Leitsatz (amtlich)

Die Anordnung der öffentlichen Zustellung erfordert einen Gerichtsbeschluss, der - jedenfalls kurz - zu begründen ist. Eine Verfügung des Vorsitzenden genügt nicht und hat die Unwirksamkeit der Zustellung zur Folge.

Die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungshauptverhandlung setzt im Falle eines Ladungsmangels auch bei öffentlicher Zustellung der Ladung voraus, dass der Ladungsmangel kausal für das Nichterscheinen des Angeklagten war. Ein für das Ausbleiben nicht kausaler Ladungsmangel ist mit der Revision zu rügen.

 

Normenkette

StPO § 37 Abs. 1, § 40 Abs. 1, §§ 44-45, 329 Abs. 1, 7; ZPO § 186 Abs. 1

 

Tenor

  1. Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen.
  2. Dem Angeklagten wird auf seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gewährt.
  3. Die Revision wird auf Kosten des Angeklagten als unbegründet verworfen.
 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Duisburg hat den Angeklagten wegen Diebstahls und Betruges zu einer Gesamtgeldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen, nachdem er in der Berufungshauptverhandlung ohne Entschuldigung ausgeblieben war.

Seinen Antrag, ihm wegen der Versäumung der Berufungshauptverhandlung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, hat das Landgericht mit Beschluss vom 4. Januar 2021 als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sích die sofortige Beschwerde des Angeklagten.

Ferner hat der Angeklagte gegen das Verwerfungsurteil Revision eingelegt und wegen der Versäumung der einmonatigen Begründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet.

1.

Der innerhalb der Wochenfrist des § 329 Abs. 7 Satz 1 StPO angebrachte Antrag des Angeklagten, ihm wegen der Versäumung der Berufungshauptverhandlung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, enthält keinerlei Tatsachenvortrag und beschränkt sich auf die Ankündigung, dass eine Begründung nach Akteneinsicht des Verteidigers erfolgt.

Nach Gewährung der Akteneinsicht sind noch ca. drei Wochen bis zur Einreichung der Begründungsschrift vom 1. Dezember 2020 vergangen, mit der geltend gemacht wird, dass der Angeklagte seinen Wohnsitz in der Türkei habe und wegen der Corona-Bedingungen zu der Berufungshauptverhandlung nicht habe anreisen können. So sei seinerzeit für Einreisende aus der Türkei eine zehntägige Quarantäne vorgeschrieben gewesen. Die Kosten für den Hin- und Rückflug sowie den Quarantäneaufenthalt habe er nicht tragen können.

Dieses Vorbringen, das der Sphäre des Angeklagten zuzuordnen ist und unabhängig von der Akteneinsicht möglich war, ist nicht fristgerecht erfolgt und damit unbeachtlich. Die Tatsachen zur Begründung der Wiedereinsetzung müssen innerhalb der einwöchigen Antragsfrist dargelegt werden (vgl. Senat NStZ 1984, 330; OLG Düsseldorf [1. Strafsenat] VRS 85, 342; MüKo-Valerius, StPO, 1. Aufl. 2014, § 45 Rdn. 7; KK-Maul, StPO, 8. Aufl. 2019, § 45 Rdn. 8). In dem anschließenden Verfahren kann gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 StPO nur die Glaubmachtmachung der zur Begründung angeführten Tatsachen, nicht jedoch die Begründung selbst nachgeholt werden.

2.

Die mangelnde Antragsbegründung ist allerdings unschädlich, wenn sich ein Wiedereinsetzungsgrund aus aktenkundigen Tatsachen ergibt. Denn aktenkundige Tatsachen brauchen nicht vorgetragen zu werden (vgl. BVerfG NJW 1995, 2544; OLG Köln NStZ-RR 2002, 142, 143; MüKo-Valerius a.a.O. § 45 Rdn. 5). Der Wille des Angeklagten zur Fortführung des Verfahrens kommt bereits durch den Wiedereinsetzungsantrag, der (hier verspätet) mit anderen Erwägungen begründet wurde, eindeutig zum Ausdruck.

In der Rechtsprechung ist weitgehend anerkannt, dass in entsprechender Anwendung der §§ 329 Abs. 7 Satz 1, 44, 45 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch demjenigen gewährt werden kann, der nicht wirksam zum Termin der Berufungshauptverhandlung geladen wurde und deshalb zu Unrecht als säumig behandelt worden ist (vgl. OLG Hamm NStZ 1982, 521; OLG Hamburg NStZ-RR 2001, 302; OLG Köln NStZ-RR 2002, 142; OLG Brandenburg BeckRS 2011, 8101; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl. 2020, § 329 Rdn. 41 m.w.N.).

Vorliegend ist zwar anhand der Akten ein Ladungsmangel festzustellen (dazu II.2.a). Dieser Ladungsmangel war jedoch nicht kausal für das Nichterscheinen des Angeklagten (dazu II.2.b), so dass eine Wiedereinsetzung auch unter diesem Gesichtspunkt ausscheidet.

a)

Eine ladungsfähige Anschrift des Angeklagten, der nach dem erstinstanzlichen Urteil in die Türkei zurückgekehrt ist, war in dem Berufungsverfahren nicht bekannt. Das Landgericht hat daher die öffentliche Zustellung der Ladung angeordnet (§ 40 Abs. 1 StPO).

Dies ist lediglich in der Weise geschehen, dass die Vorsitzende der Strafkammer in der Ladungsverfügung betreffend den Angeklagten den Zusatz "gegen öffentliche Zustellung" vermerkt hat...

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