Leitsatz (amtlich)
Zur güterrechtlichen Erhöhung des Erbanteils der chinesischen Ehefrau des Erblassers um 1/4 auf 3/4 Anteil im Verhältnis zu der ihn als Erbin 2. Ordnung beerbenden Nichte nach in Ansehung eines nicht feststellbaren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts in China und engster gemeinsamer Verbindung des Erblassers und seiner Ehefrau zum Recht der Bundesrepublik Deutschland (vorläufiger Charakter des Aufenthalts in China bei Planung der Beendigung desselben unter Einleitung konkreter Schritte, um den Umzug nach Deutschland in die Wege zu leiten) anzuwendendem deutschen Recht.
Normenkette
BGB §§ 1371, 1925 Abs. 1, § 1931 Abs. 1, 3; EGBGB Art. 14 Abs. 1 Nrn. 2-3, Art. 15 Abs. 1; EGBGB a.F. Art. 25
Verfahrensgang
AG Düsseldorf (Aktenzeichen 92 VI 802/15) |
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Düsseldorf vom 29. April 2016 - Az. 92 VI 802/15- wird aufgehoben.
Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 2 wird zurückgewiesen.
Das Nachlassgericht wird angewiesen, der Beteiligten zu 1 den beantragten Erbschein zu erteilen.
Die Beteiligte zu 1 hat die für die Erteilung des von ihr beantragten Erbscheins anfallenden Gerichtskosten zu tragen. Die übrigen Gerichtskosten des Verfahrens - beide Rechtszüge - werden den Beteiligten zu 1 und 2 zu je 1/2 auferlegt. Außergerichtliche Kosten werden für keinen Rechtszug erstattet.
Beschwerdewert: 69.229,22 EUR
Gründe
I. Der Erblasser war seit Anfang der 90er Jahre als selbständiger Diplom-Ingenieur (u.a. auf der Grundlage eines Rahmen-Dienstvertrages mit dem X2, Bl. 91 ff. d. A.) weltweit tätig. Er war Inhaber des "Ingenieurbüro A" in Stadt 1. Etwa seit dem Jahr 2000 bewohnte er in der .....straße ... in Stadt 1 eine Mietwohnung, die er im Jahr 2010 erwarb (Kaufvertrag vom 10. Dezember 2010, Bl. 212 d. A.). Unter dieser Anschrift hatte er bis zu seinem Tod seinen Wohnsitz angemeldet.
In China unterhielt der Erblasser einen Gewerbebetrieb namens X1. Dazu hatte er in Stadt 2/ China Räume angemietet, in denen er auch wohnte. Von dort war er weiterhin beruflich sowohl innerhalb von China als auch in anderen Ländern unterwegs und kehrte mehrmals zu mehrmonatigen Aufenthalten nach Deutschland zurück (vgl. Aufstellung Anlage St-B-K 17, Bl. 158 d. A.). Im November 2012 erlitt der Erblasser eine Lungenembolie und eine Beinvenenthrombose und wurde in Deutschland medizinisch behandelt.
Die Beteiligte zu 1 ist chinesische Staatsangehörige und die Ehefrau des Erblassers. Sie arbeitete schon vor der Hochzeit seit 2011 im Betrieb des Erblassers in China. Am 28. Januar 2013 heirateten der Erblasser und die Beteiligte zu 1 in Stadt 2 und bewohnten gemeinsam die dortige Wohnung des Erblassers. Eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung für China beantragte der Erblasser nicht, obwohl dies nach seiner Eheschließung möglich gewesen wäre. Er verfügte lediglich über sog. "Business-Visa" bzw. "Tourist-Visa". Seit dem 6. Oktober 2014 war die Beteiligte zu 1 unter der Anschrift .....straße ... in Stadt 1 gemeldet. Nach dem Tod des Erblassers bewohnte sie die zum Nachlass gehörende Eigentumswohnung alleine. Am 15. Dezember 2015 meldete sie sich bei der Meldebehörde nach China ab.
Die Beteiligte zu 2 ist die Nichte des Erblassers. Zwischen beiden bestand nahezu kein Kontakt mit Ausnahme einer Email-Korrespondenz seit dem Jahr 2012 wegen eines anderen Erbfalls.
Mit Schriftsatz vom 1. September 2015 hat die Beteiligte zu 2 Erteilung eines Erbscheins nach gesetzlicher Erbfolge beantragt, der sie und die Beteiligte zu 1 als Erbinnen zu je 1/2 ausweist. Die Beteiligte zu 1 hat mit Schriftsatz vom 30. November 2015 beantragt, einen Erbschein nach gesetzlicher Erbfolge zu erteilen, nach dem sie Erbin zu × und die Beteiligte zu 2 Erbin zu 1/4 geworden ist. Die Beteiligte zu 1 geht davon aus, dass zu ihren Gunsten die güterrechtliche Erhöhung um 1/4 Anteil gem. §§ 1931 Abs. 3, 1371 BGB zum Tragen kommt; die Beteiligte zu 2 stellt dies in Abrede.
Mit Beschluss vom 29. April 2016 hat das Nachlassgericht den Antrag der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen und die zur Begründung des Antrags der Beteiligten zu 2 erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Es hat ausgeführt, die Verstärkung der erbrechtlichen Stellung des Ehegatten gem. § 1371 Abs. 1 BGB setze die Anwendung des deutschen ehelichen Güterrechts voraus. Nach dem hier anzuwendenden Art. 15 EGBGB unterlägen die güterrechtlichen Wirkungen dem für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgeblichen Recht. Nach Art. 14 Nr. 2 EGBGB unterlägen die allgemeinen Ehewirkungen dem Recht des Staates, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt hätten oder zuletzt gehabt hätten, wenn einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Zum Zeitpunkt der Auflösung der Ehe durch den Tod des Erblassers hätten beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt in China gehabt. Daran änderten auch die häufigen berufsbedingten Abwesenheitszeiten des Erblassers nichts, da sie ihn stets zurück zu seinem gemeinsamen Wohnort mit der Beteiligten zu 1 in China geführt hätten. ...