Entscheidungsstichwort (Thema)

Werbung eines Steuerberaters um Mandate des früheren Arbeitgebers

 

Leitsatz (amtlich)

Rundschreiben, mit denen sich ein Steuerberater an Mandanten seines früheren Arbeitgebers wendet, den neuen Arbeitgeber und dessen Beratungsangebot vorstellt sowie dessen Dienste den potentiellen Mandanten anbietet, begegnen nach § 57a StBerG keinen Bedenken.

 

Tatbestand

I.

Mit Anschuldigungsschrift vom 1. Februar 2002 legt die Generalstaatsanwaltschaft den Berufsangehörigen zur Last, im Jahre 2001 ihre Berufspflichten als Steuerberater dadurch schuldhaft verletzt zu haben, dass sie den Beruf nicht gewissenhaft und nicht unter Verzicht auf verbotswidrige Werbung ausgeübt haben, um einen anderen Steuerberater aus einem Auftrag zu verdrängen.

Der Berufsangehörige zu 1. war bis zum 30. April 2001 bei der T. … (im folgenden: T. GmbH) als angestellter Steuerberater tätig. Die letzten Jahre seiner beruflichen Tätigkeit dort hatte er den Status eines alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführers. Am 1. Mai 2001 trat er ein Dienstverhältnis bei der Dr. F. (im folgenden: Dr. F. GmbH) an, deren Geschäftsführer der Berufsangehörige zu 2. ist.

Unter dem 1. Juni 2001 schrieb der Berufsangehörige zu 1. mit Wissen und Billigung des Berufsangehörigen zu 2. auf dem Geschäftspapier der Dr. F. GmbH von der T. GmbH betreute Mandanten an, u.a. die R. … in M. und die Eheleute H.-J. und U. K.. In den gleichlautenden Schreiben heißt es nach der Anrede:

Wir haben uns in unserem neuen Wirkungskreis inzwischen „eingelebt” und möchten Ihnen unseren neuen Dienstsitz nunmehr mitteilen. Unsere Gesellschaft ist – ebenso wie die T. GmbH – eine mittelständisch ausgerichtete Beratungsgesellschaft.

Mit der Dr. F. und Partner Rechtsanwälte – Wirtschaftsprüfer – Steuerberater ist unsere Gesellschaft eine wirtschaftsrechtlich orientierte, forensisch und beratend überörtlich tätige Kanzlei angeschlossen.

Da wir aus der bisherigen Tätigkeit bei T. GmbH für Sie mit Ihren Verhältnissen bestens vertraut sind, stehen wir Ihnen, sofern Sie dies wünschen, auch künftig gern persönlich – mit unserem jetzt erweiterten Beratungsangebot – zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Die Schreiben sind von dem Berufsangehörigen zu 1. sowie dem Zeugen F., einem ehemaligen Mitarbeiter der T. GmbH, unterzeichnet.

Nachdem am 18. Juni 2001 der Steuerberater M., ehedem geschäftsführender Gesellschafter der T. GmbH, verstorben war, richteten der Berufsangehörige zu 1. und der Zeuge F. unter dem 21. Juni 2001 das vorgenannte Schreiben – in optisch und sprachlich leicht veränderter Gestaltung und mit zusätzlicher Angabe der Internetadresse – mit Billigung des Berufsangehörigen zu 2. an die Firma V. Fonds. Die Firma war – ebenso wie die Firma R. und die Eheleute K. – überwiegend von dem verstorbenen Steuerberater M. betreut worden.

Die Anschuldigungsschrift wirft dem Berufsangehörigen zu 1 vor, er habe die Schreiben in der Absicht verfasst, neue Mandate für seinen neuen Arbeitgeber zu gewinnen und die T. GmbH aus dem Auftrag zu verdrängen.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht – Kammer für Steuerberater- und Steuerbevollmächtigtensachen – die Eröffnung des Hauptverfahrens aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Hiergegen wendet sich die sofortige Beschwerde der Generalstaatsanwaltschaft.

 

Entscheidungsgründe

II.

Das Rechtsmittel ist nach §§ 118 Abs. 3 Satz 2, 153 StBerG, 311 StPO zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg

Das Gericht beschließt in entsprechender Anwendung des § 203 StPO die Eröffnung des Hauptverfahrens, wenn ein Berufsangehöriger nach den Ergebnissen des vorbereitenden Verfahrens der ihm zur Last gelegter Berufspflichtverletzung hinreichend verdächtig erscheint. Das ist der Fall, wenn bei einer vorläufigen Bewertung (vgl. BGHSt 23, 304, 306) seine Verurteilung wahrscheinlich ist (Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 203 Rn. 2). Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht im vorliegenden Fall den hinreichenden Verdacht einer Berufspflichtverletzung verneint.

1. Das beanstandete Rundschreiben verstößt nicht gegen § 57 Abs. 1 StBerG, wonach Steuerberater und – bevollmächtigte ihren Beruf unter Verzicht auf berufswidrige Werbung auszuüben haben. Seit dem 6. StBerÄG vom 24 Juni 1994 (BGBl. I S. 1744) ist das Verbot in § 57 a StBerG, der § 43 b BRAO und § 52 WPO entspricht, näher bestimmt. Werbung ist danach erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrages im Einzelfalls gerichtet ist. Mit Einführung dieser Norm hat der Gesetzgeber die Vorgaben der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. BVerfGE 57, 121, 133; 76, 196, 205 ff: 82, 18, 28) aufgegriffen, um die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsausübungsfreiheit für Steuerberater zu gewährleisten. Dazu gehört nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. Sie umfasst daher auch die Außendarstellung von selbstständig Berufstätigen e...

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