Leitsatz (amtlich)

Der Senat hält an seiner Rspr. fest, wonach der nach der Kostengrundentscheidung erstattungsberechtigte Streitgenosse unabhängig von einer tatsächlichen Zahlung der Kostenschuld Erstattung der vollen Anwaltskosten verlangen kann.

 

Verfahrensgang

LG Kleve (Entscheidung vom 10.05.2002; Aktenzeichen 1 O 62/01)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse I und II des LG Kleve – Rechtspflegerin – vom 17.7.2002 wird kostenfällig zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Das LG Kleve traf im Urt. v. 10.5.2002 (Bl. 163 ff GA) folgende Kostengrundentscheidung:

„Von den Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2)) zu 100 %.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin zu 81 % und die Beklagte zu 1)) zu 19 %.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1)) trägt die Klägerin zu 61 % und die Beklagte zu 1)) zu 39 %.”

Auf Antrag der Klägerin sowie der Beklagten erfolgte mit Kostenfestsetzungsbeschlüssen I und II vom 17.7.2002 (Bl. 185 ff. GA), auf die Bezug genommen wird, die Festsetzung der Kosten. Die Kostenfestsetzungsbeschlüsse wurden der Klägerin am 26.7.2002 zugestellt.

Mit am 2.8.2002 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin Erinnerung eingelegt und geltend gemacht, dass der siegreiche Beklagte zu 2)) entgegen der erfolgten Festsetzung nur eine seinem Kopfteil entspr. Erstattung der Kosten des gemeinsamen Anwalts beanspruchen könne. Überdies sei unzutreffenderweise bei den von der Klägerin an die Beklagte zu 1)) zu erstattenden Kosten eine volle – statt anteilige – Erhöhungsgebühr berücksichtigt worden.

Das LG Kleve – Rechtspflegerin – hat der Erinnerung gem. Beschluss vom 15.8.2002 (Bl. 197 GA) nicht abgeholfen.

II. Das als „Erinnerung” bezeichnete Rechtsmittel der Klägerin ist als sofortige Beschwerde gegen die Kostenfestsetzungsbeschlüsse zulässig, §§ 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPfleger. Es hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

1. Der Senat hält an seiner Rspr. fest, wonach der nach der Kostengrundentscheidung erstattungsberechtigte Streitgenosse unabhängig von einer tatsächlichen Zahlung der Kostenschuld Erstattung der vollen Anwaltskosten verlangen kann (vgl. OLG Düsseldorf, JurBüro 1993, 355; Beschl. v. 2.11.1993 – 10 W 136/93, 10 W 137/93, 10 W 138/93, 10 W 139/93, 10 W 140/93, 10 W 141/93, 10 W 142/93, OLGReport Düsseldorf 1994, 60; JurBüro 1973, 220; OLG Hamm v. 4.3.1993 – 23 W 53/93, 23 W 54/93, MDR 1994, 102 f.; v. 29.8.1994 – 23 W 194/94, OLGReport Hamm 1994, 264 = Rpfleger 1995, 181 f.).

a) Der Senat hält es nach wie vor nicht für gerechtfertigt, den obsiegenden Streitgenossen mit Risiken zu belasten, die er nicht tragen müsste, wenn er von vornherein einen eigenen Anwalt beauftragt hätte.

Die vorherrschende Ansicht gibt dem obsiegenden Streitgenossen gegen den Prozessgegner allerdings nur einen Erstattungsanspruch in Höhe des auf ihn im Innenverhältnis entfallenden, nach Kopfteilen zu berechnenden Kosten (vgl. OLG Dresden v. 16.6.1998 – 15 W 708/98, OLGReport Dresden 1999, 315 = NJW-RR 1999, 293 f. m.w.N.; OLG Bamberg v. 12.1.1996 – 2 WF 97/95, FamRZ 1996, 886; OLG München v. 18.11.1993 – 11 W 2190/93, MDR 1994, 215; v. 6.4.1995 – 11 W 2839/94, MDR 1995, 856 = OLGReport München 1996, 23 = Rpfleger 1995, 519; OLG Koblenz v. 18.5.1993 – 14 W 243/93, 14 W 244/93, MDR 1994, 102; OLG Karlsruhe v. 11.1.1994 – 13 W 225/93, Rpfleger 1994, 316; Musielak, ZPO, 3. Aufl., § 91 Rz. 69 m.w.N.; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 91 Rz. 13 Stichwort „Streitgenossen”). Begründet wird dies damit, dass der obsiegende Streitgenosse nach § 91 Abs. 1 ZPO nur die Kosten erstattet verlangen könne, die ihm tatsächlich auf Dauer erwachsen. Das aber seien regelmäßig nur die anteiligen Kosten, da es keinen Erfahrungssatz gebe, der Rechtsanwalt werde gerade den obsiegenden Streitgenossen auf die volle Summe in Anspruch nehmen. Eine Ausnahme sei allerdings dann zu machen, wenn der obsiegende Streitgenosse glaubhaft mache, dass er aufgrund besonderer Umstände die vollen Gebühren des gemeinsamen Rechtsanwaltes zu tragen habe (vgl. OLG Dresden v. 16.6.1998 – 15 W 708/98, OLGReport Dresden 1999, 315 = NJW-RR 1999, 293 f. m.w.N.; OLG München v. 6.4.1995 – 11 W 2839/94, MDR 1995, 856 = OLGReport München 1996, 23 = RPfleger 1995, 519 m.w.N.).

Diese Ansicht mag im Regelfall zu sachgerechten Ergebnissen führen. Sie führt jedoch dann zu Unbilligkeiten, wenn der obsiegende Streitgenosse von dem gemeinsamen Anwalt über den entsprechenden Kopfteil hinaus in Anspruch genommen werden kann. Die Vertreter der genannten Ansicht versuchen zwar, diese auf der Hand liegende Unbilligkeit auszugleichen, indem sie Ausnahmen von der anteiligen Kostenerstattung zulassen. Insoweit besteht jedoch schon in Bezug auf die Voraussetzungen der Ausnahmen Uneinigkeit. Während die Ausnahme für den Fall der Zahlungsunfähigkeit des anderen Streitgenossen wohl nicht in Streit steht, gehen die Meinungen da...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge