Leitsatz (amtlich)
Berücksichtung einer tilgungsreifen Voreintragung im Verkehrszentralregister bei Verurteilung ist rechtsfehlerhaft
Eine Verurteilung wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit ist rechtsfehlerhaft, wenn ihr der Beweisverwertung unterliegende Umstände zugrunde liegen. Ein solches Verwertungsverbot besteht, wenn hinsichtlich von Voreintragungen im Verkehrszentralregister zum Zeitpunkt des Urteils bereits Tilgungsreife eingetreten war. Es kommt dabei nur auf die Tilgungsreife an; ob eine Tilgung schon stattgefunden hat oder nicht, ist unerheblich, da die Tilgungsreife von Amts wegen zu überprüfen ist.
Normenkette
StVG § 29 Abs. 1, 4, 6-8
Tenor
1.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen. Die Sache wird gemäß § 80a Abs. 3 OWiG dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen, weil es geboten ist, das Urteil zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nachzuprüfen.
2.
Die Rechtsbeschwerde wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass das Bußgeld auf 170,-Euro reduziert wird.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Betroffenen am 15. Juli 2010 wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit einer Geldbuße von 180 Euro verurteilt. Im Rahmen der Rechtsfolgenbemessung hat das Amtsgericht eine 50%tige Erhöhung der Regelgeldbuße von 120 Euro vor dem Hintergrund der Voreintragungen des Betroffenen für angemessen erachtet. Mit seinem Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde rügt der Betroffene die Verletzung materiellen Rechts. Er macht geltend, dass die Tatrichterin sich nicht hinreichend mit möglichen Fehlerquellen bei der Messung der Geschwindigkeit befasst und zu seinen Lasten tilgungsreife Eintragungen im Verkehrszentralregister verwertet habe.
Die Einzelrichterin hat die Rechtsbeschwerde zugelassen und die Sache zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auf den Senat übertragen. Die nach Zulassung statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat in der Sache nur den aus dem Tenor ersichtlichen geringfügigen Teilerfolg.
1.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist unbegründet, soweit sie sich gegen den Schuldspruch richtet. Die Geschwindigkeitsmessung erfolgte mittels des Messverfahrens Provida 2000 Modular. Dieses Messverfahren gehört zu den standardisierten Messmethoden. Von der Zuverlässigkeit der Messung muss sich das Gericht nur überzeugen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler gegeben sind, was hier indes nicht der Fall ist. Die Angaben zum Messverfahren und zum Toleranzwert, die das angegriffene Urteil enthält, bilden die Grundlage einer nachvollziehbaren und ausreichenden Beweiswürdigung.
2.
Im Rechtsfolgenausspruch weist das Urteil jedoch einen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf.
Das Amtsgericht hat rechtsfehlerhaft eine im Verkehrszentralregister registrierte Voreintragung des Betroffenen berücksichtigt, obwohl diese im Zeitpunkt der tatrichterlichen Entscheidung einem Verwertungsverbot unterlag.
Das Urteil stellt folgende Voreintragungen des Betroffenen fest.
1.
Entscheidung vom 03.06.2008, rechtkräftig seit 19.06.2008, über 75,Euro wegen Benutzung des Seitenstreifens zum Zwecke des schnelle ren Vorwärtskommens, wobei es beim Fahrstreifenwechsel zu einem Unfall kam. Die am 05.09.2006 begangene Ordnungswidrigkeit wurde dem Kraftfahrbundesamt unter dem 04.07.2008 mitgeteilt.
2.
Entscheidung vom 08.07.2005, rechtskräftig seit 28.07.2005, über 80,Euro wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit außerhalb ge schlossener Ortschaften.
3.
Entscheidung vom 12.04.2005, rechtskräftig seit dem 15.11.2005, über 50,-Euro, wiederum wegen Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften.
4.
Entscheidung vom 09.09.2008, rechtskräftig seit dem 27.09.2008, über 72,-Euro Geldbuße wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften.
5.
Entscheidung vom 07.03.2005, rechtskräftig seit dem 30.03.2005, über 125,-Euro Geldbuße sowie einem Fahrverbot von einem Monat wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften und verbotswidrigem Rechtsüberholen.
Das Amtsgericht ging von einer Verwertbarkeit sämtlicher Vorahndungen aus.
Doch war die Verwertung der unter Ziffer 5 genannten Eintragung rechtsfehlerhaft, da insoweit ein Verwertungsverbot gem. § 29 Abs. 8 Satz 1 StVG bestand, wonach getilgte Voreintragungen dem Betroffenen nicht mehr vorgehalten und zu seinem Nachteil verwertet werden dürfen. Dabei steht die Tilgungsreife der Tilgung gleich (HentscheI/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 40. Aufl, § 29 Rn 12 m.w.N.). Hier war die absolute Tilgungsfrist des § 29 Abs. 6 Satz. 4 StVG bezüglich der unter Nr. 5 aufgeführten Vereinbarung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung überschritten. Danach werden Eintragungen von Entscheidungen wegen Ordnungswidrigkeiten -ausgenommen solcher nach § 24a StVG -spätestens nach fünf Jahren getilgt. Maßgebliche Berechnun...