Leitsatz (amtlich)
1. Eine Vor- und Nacherbfolge bezogen auf einen bestimmten Gegenstand oder eine Gruppe von Gegenständen ist mit dem Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) unvereinbar, eine Sondererbfolge in einzelne Nachlassgegenstände daher nicht möglich, was auch hinsichtlich der - hier angeordneten - Sondernacherbfolge bezüglich des unbeweglichen Vermögens gilt.
2. Dem Willen des Erblassers, dass der Bedachte frei über das bewegliche Vermögen sollte verfügen können, während er hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens die Stellung eines von den Beschränkungen des Gesetzes befreiten Vorerben erhalten sollte, kann durch Auslegung dahin Geltung verschafft werden, dass insgesamt eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet werden, der Bedachte das bewegliche Vermögen aber im Wege des Vorausvermächtnisses erhalten sollte.
Normenkette
BGB §§ 352b, 1922, 2084, 2110 Abs. 2, § 2150; EGBGB Art. 229 § 36
Verfahrensgang
AG Oberhausen (Aktenzeichen 6 VI 1039/16) |
Tenor
Die angefochtene Entscheidung wird geändert.
Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1 vom 20. September 2016 - notarielle Urkunde UR-Nr. ..... für 2016 des Notars A in Stadt 1 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1 ist die Ehefrau des Erblassers. Sie hat einen Sohn, zu dem sie keinen Kontakt hat. Der Beteiligte zu 2 ist der Vater des Erblassers. Die Beteiligten zu 3 bis 6 sind seine Brüder.
Am 8. April 2002 errichteten der Erblasser und die Beteiligte zu 1 ein gemeinschaftliches notarielles Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzten. Ferner verfügten sie, dass die Beteiligte zu 1, sollte sie die Längstlebende sein, lediglich von allen Beschränkungen des Gesetzes befreite Vorerbin werden solle. Zu "Nacherben des beweglichen Vermögens" bestimmten sie: a) B zu 1/2 Anteil und b) unter sich zu gleichen Teilen die "noch nicht erzeugten oder geborenen" Enkel des Bruders der Beteiligten zu 1. Hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens sollte hinsichtlich der Erbfolge Entsprechendes gelten, jedoch anstelle der genannten Erbquoten mit einer Teilungsanordnung hinsichtlich bestimmter Grundstücke.
Am 17. Juni 2015 errichteten der Erblasser und die Beteiligte zu 1 ein weiteres gemeinschaftliches notarielles Testament, in dem sie alle eventuell früher getroffenen Verfügungen von Todes wegen, insbesondere das Testament vom 8. April 2002, widerriefen und unter anderem Folgendes bestimmten:
"1. Wir setzen uns hiermit gegenseitig zu alleinigen und ausschließlichen Erben unseres gesamten beweglichen Vermögens ein.
2. Hinsichtlich des unbeweglichen Vermögens, insbesondere des Immobilienvermögens, welches sich zum Zeitpunkt seines Ablebens im Eigentum bzw. Miteigentum des Erschienenen zu 1) befindet, ist Alleinerbin die Erschienene zu 2), diese jedoch lediglich als von den Beschränkungen des Gesetzes befreite Vorerbin.
Nacherbin des unbeweglichen Vermögens ist die Schwester der Erschienenen zu 2), ..."
Mit notariell beurkundeter Erklärung vom 20. September 2016 hat die Beteiligte zu 1 gestützt auf das Testament vom 17. Juni 2015 Erteilung eines sie als Alleinerbin ausweisenden Erbscheins beantragt.
Der Beteiligte zu 4 ist dem entgegen getreten. Er hat geltend gemacht, das Testament sei wegen der Grundstücksangelegenheit und im Hinblick darauf, dass es den Sohn der Beteiligten zu 1 nicht berücksichtige, unwirksam. Der Erbscheinsantrag berücksichtige nicht, dass die Beteiligte zu 1 lediglich Vorerbin sei.
Mit Beschluss vom 9. Januar 2016 hat das Nachlassgericht die Tatsachen, die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 1 erforderlich sind, für festgestellt erachtet. In seiner Begründung hat es sich allein auf das Testament vom 8. April 2002 bezogen. Es hat ausgeführt, aus diesem Testament gehe hervor, dass die Beteiligte zu 1 alleinige und ausschließliche Erbin sein solle. Die Regelung hinsichtlich der Vor- und Nacherbschaft sei wirksam. Zwar sei eine Differenzierung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen rechtlich nicht möglich. Das Testament sei aber so zu verstehen, dass eine Nacherbfolge für das gesamte Vermögen verbunden mit einer Teilungsanordnung habe getroffen werden sollen. Selbst wenn die Regelung hinsichtlich der Vor- und Nacherbschaft aber unwirksam sein sollte, lägen keine Tatsachen vor, die den Schluss darauf zuließen, dass die Beteiligte zu 1 in diesem Fall nicht Alleinerbin sein solle.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 4. Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit weiterem Beschluss vom 5. April 2017 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf zur Entscheidung vorgelegt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II. Die gem. §§ 58 Abs. 1, 59 Abs. 2, 61 Abs. 1, 63 Abs. 1 und Abs. 3 S. 1, 64 Abs. 1 und 2 FamFG zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1 ist nach der vom Nachlassgericht erklärten Nichtabhilfe gem. § 68 Abs. 1 S. 2, 2. Hs. FamFG dem Senat zur Entscheidung angefallen. In der Sache hat sie ebenfalls Erfolg und führt zur Aufhebun...