Leitsatz (amtlich)
›Zur Feststellung der Überschuldung einer GmbH.‹
1. Bei der Bewertung von Vermögensgegenständen, wie etwa dem Warenbestand der Gesellschaft, ist zugunsten des Angeklagten so lange von der Fortführung der Gesellschaft auszugehen, wie deren bevorstehender Zusammenbruch für ihn nicht offensichtlich war. Erst hiernach darf anstelle des Fortführungswertes der Vermögensgegenstände deren Liquidationswert angesetzt werden.
2. Gesellschafterdarlehen und Darlehen Dritter an die Gesellschaft sind bei der Aufstellung der Überschuldungsbilanz nicht als Passivposten aufzuführen, wenn mit der Gesellschaft ein Rangrücktritt vereinbart ist.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Angeklagten "wegen nicht rechtzeitiger Bilanzerstellung und nicht rechtzeitiger Konkursantragstellung" zu einer Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je 40,-- DM verurteilt. Der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung des Angeklagten hat das Landgericht teilweise stattgegeben und ihn unter Freisprechung im übrigen wegen fahrlässiger Pflichtverletzung bei Überschuldung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40,-- DM verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg und führt zu Aufhebung des Urteils, soweit es angefochten worden ist, und in diesem Umfang zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Eines Eingehens auf die - nicht ausgeführte - Verfahrensrüge bedarf es nicht.
Die Strafkammer hat festgestellt:
1.
Der Angeklagte war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der am 12. Dezember 1989 gegründeten S. W.D. GmbH. Deren Zweck war der Handel mit Damen- und Herrenoberbekleidung. Das Stammkapital von 50.000,-- DM zahlte der Angeklagte in bar ein. Durch die geschäftliche Betätigung der Gesellschaft entstanden zunehmend Verluste, die sich Ende 1992 auf etwa 412.000,-- DM beliefen. Der Angeklagte hatte der Gesellschaft ein "nachrangiges Gesellschafterdarlehen" in Höhe von 150.000,-- DM gegeben. Zudem stand der Gesellschaft ein Darlehen der C.-Bank in Höhe von 250.000,-- DM zur Verfügung, das zum Teil ausgeschöpft wurde. Im August 1992 eröffnete die Gesellschaft ein viertes Geschäftslokal. Zu diesem Zeitpunkt war das Stammkapital bereits verbraucht und das nachrangige Gesellschafterdarlehen in Höhe von 150.000,-- DM ausgeschöpft. Ein Hauptgläubiger betrieb seine Forderung in Höhe von 200.000,-- DM nicht. Anfang Mai 1993 kündigte die C.-Bank das Darlehen. Am 8. Mai 1993 stellte der Angeklagte für die Gesellschaft Konkursantrag, der mangels Masse abgelehnt wurde. Die C.-bank bediente sich aus Sicherheiten. Einen Restbetrag zahlte der Angeklagte in Raten zurück. Der restliche Warenbestand gelangte an die Hersteller.
2.
Der Angeklagte hat sich eingelassen, er habe eine Überschuldung der Gesellschaft erst zum Zeitpunkt der Kündigung des Bankkredits Anfang Mai 1993 erkennen können. Zuvor habe er einen positiven Umschwung der Geschäftsentwicklung erwartet. Im übrigen sei die vorhandene Markenware mit einem Verkaufswert von 900.000,-- DM zu berücksichtigen gewesen.
3.
Die Strafkammer hat unter Bezugnahme auf das Gutachten eines Sachverständigen ausgeführt, die Summen- und Saldenliste weise bereits für das Jahresende 1992 einen Verlust von 412.000,-- DM aus. Die vorhandenen Textilien hätten nicht mit einem Verkaufspreis, sondern nur mit dem Konkurswert eingesetzt werden können. Der Angeklagte hätte die wirtschaftliche Lage erkennen können.
II.
Die getroffenen Feststellungen und Erwägungen in dem angefochtenen Urteil tragen den Schuldspruch wegen Pflichtverletzung bei Überschuldung nicht. Sie sind schon hinsichtlich der objektiven Tatbestandsmerkmale unvollständig und erlauben dem Senat nicht die Prüfung, ob das Recht richtig angewendet worden ist.
Nach § 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG macht sich u.a. derjenige strafbar, der es als Geschäftsführer einer GmbH entgegen § 64 Abs. 1 GmbHG unterläßt, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft die Eröffnung des Konkursverfahrens oder des gerichtlichen Vergleichsverfahrens zu beantragen.
a) Überschuldung einer GmbH liegt vor, wenn das Vermögen der Gesellschaft deren Schulden nicht mehr deckt (§ 64 Abs. 1 Satz 2 GmbHG). Ob Überschuldung vorliegt, ist nach betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen zu ermitteln. Die Feststellung der Überschuldung erfordert deshalb eine Gegenüberstellung der Aktiv- und Passivposten des Gesellschaftsvermögens (Senatsbeschluß vom 5. November 1982 in BB 1983, 229, 230 m.w.N.). Dabei sind die für die Überschuldungsbilanz entwickelten Regeln anzuwenden (vgl. Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl., 1996, Rdnr. 23 zu § 84 sowie Rdnrn. 12 ff. zu § 63 m.w.N.).
aa)
Bei der Bewertung von Vermögensgegenständen, wie etwa dem Warenbestand der Gesellschaft, ist zugunsten des Angeklagten so lange von der Fortführung der Gesellschaft auszugehen, wie deren bevorstehender Zusammenbruch für ihn nicht offensichtlich war. Erst hiernach darf anstelle des Fortführungswertes der ...