Leitsatz (amtlich)
Zur Bestimmung des Statuts für die Scheidung (Auflösung der Ehe), wenn einer der beiden Ehegatten mit italienischer Staatsangehörigkeit vor Einleitung des Scheidungsverfahrens in Deutschland zusätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hat
Verfahrensgang
AG Oberhausen (Beschluss vom 14.11.2011; Aktenzeichen 45 F 1377/11) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Oberhausen vom 14.11.2011 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt Verfahrenskostenhilfe für eine Ehesache, in der sie die Scheidung ihrer Ehe erreichen will. Sie wurde in Deutschland geboren, besitzt aber ebenso wie der Antragsgegner die italienische Staatsangehörigkeit. Im September 2011 erwarb sie zusätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit (vgl. Einbürgerungsurkunde vom 2.9.2011 GA Bl. 5).
Mit Schriftsatz vom 20.10.2011 hat sie beantragt,
ihre am 24.5.1985 unter der Heiratsregister-Nr.:.../1985 geschlossene Ehe zu scheiden.
Durch den angefochtenen Beschluss hat die Amtsrichterin das Verfahrenskostenhilfe-Gesuch mit der Begründung zurückgewiesen, der Antrag sei gem. Art. 17 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB nach italienischem Recht zu beurteilen, das zur Zeit eine Scheidung nicht zulasse, weil erst ein Ehetrennungsverfahren durchzuführen sei. Der gegen diese Entscheidung gerichteten sofortigen Beschwerde hat das AG nicht abgeholfen.
II. Das Rechtsmittel ist nicht begründet.
1. Das AG hat zu Recht angenommen, dass hier italienisches Recht berufen ist. Die allgemeinen Wirkungen der Ehe bestimmen sich gem. Art. 17 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB nach dem Heimatrecht beider Ehegatten. Denn diese Verweisung greift nicht nur dann ein, wenn beide Ehegatten demselben Staat angehören (Alternative 1), sondern auch dann, "wenn einer von ihnen diesem Staat noch angehört" (Alternative 2). Diese Konstellation ist hier gegeben, weil der Antragsgegner weiter italienischer Staatsbürger ist. Dass die Antragstellerin mittlerweile zusätzlich die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen hat und diese Rechtsstellung gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB aus der Sicht des deutschen Kollisionsrechts vorgeht, bedeutet nur, dass nun von einer gemischt-nationalen Ehe im Sinne der Alt. 2 und nicht mehr von einer übereinstimmenden Staatsangehörigkeit im Sinne der Alt. 1 des Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB auszugehen ist. Ein Wechsel auf die zweite Sprosse der in Art. 14 Abs. 1 EGBGB normierten Stufenleiter wird dadurch nicht ermöglicht.
Die somit begründete Verweisung in das italienische Recht führt nach Art. 4 Abs. 1 Satz 1 EGBGB allerdings auch zur Anwendung des Internationalen Privatrechts Italiens, so dass dieses Kollisionsrecht daraufhin zu überprüfen ist, ob es auf deutsches Recht zurückverweist; in diesem Falle würde das deutsche Recht - beschränkt auf die innerstaatlichen Sachvorschriften - die Rückverweisung annehmen, Art. 4 Abs. 1 Satz 2 EGBGB (vgl. z.B. Henrich in Johannsen/Henrich Familienrecht 5. Aufl. Art. 17 Rz. 16). Diese Rückverweisung findet jedoch im vorliegenden Fall nicht statt. Zwar trifft Art. 31 Abs. 1 des italienischen IPR-Gesetzes Nr. 218 vom 31.5.1995 folgende Regelung: "Die persönliche Trennung und die Auflösung der Ehe werden durch das gemeinsame Heimatrecht der Ehegatten im Zeitpunkt des Antrags auf Trennung oder Auflösung der Ehe geregelt; fehlt ein solches, so ist das Recht des Staates anzuwenden, in welchem das eheliche Zusammenleben überwiegend stattgefunden hat" (vgl. die Übersetzung in Bergmann/Ferid Länderteil Italien Bearbeitungsstand 1.12.2010 und dazu die Erläuterung von Cubeddu Wiedemann ebenda Seite 24 und 27; dieselbe in Süß/Ring Eherecht in Europa Abschnitt Italien Rz. 163). Infolgedessen kann deutsches Scheidungsstatut zum Zuge kommen, wenn einer der beiden italienischen Ehegatten seine frühere Staatsangehörigkeit aufgegeben und die deutsche Staatsbürgerschaft erworben und das eheliche Zusammenleben überwiegend in Deutschland stattgefunden hat (vgl. OLG Frankfurt FamRZ 2008, 997 = NJW-RR 2008, 386). Für die Frage, ob das gemeinsame Heimatrecht besteht, ist aber auch Art. 19 ("Staatenlose, Flüchtlinge und Personen mit mehreren Staatsangehörigkeiten") zu beachten, der in Abs. 2 bestimmt: "Hat die Person mehrere Staatsangehörigkeiten, so wird das Recht desjenigen der Staaten, denen sie angehört, angewendet, mit welchem sie die engste Verbindung hat. Ist eine der Staatsangehörigkeiten die italienische, so geht diese vor.". Damit enthält Art. 19 Abs. 2 Satz 2 des italienischen IPR-Gesetzes eine Regelung, die mit Art. 5 Abs. 1 Satz 2 EGBGB vergleichbar ist. Anders als in dem vom OLG Frankfurt entschiedenen Fall kommt deshalb hier die Rückverweisung in das deutsche Recht nicht zum Tragen. Denn die Antragstellerin hat ausdrücklich vorgetragen, dass sie sowohl die italienische als auch die deutsche Staatsbürgerschaft besitze (Seite 2 der Scheidungsschrift). Folglich bleibt es bei dem gemeinsamen Heimatrecht der Ehegatten, nach dem sich die Voraussetzun...