Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Verfahrensbeendigung in Kinderschutzverfahren nach § 1666 BGB durch gerichtlich gebilligten Vergleich nach § 156 Abs. 2 FamFG; Aufhebung und Zurückverweisung nach § 69 FamFG
Leitsatz (amtlich)
In Kinderschutzverfahren nach §§ 1666, 1666a BGB ist eine Verfahrenserledigung durch einen nach § 156 Abs. 2 FamFG gerichtlich gebilligten Vergleich ausgeschlossen. Ein solcher Billigungsbeschluss nach § 156 Abs. 2 FamFG stellt keine Endentscheidung im Sinne des § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG dar, so dass bei einer hiergegen gerichteten Beschwerde die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung nach § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG in Betracht kommt.
Normenkette
BGB §§ 1666, 1666a; FamFG § 38 Abs. 1 S. 1, § 69 Abs. 1 S. 2, § 156 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Duisburg-Hamborn (Aktenzeichen 27 F 157/19) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Kindesmutter wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Duisburg-Hamborn vom 29.07.2020 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht - Familiengericht - Duisburg-Hamborn zurückverwiesen.
Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht erstattet. Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz obliegt dem Amtsgericht.
II. Beschwerdewert: 3.000 EUR.
Gründe
I. Die beteiligten Kinder wurden im Februar 2019 in einer Pflegefamilie untergebracht. Das Verfahren wurde auf das Begehren der Kindesmutter vom 15.04.2019 hin, die Kinder zu ihr zurückzuführen, eingeleitet. Das Amtsgericht holte zur Prüfung sorgerechtsentziehender Maßnahmen gemäß § 1666 BGB ein Sachverständigengutachten der Diplom-Psychologin K. ein. Im Erörterungstermin vom 29.07.2020, an dem die Kindesmutter ohne ihren Verfahrensbevollmächtigen teilnahm, wurde eine Vereinbarung protokolliert, in der der Umgang der Kindesmutter mit beiden Kindern geregelt und das Einvernehmen der Beteiligten bekundet wurde, bei gutem Verlauf der Umgangskontakte und weiterer gefestigter Entwicklung der Kindesmutter ab Februar 2021 die Rückführung der Kinder anzustreben.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 29.07.2020 sprach das Amtsgericht unter Bezugnahme auf § 156 Abs. 2 FamFG aus, dass der "Umgangsvergleich der Beteiligten vom 29.07.2020 (...) gerichtlich gebilligt" werde, erteilte einen Hinweis gemäß § 89 Abs. 2 FamFG und traf eine Kostenentscheidung.
Die Kindesmutter begehrt mit ihrer Beschwerde, den Vergleich aufzuheben, und macht geltend, sie sei mit dem Umgangsvergleich in keiner Weise einverstanden. Sie strebe an, die Kinder möglichst zu Weihnachten zu Hause zu haben.
II. Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache zumindest vorläufigen Erfolg. Es führt gemäß § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG zur Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.
1. Das Amtsgericht hat iS des § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG in der Sache noch nicht entschieden. Verfahrensgegenstand ist die Prüfung sorgerechtsentziehender Maßnahmen gemäß §§ 1666, 1666a BGB, die nach der - von keiner (fortwirkenden) Zustimmung der Kindesmutter getragenen - Fremdunterbringung der Kinder geboten ist. Das Amtsgericht hat hierzu keine Endentscheidung iS des § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG getroffen. Das Verfahren ist auch nicht auf andere Weise wirksam beendet worden. Der auf § 156 Abs. 2 FamFG gestützte Billigungsbeschluss hat schon deshalb keine Verfahrensbeendigung bewirkt, weil ein verfahrenserledigender gerichtlich gebilligter Vergleich in Kinderschutzverfahren nach § 1666 BGB ausgeschlossen ist (vgl. Prütting/Helms/Hammer, FamFG, 5. Auflage, § 156 Rn. 47). Daher kommt es nicht darauf an, dass dem Vergleich und dem diesen billigenden Beschluss nach § 156 Abs. 2 FamFG, bezogen auf den zulässigen, aber jedenfalls zunächst nicht anhängigen Regelungsgegenstand Umgang, mit dem als Widerruf der Zustimmung zu wertenden Beschwerdevorbringen der Kindesmutter ohnehin die Grundlage entzogen ist (vgl. BGH, FamRZ 2019, 1616, Rn. 22).
2. Die Zurückverweisung ist sachgerecht, weil das Amtsgericht keine (dokumentierte) Prüfung sorgerechtsentziehender Anordnungen gemäß § 1666 BGB vorgenommen und verfahrensfehlerhaft den Vater der Kinder nicht am Verfahren beteiligt hat. Bei erstmaliger Durchführung dieser elementaren Maßnahmen und Entscheidung unmittelbar durch den Senat würde den Beteiligten eine Instanz genommen.
III. Die Kostenentscheidung bezüglich des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG.
Die Wertfestsetzung hat ihre Grundlage in §§ 40 Abs. 1, 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG.
Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Fundstellen
Haufe-Index 14965599 |
NZFam 2022, 605 |