Leitsatz (amtlich)

Wird die Berufung des Angeklagten gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO verworfen, bleiben die Mitglieder der Strafkammer bis zum Ablauf der Frist für das Gesuch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bzw. bis zur rechtskräftigen Zurückweisung des Widereinsetzungsgesuchs erkennende Richter im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 2 SPO.

 

Verfahrensgang

LG Wuppertal (Entscheidung vom 23.07.2001; Aktenzeichen 28 Ns 16/01 VIII)

LG Wuppertal (Entscheidung vom 11.07.2001; Aktenzeichen 28 Ns 16/01 VIII)

 

Tenor

  • 1.

    Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 11. Juli 2001 wird als unzulässig verworfen.

  • 2.

    Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss vom 23. Juli 2001 wird

    • a)

      als unzulässig verworfen, soweit die Entscheidung über das gegen die Vorsitzende Richterin am Landgericht D.-M. gerichtete Ablehnungsgesuch angegriffen wird,

    • b)

      als unbegründet verworfen, soweit die Entscheidung über den von dem Angeklagten gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand angegriffen wird.

  • 3.

    Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens über die sofortige Beschwerde gegen die versagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht Mettmann hat den Angeklagten mit Urteil vom 11. Juli 2001 wegen Sachbeschädigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom 10. Juli 2001 hat er durch seinen Verteidiger die Vorsitzende der für die Durchführung des Berufungsverfahrens zuständigen kleinen Strafkammer wegen Besorgnis der Befangenheit ablehnen lassen. Dieses Gesuch ist - ohne Mitwirkung der abgelehnten Richterin - durch den angefochtenen Beschluss vom 11. Juli 2001 als unbegründet zurückgewiesen worden.

Da der Angeklagte zu der am selben Tage stattfindenden Berufungshauptverhandlung nicht erschienen war, ist seine Berufung gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO verworfen worden. Durch Beschluss vom 23. Juli 2001 hat die kleine Strafkammer sowohl das Gesuch des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungshauptverhandlung - als unbegründet - als auch ein weiteres gegen die Kammervorsitzende gerichtetes Ablehnungsgesuch des Angeklagten - als unzulässig - verworfen. Auch gegen diese beiden Entscheidungen wendet sich der Angeklagte mit seinen sofortigen Beschwerden.

II.

1.

Die gegen die Zurückweisung bzw. Verwerfung der Ablehnungsgesuche gerichteten sofortigen Beschwerden sind unzulässig. Bei der abgelehnten Richterin handelt es sich um eine erkennende Richterin im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO, so dass eine isolierte Anfechtung der Entscheidungen über die Ablehnungsgesuche nicht statthaft ist.

Etwas anderes ergibt sich für die Beschwerde gegen die in dem Beschluss vom 23. Juli 2001 getroffene Entscheidung über das zweite Ablehnungsgesuch auch nicht daraus, dass die Berufung des Angeklagten unter dem Vorsitz der abgelehnten Richterin bereits zuvor mit Urteil vom 11. Juli 2001 verworfen worden war. Zwar endet die Eigenschaft als erkennender Richter im Sinne des § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO grundsätzlich mit der Urteilsfällung (vgl. RGSt 43, 179 [181]; KG NZV 2002, 334 [335]; OLG Celle Nds.Rpfl. 1982, 100; NJW 1960, 210; OLG München MDR 1982, 773; OLG Schleswig SchlHA 1953, 246; LG Düsseldorf StV 1991, 410 [411]; Wendisch in Löwe/Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 28 Rn. 15; Lemke in HK-StPO, 3. Auflage, § 28 Rn. 8; Pfeiffer in KK-StPO, 4. Auflage, § 28 Rn. 3; Meyer-Goßner, StPO, 46. Auflage, § 28 Rn. 6; Rudolphi in SK-StPO, 4. Auflage, § 28 Rn. 10). Dies gilt jedoch nicht, wenn es sich - wie hier - um ein Urteil handelt, durch das die Berufung eines Angeklagten gemäß § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO verworfen worden ist. In dieser Verfahrenssituation besteht die Besonderheit, dass die Richter, die an der Urteilsfällung mitgewirkt haben, ggf. auf Grund einer neuen Hauptverhandlung über den Anklagevorwurf entscheiden müssen, wenn dem Angeklagten gemäß § 329 Abs. 3 StPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt wird. Aus diesem Grunde endet die Eigenschaft als erkennender Richter erst mit Ablauf der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsgesuchs bzw. mit dessen rechtskräftiger Zurückweisung, da erst dann feststeht, dass der Spruchkörper, dem der abgelehnte Richter angehört, nicht mehr mit einer Entscheidung über den Anklagevorwurf befasst sein wird.

Soweit das Oberlandesgericht München (MDR 1982, 773) die Eigenschaft als erkennender Richter bereits mit dem Erlass des Verwerfungsurteils für beendet hält (so im Ergebnis auch OLG Celle Nds.Rpfl. 1982, 100; KG a.a.O.; OLG Stuttgart OLGSt Nr. 2 zu § 28 StPO; Meyer-Goßner a.a.O.; Wendisch a.a.O.; Rudolphi a.a.O.), weil andernfalls die Frage der Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde gegen die das Ablehnungsgesuch zurückweisende oder verwerfende Entscheidung unlösbar in der Schwebe bleibe, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Nach § 28 Abs. 2 Satz 2 StPO kommt es für die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde darauf an, ob die Entscheidu...

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