Entscheidungsstichwort (Thema)
Anerkennung ausländischer Entscheidungen. hier: Anspruch auf Vollstreckbarerklärung eines französichen Nichtversöhnungsbeschlusses
Leitsatz (amtlich)
1. Die Entscheidung eines französischen Gerichts (hier: "Nichtversöhnungsbeschluss"), die eine Wertsicherungsklausel enthält, wonach die Unterhaltsleistungen jedes Jahr am 1.1. variieren gemäß dem französischen Verbraucherpreisindex der städtischen Haushalte, deren Familienvorstand Arbeiter oder Angestellte sind - Serie ganz Frankreich - und der am 1.3.2000 gültige Bezugswert maßgeblich ist, ist hinreichend bestimmt und daher - soweit andere Umstände nicht entgegen stehen - für vollstreckbar zu erklären.
2. Eine im Exequaturverfahren mögliche Aufrechnung ist unzulässig, wenn die betreffenden Forderungen zwei verschiedenen Rechtsordnungen unterliegen (hier: Gläubigerforderung französischem Recht; Schuldnerforderung deutschem Recht) und sie nicht den Voraussetzungen beider Rechtsordnungen genügen (hier: Verbot der Aufrechnung gegen eine nach deutschem Sachrecht unpfändbare Unterhaltsforderung).
Normenkette
EuGVÜ Art. 27-28, 34 Abs. 2, Art. 46-47; CC Art. 254; AVAG § 12 Abs. 1, § 14; BGB § 394 S. 1; ZPO § 850b Abs. 2-3
Verfahrensgang
LG Kleve (Beschluss vom 23.04.2007; Aktenzeichen 4 O 65/07) |
Tenor
Das Rechtsmittel wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner zu tragen.
Der Antragstellerin wird mit Wirkung ab dem 27.6.2007 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt und zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte im Beschwerdeverfahren Rechtsanwalt V. aus Düsseldorf beigeordnet.
Gründe
I. Die Antragstellerin beabsichtigt, aus dem Nichtversöhnungsbeschluss des Tribunal de Grande Instance de Nancy vom 10.3.2000 im Verfahren Nr. 9905627 gegen den Antragsgegner in Deutschland zu vollstrecken. Auf ihr Gesuch hat der Vorsitzende der 4. Zivilkammer des LG Kleve mit Beschluss vom 23.4.2007 angeordnet, die genannte Entscheidung mit der Vollstreckungsklausel zu versehen. Gegen diesen ihm am 12.5.2007 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 5.6.2007 eingegangenen Beschwerde. Zu deren Begründung macht er im Wesentlichen geltend:
Der Vollstreckungstitel sei durch ein Urteil des Großinstanzgerichts Nancy vom 16.5.2003 aufgehoben worden. Darüber hinaus sei das vorliegende Verfahren auszusetzen, bis über die gegen das vorbezeichnete Urteil eingelegte Berufung entschieden sei. Was den titulierten Unterhaltsanspruch für das Kind anbelange, so sei dieser - was unstreitig sei - jederzeit gezahlt worden und werde das vorliegende Verfahren von den Anwälten der Antragstellerin vollmachtlos betrieben. Schließlich stünden ihm, dem Antragsgegner, weitestgehend titulierte, im Übrigen unstreitige Gegenansprüche gegen die Antragstellerin zu, mit denen er die Aufrechnung erklärt habe und erkläre.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.
II. Die innerhalb eines Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung des LG Kleve eingegangene Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig (Artt. 36 Abs. 1, 37 Abs. 1 EuGVÜ, § 11 Abs. 1 u. 3 AVAG). Sie ist jedoch nicht begründet.
Auf das vorliegende Verfahren sind die Vorschriften des 2. Abschnitts des Titels III. des Brüsseler Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVÜ), das 1973 für die damaligen Mitgliedstaaten der EG und damit sowohl für die Bundesrepublik Deutschland als auch für Frankreich in Kraft trat, sowie die Vorschriften des AVAG (gem. dem dortigen § 1 Abs. 1 Nr. 1a) anwendbar.
Da hier die EuGVVO aus zeitlichen Gründen keine Anwendung findet (Artt. 66 Abs. 1, 76 EuGVVO), hatte die Antragstellerin die Wahl zwischen den Vorschriften des Haager Übereinkommens und dem EuGVÜ. Sie hat die Wahl nicht ausdrücklich, wohl aber zwischenzeitlich in schlüssiger Form ausgeübt. Das LG ist - da es ohne Nachreichung einer weiteren Unterlage durch die Antragstellerin entschieden hat - erkennbar von der Anwendung des EuGVÜ ausgegangen. Im Beschwerdeverfahren gründet die Antragstellerin ihre Darlegungen ausschließlich auf Vorschriften des EuGVÜ und der EuGVVO. Damit hat sie sich in schlüssiger Form den Standpunkt des LG zu eigen gemacht und ihr Wahlrecht nunmehr i.S.d. Anwendbarkeit der Vorschriften des EuGVÜ ausgeübt.
Indem durch den angegriffenen Beschluss angeordnet worden ist, das Versäumnisurteil mit der Vollstreckungsklausel zu versehen, ist dieses nach §§ 4 Abs. 1, 8 Abs. 1 Satz 1, 9 AVAG für vollstreckbar erklärt worden. Die Rechtmäßigkeit dieser Vollstreckbarerklärung beurteilt sich nach den Vorschriften der Artt. 31 ff. EuGVÜ.
1. Gemäß Art. 31 Abs. 1 EuGVÜ werden die in einem Vertragsstaat ergangenen Entscheidungen, die in diesem Staat vollstreckbar sind, in einem anderen Vertragsstaat vollstreckt, wenn sie dort auf Antrag eines Berechtigten für vollstreckbar erklärt worden sind. Der Nichtversöhnungsbeschluss des Großinstanzgerichts Nancy i...