Leitsatz (amtlich)
Polizeiliche Anordnung der Blutentnahme nachts auch ohne richterliche Anordnung rechtens, wenn andernfalls Ermittlungserfolg gefährdet wäre
Da ein richterlicher Eildienst bei den Amtsgerichten in Nordrhein-Westfalen nur in der Zeit von 06:00 Uhr bis 21:00 Uhr vorgehalten wird, können Ermittlungspersonen bei der Entscheidung über die Anordnung einer Blutprobenentnahme davon ausgehen, dass ein Bereitschaftsrichter erst um 06:00 Uhr morgens erreichbar ist. Konnte für die Entnahme der Blutprobe eine richterliche Anordnung wegen der Nachtzeit deshalb nicht eingeholt werden, unterliegt das Ergebnis dieser Blutprobenuntersuchung dann keinem Verwertungsverbot, wenn bei der polizeilichen Anordnung der Blutprobenentnahme Gefahr im Verzug bestand und ein Zuwarten bis zu diesem Zeitpunkt zu einer nicht hinnehmbaren Verschlechterung der Beweislage durch eine gesunkene Blutalkoholkonzentration geführt hätte.
Verfahrensgang
AG Neuss (Entscheidung vom 04.08.2009) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Neuss vom 4. August 2009 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss ( § 24a Abs. 1, 3 StVG ) eine Geldbuße von 175,- EUR und ein einmonatiges Fahrverbot festgesetzt. Mit seiner Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Die zuständige Einzelrichterin hat die Sache gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auf den Bußgeldsenat in seiner Besetzung mit drei Richtern übertragen.
Die Rechtsbeschwerde ist auf Kosten des Betroffenen ( § 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO ) als unbegründet zu verwerfen, weil die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Beschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat ( § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 2 und 3 StPO ). Näherer Erörterung bedarf hierbei nur die Verfahrensrüge, mit der der Betroffene beanstandet, dass das dem Schuldspruch zugrunde gelegte Ergebnis der Untersuchung einer ihm am Tattag entnommenen Blutprobe nicht hätte verwertet werden dürfen.
Gründe
1.
Die Rechtsbeschwerdebegründung trägt folgenden Verfahrensablauf vor:Am 14. Juli 2008 gegen 23:25 Uhr befuhr der Betroffene mit seinem Pkw die in und wurde in Höhe der Einmündung von Polizeibeamten angehalten. Auf deren Nachfrage erklärte er sich mit einem Atemalkoholtest einverstanden. Nachdem drei Messversuche mit dem Messgerät Dräger Evidential 7110 "aus unterschiedlichen Gründen" fehlgeschlagen waren, verbrachten die Beamten den Betroffenen zur Polizeiwache. Da er eine Blutprobenentnahme ablehnte, wurde diese durch den Zeugen POK um 23:58 Uhr angeordnet. Zu einer eventuellen Alkoholaufnahme befragt, "hatte der Betroffene noch geäußert", eine Flasche Bier getrunken zu haben. Die Blutprobe, deren anschließende Untersuchung einen Mittelwert von 0,85 Promille ergab, wurde am 15. Juli 2008 um 00:45 Uhr ärztlicherseits entnommen. Den Versuch der Erlangung einer richterlichen Anordnung der Blutprobenentnahme hatte der mit der Sache befasst Zeuge POK zuvor nicht unternommen, weil er aufgrund eines "Erlasses der Polizeiführung" zutreffend davon ausging, dass sowohl beim Amtsgericht Neuss als auch bei dem seit 2008 zuständigen Amtsgericht Düsseldorf ein richterlicher Eildienst nur für den Zeitraum von 6:00 Uhr bis 21:00 Uhr eingerichtet ist.In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Neuss erklärte der Verteidiger des Betroffenen sowohl nach dessen Einlassung zur Sache als auch nach der Verlesung des ärztlichen Befundberichtes zur BAK-Feststellung den Widerspruch gegen die Verwertung des Ergebnisses der Blutprobenuntersuchung wegen einer Verletzung der gesetzlichen Vorschriften zum Richtervorbehalt.
2.
. Soweit der Betroffene rügt, die polizeiliche Anordnung der Blutprobenentnahme sei schon mangels hinreichender Anhaltspunkte für ein "Alkoholdelikt" des Betroffenen zu Unrecht ergangen, genügt sein Vorbringen nicht den Darlegungsanforderungen des § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Beschwerdebegründung teilt den der Anordnung zugrunde liegenden Sachverhalt nicht vollständig mit, denn es ist nicht angegeben, zu welchem Zeitpunkt der Betroffene in der fraglichen Nacht Angaben zu seinem Alkoholkonsum gemacht hatte und aus welchen Gründen die Versuche einer Messung des Atemalkoholgehalts fehlgeschlagen waren. Darüber hinaus vermag der Senat dem Beschwerdevorbringen nicht zu entnehmen, dass der Betroffene in der Hauptverhandlung einer Verwertung der durch die Blutprobenentnahme gewonnenen Beweisergebnisse speziell unter dem Gesichtspunkt eines Fehlens der Anordnungsvoraussetzungen im Sinne von § 46 Abs. 4 Satz 1 OWiG, § 81a Abs. 1 Satz 2 StPO ("hinreichende Anhaltspunkte" für eine Ordnungswidrigkeit, vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage [2009], § 81a Rdnr. 2) widersprochen hat. Dahingehender Darlegungen hätte es aber bedurft. Ein Beweisverwertungsverbot ...