Leitsatz (amtlich)

Ein Verwandter (hier: Schwestern der Kindesmutter), der die Vormundschaft und zu-gleich die Betreuung eines Kindes übernehmen will, ist bei der Auswahl gemäß § 1779 Abs. 2 BGB nicht vorrangig zu berücksichtigen, wenn im Einzelfall konkrete Erkenntnisse darüber bestehen, dass dem Wohl des Kindes mit der Auswahl eines an-deren Vormundes (hier: Jugendamt/Fachpflegefamilie) besser gedient wäre (in Anschluss an BVerfG, Beschluss vom 24.6.2014, Az. 1 BvR 2926/13).

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Kindesmutter gegen den am 30.08.2017 erlassenen Beschluss des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Kindesmutter auferlegt.

III. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Das Amtsgericht hat der zuvor allein sorgeberechtigten Kindesmutter die elterliche Sorge für die beteiligten Kinder nach Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens der Sachverständigen A... entzogen und das Jugendamt zum Vormund der Kinder bestellt. Der oder die Väter der Kinder sind unbekannt.

Mit ihrer Beschwerde strebt die Kindesmutter die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und hilfsweise die Bestimmung ihrer Schwestern, Frau B... und Frau C... zum Vormund an, wobei die Schwestern auch die Betreuung und Versorgung der Kinder übernehmen wollen und sollen.

Die Kindesmutter hält die sorgerechtsentziehende Maßnahme für nicht erforderlich, da sie - nach wie vor - mit einer Fremdunterbringung ihrer Kinder einverstanden ist. Sie meint, dass sie mit der von ihr gewünschten Betreuung und Versorgung der Kinder durch ihre Schwestern ihr Aufenthaltsbestimmungsrecht kindeswohldienlich ausgeübt habe. Die Unterbringung der Kinder bei deren Tanten gefährde das Wohl der Kinder nicht und sei ein milderer Eingriff in ihr Elternrecht als eine außerfamiliäre Fremdunterbringung, da dies bessere Voraussetzungen für die Fortsetzung ihrer Hinwendung zu den Kindern schaffe. Es sei geplant, dass Frau B... die Betreuung und Versorgung von D... und E... und Frau C... die Betreuung und Versorgung von F... übernehme. Beide Schwestern seien zur Aufnahme der Kinder in ihren Haushalt geeignet, fachlich kompetent und zur Übernahme der Betreuung sowie zur Kooperation mit dem Jugendamt bereit. Zwischen den Schwestern bestehe ein enges Verhältnis, so dass zum einen eine gegenseitige Unterstützung gewährleistet sei und zum anderen die Geschwisterbindung künftig leichter aufrecht erhalten werden könne als bei der Fremdunterbringung der Kinder in Pflegefamilien. Im Falle des Sorgerechtsentzugs wünscht die Kindesmutter, dass ihre Schwestern Vormund der von ihnen betreuten Kinder werden. Die Kindesmutter legt großen Wert darauf, dass die Kinder in einer türkischen Familie aufwachsen, die türkische Sprache erlernen und nach türkischer Tradition erzogen werden, die unter anderem durch den familiären Zusammenhalt geprägt sei. Ein Konfliktpotenzial innerhalb der Herkunftsfamilie werde nicht erhöht, wenn die Tanten die Betreuung übernehmen, weil sie - die Kindesmutter - leicht beeinflussbar sei und deshalb von ihren Schwestern leicht überzeugt werden könne.

Die Schwestern der Kindesmutter haben sich zur Übernahme der Vormundschaft bereit erklärt.

Der Verfahrensbeistand befürwortet die Zurückweisung der Beschwerde und die dauerhafte Unterbringung der Kinder in einer fachkompetenten Familie (Mehrpersonenhaushalt).

Das Jugendamt regt an, die Beschwerde der Kindesmutter hinsichtlich der Kinder D... und E... zurückzuweisen und der Beschwerde in Bezug auf F... im Hilfsantrag stattzugeben.

II. Die Beschwerde der Kindesmutter ist unbegründet.

Der angefochtene Beschluss muss zur Abwehr einer Kindeswohlgefährdung aufrecht erhalten bleiben (§ 1666, 1666a BGB). Die Schwestern der Kindesmutter - Frau C... und Frau B... - können nicht zum Vormund der beteiligten Kinder bestimmt werden, weil beiden die hierfür erforderliche Eignung im Sinne des § 1779 Abs. 2 Satz 1 BGB fehlt.

1. Die Entziehung des gesamten Sorgerechts ist erforderlich, um konkrete Gefahren für das Wohl der beteiligten Kinder sicher und dauerhaft abzuwehren.

Die Kindesmutter ist nicht in der Lage ihre Kinder in einer mit dem Kindeswohl vereinbaren Weise zu betreuen und zu versorgen. Dies steht nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens fest und wird von der Kindesmutter nicht in Zweifel gezogen. Diese akzeptiert weiterhin, dass alle Kinder nicht von ihr betreut und versorgt werden können.

Die Kindesmutter vermag ihre Sorgerechtsverantwortung auch nicht als nicht betreuender Elternteil wahrzunehmen. Sie ist in ihren intellektuellen und kognitiven Fähigkeiten erheblich eingeschränkt und steht unter Betreuung. Aufgrund dieser Einschränkungen ist die Kindesmutter nach den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen A... nicht in ausreichendem Maße fähig, die Bedürfnisse ihrer Kinder zu erkennen und zielorientierte und vernunftbasierte, am Wohl der Kinder ausgerichtete Entscheidungen zu treffen.

Auch für die Ausübung des Aufent...

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