Leitsatz (amtlich)
1. Der Umstand, dass ein gerichtlich bestellter Sachverständiger als Privatgutachter für beklagte Kartellbeteiligte oder klagende Kartellgeschädigte in einem anderen Kartellschadenersatzverfahren tätig gewesen ist, begründet keine Besorgnis der Befangenheit (hier gerichtlich bestellter Sachverständiger im Schienenkartell, vorhergehende Privatgutachter-Tätigkeit im LKW-Kartell und Aufzugskartell).
2. Die Bekanntschaft oder rein kollegiale Zusammenarbeit begründet noch keine Zweifel an der Unparteilichkeit eines Sachverständigen (hier Bezeichnung als "Team" in einem LinkedIn-Post).
Tenor
Das Gesuch der Klägerin, die gerichtlichen Sachverständigen M. und N. wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Senat hat mit Hinweis- und Beweisbeschluss vom 09.02.2023 die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zur Frage der kartellbedingten Erhöhung der von der Klägerin entrichteten Preise für Gleisbaumaterialien beschlossen. Mit Beschluss vom 21.03.2024 hat der Senat M. und N. zu Sachverständigen bestellt.
Mit Schriftsatz vom 28.03.2024 hat die Klägerin die Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Zur Begründung führt sie aus, die Prozessbevollmächtigten der Beklagten Ziff. 3 verträten in dem Verfahrenskomplex LKW-Kartell ein kartellbeteiligtes Unternehmen bei der Abwehr von Kartellschadensersatzansprüchen. Der Sachverständige M. sei für dieses Unternehmen als Privatgutachter tätig und arbeite dabei eng mit den Prozessbevollmächtigten der hiesigen Beklagten Ziff. 3 zusammen. Die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen N. sieht die Klägerin darin begründet, dass dieser für die Beratungsgesellschaft V. tätig ist, die in dem Verfahrenskomplex Aufzug- und Fahrtreppenkartell seit Jahren ein kartellbeteiligtes Unternehmen bei der Abwehr kartellrechtlicher Schadensersatzansprüche unterstützt. Die Klägerin trägt vor, zu den Geschädigten und Anspruchstellern/Klägern in dem Verfahrenskomplex Aufzug- und Verfahrenskartell zählten auch zahlreiche durch das Schienenkartell geschädigte Unternehmen. So habe u.a. die Klägerin des vorliegenden Rechtsstreits Schadensersatzansprüche wegen des Aufzug- und Fahrtreppenkartells geltend gemacht.
Die Beklagten haben mit Schriftsätzen vom 24.04.2024, die Streithelferin mit Schriftsatz vom 22.04.2024, zu dem Gesuch Stellung genommen.
Der Sachverständige M. hat sich mit Schriftsatz vom 03.06.2024 zu dem Befangenheitsgesuch geäußert, der Sachverständige N. mit Schriftsatz vom 24.05.2024.
In ihrer Stellungnahme vom 19.07.2024 hat die Klägerin an ihrem Befangenheitsgesuch festgehalten.
II. Das zulässige, innerhalb der Frist des § 406 Abs. 2 ZPO eingelegte Ablehnungsgesuch der Klägerin ist unbegründet.
Ein Sachverständiger kann gemäß § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 42 Abs. 2 ZPO wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Für die Besorgnis der Befangenheit ist es nicht erforderlich, dass der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit. Dieser Anschein muss sich auf Tatsachen oder Umstände gründen, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken können, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BGH, Beschluss vom 10.01.2017, VI ZB 31/16, Rn. 8; Beschluss vom 03.11.2014, X ZR 148/11, Rn. 2; Beschluss vom 11.06.2008, X ZR 124/06, Rn. 2; jeweils zitiert nach juris).
1. Unter Berücksichtigung der oben genannten Grundsätze ist das Ablehnungsgesuch betreffend M. unbegründet. Bei der gebotenen objektiven Betrachtung liegen keine Umstände vor, die aus Sicht der Klägerin Zweifel an der Unparteilichkeit des gerichtlichen Sachverständigen begründen können. Solche Zweifel ergeben sich insbesondere nicht aus der Befassung des Sachverständigen mit dem Verfahrenskomplex LKW-Kartell.
a) Die Tätigkeit von M. als Privatgutachter der Beklagtenseite im Verfahrenskomplex LKW-Kartell begründet nicht die Besorgnis einer fachlichen Vorfestlegung oder einer tendenziösen Begutachtung zulasten der Klägerin.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 06.06.2019, III ZB 98/18, NJW 2020, 691, Rn. 11; Beschluss vom 10.01.2017, VI ZB 31/16, Rn. 9, zitiert nach juris) liegt ein Ablehnungsgrund in der Regel vor, wenn der Sachverständige für einen nicht unmittelbar oder mittelbar am Rechtsstreit beteiligten Dritten ein entgeltliches Privatgutachten in derselben Sache oder zu einem gleichartigen Sachverhalt erstattet hat. Auch bei vernünftiger Betrachtung stehe bei dieser Fallgestaltung aus Sicht des Ablehnenden die Befürchtung im Raum, der Sachverständige we...