Leitsatz (amtlich)

1. Ungeachtet der prinzipiellen Bindung des Rechtsbeschwerdegerichts an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz kann die rechtskräftige Ungültigerklärung eines Eigentümerbeschlusses über die Jahresabrechnung als offenkundige auf einem Akt der Gerichtsbarkeit beruhende neue Tatsache im Verfahren über die sofortige weitere Beschwerde berücksichtigt werden.

2. Wird der Beschwerdeführer aufgrund einer von ihm angefochtenen Jahresabrechnung von Amts- und Landgericht rechtsfehlerfrei zur Zahlung verpflichtet und werden die Entscheidungen der Vorinstanzen nach rechtskräftiger Ungültigerklärung des ihnen zugrunde liegenden Beschlusses über die Jahresabrechnung aufgehoben, so entspricht es bei unterbliebener Erledigungserklärung gleichwohl der Billigkeit, den Beschwerdeführer mit den außergerichtlichen Kosten der Gegenseite im zweiten Rechtszug zu belasten, wenn dem Beschwerdeführer wegen des plausibel begründeten amtsgerichtlichen Beschlusses klar sein musste, dass er seinerzeit einstweilen zur Zahlung verpflichtet war.

 

Normenkette

FGG § 23 Abs. 4 S. 1, § 27; WEG § 47 Sätze 1-2

 

Verfahrensgang

LG Mönchengladbach (Urteil vom 25.08.1999; Aktenzeichen 2 T 71/99)

AG Mönchengladbach (Urteil vom 12.04.1999; Aktenzeichen 17 II 28/98 WEG)

 

Tenor

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden – bis auf die Kosten- und Auslagenentscheidungen – aufgehoben. Der Antrag der Beteiligten zu 1 wird zurückgewiesen.

Hinsichtlich der Kosten und Auslagen des ersten und zweiten Rechtszuges verbleibt es bei den Entscheidungen der Vorinstanzen.

Die Beteiligte zu 1 trägt die gerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet insoweit nicht statt.

Wert des Beschwerdegegenstandes:1.921,91 DM.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 2 sind Mitglieder der im Eingang bezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft, die Beteiligte zu 1 ist deren Verwalterin.

In der Eigentümerversammlung vom 4. November 1997 wurden die Jahresgesamt- und die Einzelabrechnungen für das Wirtschaftsjahr 1996 mehrheitlich beschlossen. Aus der die Beteiligten zu 2 betreffenden Abrechnung ergibt sich zu deren Lasten ein Nachzahlungsbetrag von 1.921,91 DM.

Die Beteiligten zu 2 haben diesen Eigentümerbeschluss im Verfahren 17 II 121/97 WEG AG Mönchengladbach angefochten.

Die Beteiligte zu 1, die gemäß § 12 der Teilungserklärung ermächtigt ist, gegen Miteigentümer, die mit ihren Leistungen an die Gemeinschaft im Rückstand sind, im eigenen Namen, jedoch für Rechnung der Gemeinschaft, mit anwaltlicher Hilfe außergerichtlich und gerichtlich vorzugehen, hat beantragt,

die Beteiligten zu 2 als Gesamtschuldner zu verpflichten, an sie 1.921,91 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23. April 1998 zu zahlen.

Das Amtsgericht hat nach mündlicher Verhandlung am 12. April 1999 antragsgemäß erkannt und zur Begründung ausgeführt, die Beteiligten zu 2 seien aufgrund des vorliegenden Mehrheitsbeschlusses über die Jahresabrechnung 1996 ungeachtet dessen Anfechtung – zur Zahlung verpflichtet, solange derselbe nicht für unwirksam erklärt worden sei.

Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat das Landgericht nach erneuter mündlicher Verhandlung mit Beschluss vom 25. August 1999 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass sie als Gesamtschuldner verpflichtet sind, an die Wohnungseigentümergemeinschaft … in … Mönchengladbach zu Händen der Beteiligten zu 1 1.921,91 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 23. April 1998 zu zahlen.

Mit der sofortigen weiteren Beschwerde erstreben die Beteiligten zu 2 unter Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen den Antrag der Beteiligten zu 1 abzulehnen, insbesondere mit Blick darauf, dass das Amtsgericht inzwischen mit Beschluss vom 13. September 1999 – 17 II 121/97 – den Eigentümerbeschluss über die Jahresabrechnung 1996 für ungültig erklärt habe.

Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die gemäß § 45 Abs. 1 WEG, §§ 22 Abs. 1, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist in der Sache begründet.

1.

Zwar beruht die Entscheidung des Landgerichts nicht auf einer Verletzung gesetzlicher Vorschriften (§ 27 FGG). Denn die Vorinstanzen sind ohne Rechtsfehler von der Zahlungsverpflichtung der Beteiligten zu 2 ausgegangen, weil die Anfechtung eines Beschlusses über die Jahresabrechnung durch einen Wohnungseigentümer diesen, solange der Beschluss nicht rechtskräftig für ungültig erklärt worden ist, nicht von der Verpflichtung zur sofortigen Zahlung der Beiträge, § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG (BayObLG WE 1995, 93, 94; Bärmann/Pick/Merle WEG 7. Auflage 1997 § 28 Rdz. 106) entbindet.

2.

Inzwischen ist aber der ursprünglich die Zahlungsverpflichtung der Beteiligten zu 2 begründende Eigentümerbeschluss über die Jahresabrechnung 1996 durch die Entscheidung des Amtsgerichts Mönchengladbach – 17 II 121/97 – vom 13. September 1999rechtskräftig für unwirksam erklärt worden ist. Denn eine rechtzeitige Anfechtung dieses ausweislich Postzustellungsurkunde spätestens am 30. September 1999 zugestellten Beschlusses lässt sich nicht festst...

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