinbarkeit mit einer Sachentscheidung des Landgerichts führen würde. Die Klagepatente sind erst knapp zwei Jahre nach Einreichung der Klage beim Tribunale di Milano erteilt worden und lediglich die Anmeldung zum Klagepatent A war zu diesem Zeitpunkt veröffentlicht. "Rechtsansprüche oder Rechtstitel" im Sinne des Antrags zu 2 konnte die Muttergesellschaft der Klägerin (Visto) deshalb mit der Klage und auch geraume Zeit später überhaupt nicht geltend machen. Damit konnten aber unabhängig von der Frage, inwieweit nach italienischem Zivilprozessrecht der gestellte Antrag zu 2 überhaupt zulässig ist, "Rechtsansprüche oder Rechtstitel" aus den erteilten Klagepatenten A, B und C auf Grundlage der eingereichten Klage nicht zum Gegenstand einer Entscheidung des Tribunale di Milano werden. Unter dem Blickwinkel der autonom auszulegenden Vorschrift des Art. 27 Abs. 1 EuGVVO hat die Klage vor dem Tribunale di Milano mithin nicht denselben Anspruch zum Gegenstand wie die Klagen vor dem Landgericht. Für die Beklagten mag sich in dem Mailänder Verfahren auf Grundlage des Antrags zu 2 zwar die Möglichkeit bieten, die Klage auf "Rechtsansprüche oder Rechtstitel" zu erweitern, die aus der Erteilung der Klagepatente A, B und C folgen, und in dem Antrag zu 2 mag insoweit - wie es das Landgericht getan hat - die "Ankündigung" einer möglichen zukünftigen Erweiterung des Klagebegehrens gesehen werden. Das ändert jedoch nichts daran, dass das für die Bestimmung des Anrufungszeitpunkts maßgebliche verfahrenseinleitende Schriftstück im Sinne von Art. 30 Nr. 1 EuGVVO, die beim Tribunale di Milano eingereichte Klageschrift, solche Ansprüche nicht zum Gegenstand hat mit der Konsequenz, dass das Mailänder Gericht diesbezüglich erst zu dem Zeitpunkt als angerufen angesehen werden kann, wenn die Klage mit einem Schriftstück konkret auf Ansprüche aus den Klagepatenten A, B und C erweitert wird. Derartiges ist vor Erhebung der Verletzungsklagen beim Landgericht Düsseldorf jedoch nicht geschehen, insbesondere auch nicht - wie...