Leitsatz (amtlich)
Ist ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, den der Angeklagte auf sein Ausbleiben in der erstinstanzlichen Hauptverhandlung gestellt hat, nicht erledigt, darf die Berufungshauptverhandlung nicht durchgeführt werden. Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit und Erfolgsaussicht des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zu prüfen. Wird die Berufungshauptverhandlung durchgeführt, obwohl der Angeklagte einen auf § 315 Abs. 2 Satz 2 StPO gestützten Aussetzungsantrag gestellt hat, unterliegt das angefochtene Urteil auf die Verfahrensrüge der Aufhebung. Das Urteil beruht unmittelbar auf dem Verfahrensmangel, weil es bei dieser Hauptverhandlung nicht hätte ergehen dürfen.
Normenkette
StPO § 315 Abs. 2 S. 2, § 337 Abs. 1
Tenor
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Der in dem Strafbefehl des Amtsgerichts M. vom 13. Dezember 2013 enthaltene Schuldspruch wird dahin berichtigt, dass der Angeklagte des Diebstahls in sechs Fällen und des versuchten Diebstahls schuldig ist.
Die Sache wird betreffend den Strafausspruch zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Kleve zurückverwiesen.
- Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht M. hat gegen den Angeklagten durch Strafbefehl vom 13. Dezember 2013 "wegen Diebstahls geringwertiger Sachen in 6 Fällen und eines weiteren versuchten Diebstahls geringwertiger Sachen" eine Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 60 Euro festgesetzt. Den gegen diesen Strafbefehl eingelegten Einspruch hat der Angeklagte nachträglich "auf den Rechtsfolgenausspruch" beschränkt.
Das Amtsgericht hat seinem Urteil vom 20. Mai 2014 den rechtskräftigen Schuldspruch zugrunde gelegt und keine eigenen Feststellungen zum Tatgeschehen getroffen. Bei der Bemessung der Strafe hat es lediglich die Höhe des Tagessatzes reduziert und auf eine Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 50 Euro erkannt.
Die hiergegen gerichteten Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten, dessen Sprungrevision als Berufung zu behandeln war, hat das Landgericht am 8. Dezember 2014 als unbegründet verworfen.
Gegen das Berufungsurteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützten Revision.
Ferner hat der Angeklagte am 10. Januar 2015 sofortige Beschwerde gegen die in dem Berufungsurteil getroffene Kosten- und Auslagenentscheidung eingelegt. Denn dort war hinsichtlich der erfolglosen Berufung der Staatsanwaltschaft nicht ausgesprochen worden, dass die Staatskasse die Kosten dieses Rechtsmittels und die dadurch entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat.
II.
Die Revision des Angeklagten hat mit der auf die Verletzung des § 315 Abs. 2 Satz 2 StPO gestützten Verfahrensrüge vorläufig Erfolg (dazu II.3), so dass die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts zurückzuverweisen ist, wobei - wie im ersten Berufungsverfahren - allein über den Strafausspruch zu befinden sein wird.
Ein weitergehender Erfolg ist der Revision nicht beschieden. Denn das Verfahren ist weder nach § 206a Abs. 1 StPO einzustellen (dazu II.1) noch künftig auf den Schuldspruch, der lediglich in der Formulierung zu berichtigen ist, zu erstrecken (dazu II.2).
1.
a) Nach dem in dem Strafbefehl bezeichneten Sachverhalt begab sich der Angeklagte während seiner Tätigkeit als Beamter des mittleren Dienstes in der Strafabteilung des Amtsgerichts ... in sieben Fällen in die Dienstzimmer der sitzungsbedingt abwesenden Richterinnen M. und K. Er öffnete die Dienstzimmer jeweils mit seinem Dienstschlüssel und entwendete dort insgesamt 85 Euro, nämlich dreimal je einen 10-Euro-Schein und einmal einen 20-Euro-Schein zum Nachteil der Richterin M. sowie je einmal einen 20-Euro-Schein, einen 5-Euro-Schein und einen 10-Euro-Schein zum Nachteil der Richterin K. Im letzten Fall war die Banknote von der Kriminalpolizei als Diebesfalle präpariert worden.
Die Verfahrensvoraussetzung des § 248a StGB ist in sämtlichen Fällen erfüllt.
Allerdings hat die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung nur in den beiden Fällen bejaht, die erst nach der Strafanzeige und Zeugenvernehmung der betroffenen Richterinnen bekannt geworden sind. Wäre das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung, das hier auf der Hand liegt, einheitlich in allen sieben Fällen bejaht worden, wäre die zum Teil schwierige Prüfung, ob in den weiteren fünf Fällen jeweils der erforderliche Strafantrag gestellt worden ist, entbehrlich.
Bei der polizeilichen Befragung der Richterin M. am 21. Januar 2013 wurden zwei Formulare ausgefüllt, nämlich die "Strafanzeige" und die "Zeugenvernehmung". In der Strafanzeige, die allein der aufnehmende Kriminalbeamte unterzeichnet hat, fehlt in der Rubrik "Ich stelle Strafantrag" die dort vorgesehene Unterschrift der Geschädigten. All...