Leitsatz (amtlich)
›1. Zu den Voraussetzungen einer "Unterschrift" des Zustellers auf der Zustellungsurkunde.
2. Der eine Zustellung an einen Gefangenen bewirkende Beamte der Justizvollzugsanstalt als Gerichtswachtmeister hat seiner Unterschrift auf der Zustellungsurkunde regelmäßig seine Dienstbezeichnung beizufügen.‹
Verfahrensgang
StA Düsseldorf (Aktenzeichen 610 Js 362&,99) |
Tenor
1. Der Beschluß vom 20. April 2000 wird aufgehoben.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist gegenstandslos.
Gründe
I.
Das Landgericht hat die Berufung des Angeklagten, der sich in Haft befindet, gegen ein Urteil des Amtsgerichts Neuss als unbegründet verworfen. Die rechtzeitig eingelegte Revision des Angeklagten hat es durch Beschluß vom 20. April 2000 als unzulässig verworfen, weil sie nicht fristgerecht begründet worden sei. Der Antrag des Angeklagten auf Entscheidung des Revisionsgerichts gemäß § 346 Abs. 2 StPO führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses. Der Hilfsantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist damit gegenstandslos.
II.
Der angefochtene Beschluß ist aufzuheben, weil der Angeklagte die Revisionsbegründungsfrist, § 345 Abs. 1 StPO, nicht versäumt hat. Das Urteil ist dem Angeklagten bisher nicht wirksam zugestellt worden, weil die Urkunden vom 18. Februar und 2. März 2000 über die Zustellung des Urteils nicht unterschrieben sind.
1. Die Zustellung des Urteils an den Angeklagten, die der Vorsitzende der Strafkammer gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 StPO angeordnet hatte, sollte durch Übergabe in der Justizvollzugsanstalt bewirkt werden. Das ist nach § 37 Abs. 1 Satz 1 StPO in Verbindung mit §§ 208, 211, 170 Abs. 1 ZPO zulässig und bei Zustellungsempfängern, die sich in Haft befinden, allgemein üblich. Die Zustellungsurkunde muß dann gemäß §§ 211 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz, 212 , 195Abs. 1, 191 Abs. 2 Satz 1 die Unterschrift des Beamten der Justizvollzugsanstalt enthalten, der die Zustellung vollzieht. Fehlt die Unterschrift, so ist die Zustellung unwirksam (vgl. BGH NJW 1981, 874, 875; OLG Frankfurt NJW 1993, 3079).
2. Mit Blick auf die erste Zustellungsurkunde (18. Februar 2000) hatte der Vorsitzende der Strafkammer die erneute Zustellung angeordnet, weil "die Urteilszustellung... nicht erfolgt" sei. Das war richtig. Aber auch der zweite Zustellungsversuch hat die Revisionsbegründungsfrist nicht in Gang gesetzt, weil auch die zweite Zustellungsurkunde (2. März 2000) keine Unterschrift enthält.
a) Was unter einer "Unterschrift" zu verstehen ist, ergibt sich aus der Verkehrsanschauung und dem Zweck der Formvorschrift und ist durch die Rechtsprechung zur Unterschrift unter einen vorbereitenden Schriftsatz, § 130 Nr. 6 ZPO, geklärt. Eine Unterschrift setzt danach ein aus Buchstaben einer üblichen Schrift bestehendes Gebilde voraus, das nicht lesbar zu sein braucht. Erforderlich, aber auch genügend ist das Vorliegen eines die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnenden Schriftzuges, der individuelle und entsprechend charakteristische Merkmale aufweist, die die Nachahmung erschweren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellt und die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen läßt, selbst wenn er nur flüchtig niedergelegt und von einem starken Abschleifungsprozeß gekennzeichnet ist. Handzeichen, die allenfalls einen Buchstaben verdeutlichen, sowie Unterzeichnungen mit einer Buchstabenfolge, die erkennbar als bewußte und gewollte Namensabkürzung (Paraphe) erscheint, stellen demgegenüber keine formgültige Unterschrift dar. Ob ein Schriftzug eine Unterschrift oder lediglich eine Abkürzung darstellt, beurteilt sich dabei nach dem äußeren Erscheinungsbild (BGH NJW-RR 1997, 760 = BGHR ZPO § 130 Nr. 6 - Unterschrift 11; BGH NJW 1997, 3380 = BGHR ZPO § 130 Nr. 6 - Unterschrift 12; jeweils m. w. N.).
b) Bei der Zustellung an einen Gefangenen durch einen Beamten der Justizvollzugsanstalt als Gerichtswachtmeister wird es regelmäßig nötig sein, daß der Beamte seiner Unterschrift seine Amtsbezeichnung beifügt. Das folgt daraus, daß die Zustellungsbefugnis der Person, die unterschrieben hat, gesichert sein muß. Nach §§ 195 Abs. 2 Satz 1, 191 Nr. 7 ZPO muß die Zustellungsurkunde die Unterschrift des die Zustellung vollziehenden Beamten tragen (vgl. BGH NJW 1998, 1716). Daß ein Beamter unterschrieben hat, ist nur der beifügten Amtsbezeichnung zu entnehmen, weil die Zustellungsurkunde - anders als in der Regel ein vorbereitender Schriftsatz (durch Briefkopf, Diktatzeichen oder Inhalt) - keine sonstigen Hinweise auf die Person des Unterzeichners enthält. Die Verwaltungsanweisungen schreiben seit jeher vor, daß bei der Zustellung durch Gerichtswachtmeister die Urkunde unter Beifügung der Amtsbezeichnung zu unterschreiben ist (AV d. JM v. 15.12.1930 - Verfahren bei den von Amts wegen zu bewirkenden Zustellungen usw. JMBl. 1930, 359, 361; AV d. JM NW v. 3.5.1991 - Zustellungen in Justizvollzugsanstalten usw. -, JMBl. NW 1991, 136, 137).
c) Der bei der Zustellung an Gefangene übliche und auch hier verwendete Vordruck AVR...