Verfahrensgang
Bezirksregierung Münster (Beschluss vom 11.12.2009) |
Tenor
Die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Münster vom 11.12.2009 wird bis zur Entscheidung über ihre Beschwerde verlängert.
Gründe
Der Antrag der Antragstellerin gem. § 118 Abs. 1 S. 3 GWB ist begründet. Denn ihre Beschwerde und ihr Nachprüfungsantrag haben voraussichtlich Erfolg. Die Antragsgegnerin hat einige der mit "Nebenangebot" gekennzeichneten weiteren Angebote der Antragstellerin zu Unrecht ausgeschlossen.
1. Allerdings schied, wie der Senat bereits mit Beschluss vom 7.1.2010 ausgeführt hat, die Wertung von "Varianten" i.S.d. Art. 24 der Richtlinie 2004/18/EG (VKR) bereits deswegen aus, weil als Zuschlagskriterium allein der Preis genannt war.
Ob dies allein zur Folge hat, dass Vorschläge der Bieter zu "Varianten" nicht gewertet werden dürfen oder ob in den Fällen, in denen der Auftraggeber - wie hier - ausdrücklich zur Einreichung kostensparender Nebenangebote aufgefordert hat, das Vergabeverfahren in den Stand vor Angebotsabgabe zurückzuversetzen ist, weil der Auftraggeber die Bieter durch die ausdrückliche Zulassung von (vergaberechtlich unzulässigen) Nebenangeboten in die Irre geführt hat, was möglicherweise auch Einfluss auf die Ausgestaltung des Hauptangebotes hatte, bedarf keiner Entscheidung.
2. Der Antragsgegner durfte die "Nebenangebote" der Antragstellerin, die gleichwertige Gegenstände i.S.d. § 9 Nr. 10 S. 2 VOB/A (= Art. 23 Abs. 8 S. 2 VKR) betrafen, nicht ausschließen.
a) Der Antragsgegner hatte in ihrer Ausschreibung unter "410 Richtfabrikatsliste" zu den Einzelpositionen bestimmte "Planungsfabrikate" aufgeführt, aber gleichzeitig "gleichwertige" Artikel zugelassen.
b) Die Nennung von "Planungsfabrikaten" war nach § 9 Nr. 10 S. 2 VOB/A (= Art. 23 Abs. 8 S. 2 VKR) nur zulässig, wenn "der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden" konnte. Derartige Gründe werden nicht vorgetragen. Dies führt grundsätzlich dazu, dass wegen der Verletzung des Grundsatzes produktneutraler Ausschreibung und unzulässiger Bevorzugung der Leitprodukte das Vergabeverfahren zu wiederholen ist (vgl. Senat, VergabeR 2010, 277). Dem könnte allein entgegen stehen, dass die Rüge - so die Beigeladene - gem. § 107 Abs. 3 Nr. 2 GWB n.F. präkludiert wäre. Dies bedarf im Hinblick auf die nachfolgenden Ausführungen in diesem Verfahrensstadium jedoch keiner näheren Erörterung.
c) Der Antragsgegner hat "gleichwertige" Artikel nur dann zugelassen, wenn die "Gleichwertigkeit ... bei Abgabe des Angebotes vom Bieter nach[gewiesen]" wurde. Das ist mit § 9 Nr. 10 S. 2 VOB/A (= Art. 23 Abs. 8 S. 2 VKR) nicht vereinbar. Wie bereits dargelegt, lässt diese Vorschrift die Nennung von Leitfabrikaten nur deswegen zu, weil eine anderweitige Beschreibung des Auftragsgegenstandes auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen würde. Eine weitere Bevorzugung der Leitfabrikate ist nicht zulässig. Im Gegensatz zu § 9 Nr. 7 VOB/A (= Art. 23 Abs. 4 VKR) und § 9 Nr. 8 S. 2 VOB/A (= Art. 23 Abs. 5 VKR) (s. auch § 21 Nr. 2 VOB/A) ist der Bieter daher nicht gehalten, die "Gleichwertigkeit" mit der Angebotsabgabe nachzuweisen. Eine derartige Anforderung führte zu Erschwernissen bei dem Angebot anderweitiger Fabrikate. Die in den vorgenannten Vorschriften nur für die dort aufgeführten Fallgestaltungen vorgeschriebenen Gleichwertigkeitsnachweise können nicht auf den Fall des § 9 Nr. 10 S. 2 VOB/A übertragen werden.
Es ist nicht ersichtlich, dass eine derartige Rüge zu einem Punkt, der - soweit ersichtlich, bisher in der vergaberechtlichen Rechtsprechung noch nicht erörtert worden ist (in dem Beschluss des OLG Jena v. 31.8.2009 - 9 Verg 6/09 ist er nicht angesprochen worden) - gem. § 107 Abs. 3 GWB n.F. präkludiert wäre.
d) Die von dem Antragsgegner vor der Vergabekammer genannten Gründe für eine fehlende Gleichwertigkeit der von den "Planungsfabrikaten" abweichenden Fabrikate überzeugen nicht. Er hat geltend gemacht, es sei aus optischen oder technischen Gründen eine einheitliche Ausstattung der Häuser notwendig. Ob dies Gründe dafür gewesen wären, nach § 9 Nr. 10 S. 1 VOB/A (Art. 23 Abs. 8 S. 1 VKR) Angebote nur des bestimmten Fabrikates zuzulassen, kann offen bleiben. Mit der Zulassung gleichwertiger Fabrikate hat der Antragsgegner jedoch nicht mit den "Planungsfabrikaten" identische Fabrikate ausdrücklich zugelassen, dazu steht seine jetzige Auffassung, es gebe überhaupt keine gleichwertigen Fabrikate, in unüberbrückbarem Gegensatz.
Ob das Fehlen einer Seifenablage (Nr. 7) sowie eine messingverchromte Duschstange (statt einer aus Aluminium, Nr. 8) eine Gleichwertigkeit ausschließt, kann offen bleiben, da selbst bei Ausschluss dieser "Nebenangebote" das Angebot der Antragstellerin unter Berücksichtigung der "gleichwertigen Nebenangebote" im Hinblick auf den geringen Preisvorsprung des von dem Antragsgegner bevorzugten Angebots der Beigeladenen preislich ...