Entscheidungsstichwort (Thema)
Ortsnähe als Kriterium für die Aufnahme eines Bewerbers in die Insolvenzverwalter-Vorausliste
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Bescheid der Insolvenzrichter des AG, der den Antrag eines Rechtsanwalts (zugleich vereidigter Buchprüfer, Fachanwalt für Steuerrecht und seit 1999 hauptberuflich als Insolvenzverwalter tätig) auf Aufnahme in die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter/Treuhänder allein deshalb ablehnt, weil der Antragsteller im Zuständigkeitsbereich des Insolvenzgerichtes (Landgerichtsbezirk W) kein Büro unterhalte, ist rechtswidrig.
2. Die zur organisatorischen Sicherstellung der Insolvenzabwicklung erforderliche und daher als Auswahlkriterium grundsätzlich nicht zu beanstandende "örtliche Erreichbarkeit" bzw. "Ortsnähe" lässt sich jedenfalls nicht schon bei einer Fahrzeit von 20 bis 30 Minuten verneinen.
Normenkette
InsO § 56 Abs. 1 S. 2; EGGVG § § 23 ff., §§ 24, 29 Abs. 2; AGVwGO § 5
Tenor
Der angefochtene Bescheid der Antragsgegner vom 20.10.2008 - 376 E-54 - wird aufgehoben.
Die Antragsgegner werden verpflichtet, den Antrag des Antragstellers auf Aufnahme in die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter/Treuhänder beim AG Wuppertal unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu bescheiden.
Gründe
I. Der Antragsteller, Rechtsanwalt, vereidigter Buchprüfer und Fachanwalt für Steuerrecht und seit 1999 hauptberuflich als Insolvenzverwalter tätig, hatte sich um Aufnahme in die Vorauswahlliste der Insolvenzverwalter/Treuhänder beworben. Diesen Antrag hatte der Direktor des AG mit Schreiben vom 20.7.2007 zurückgewiesen, weil der Antragsteller kein Büro im Bezirk des LG Wuppertal unterhalte.
Mit Schreiben vom 11.8.2008 bewarb der Antragsteller sich - unter Berufung auf den Beschluss des OLG Hamm vom 29.5.2008 - 27 VA 7/07 - (erneut) bei dem Direktor des AG Wuppertal um Aufnahme in die Vorauswahlliste und machte geltend, das AG Wuppertal sei von seinem Kanzleisitz in Bochum in einer Fahrzeit von ca. 20 bis 30 Minuten zu erreichen.
Mit weiterem Schreiben vom 29.9.2008 bat er, seine erneute Bewerbung auch als an die einzelnen (zuständigen) Insolvenzrichter/-innen gerichtet zu betrachten.
Die Antragsgegner lehnten mit Kurzbrief vom 20.10.2008 die beantragte Aufnahme in die Vorauswahlliste des AG Wuppertal ab, weil der Antragsteller im Zuständigkeitsbereich des Insolvenzgerichtes (Bezirk des LG Wuppertal) kein Büro unterhalte.
Gegen diesen - ihm am 23.10.2008 zugestellten - Bescheid wendet sich der Antragsteller mit seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 24.10.2008, bei Gericht eingegangen am 27.10.2008.
II. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und hat in der Sache insoweit Erfolg, als die Antragsgegner den Antragsteller unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senates erneut zu bescheiden haben.
Das Begehren des Antragstellers ist als gegen die Beteiligten zu 2. bis 5. gerichteter Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23, 24, 26 und 28 EGGVG zulässig.
Für die Prüfung von Entscheidungen im Vorauswahlverfahren potentieller Insolvenzverwalter ist nach ständiger Rechtsprechung des Senates der Rechtsweg nach §§ 23 ff. EGGVG eröffnet (vgl. zuletzt NZI 2008, 614 m. N. und BGH NZI 2008, 161).
Der Antragsteller ist durch die Ablehnung der Aufnahme in die Vorauswahlliste in seinen Rechten betroffen (§ 24 EGGVG), weil jeder Bewerber um das Insolvenzverwalteramt eine faire Chance erhalten muss, unter Beachtung seiner Grundrechte entsprechend seiner in § 56 Abs. 1 InsO vorausgesetzten Eignung berücksichtigt zu werden und insofern über ein subjektives Recht verfügt, für das Rechtsschutz zu gewähren ist (BVerfG NJW 2006, 2613).
Der Antrag ist binnen Monatsfrist gestellt worden, § 26 Abs. 1 EGGVG.
Die Beteiligten zu 2. bis 5. sind verfahrensrechtlich und materiell-rechtlich die richtigen Antragsgegner.
Der Senat hat mit Beschluss vom 15.8.2008 (I-3 VA 4/07, NZI 2008, 614) seine bisherige Rechtsprechung (vgl. dazu NJW-RR 2007, 630) aufgegeben, wonach der Behördenleiter als Antragsgener verpflichtet sei, ggf. mit Hilfe der Insovlenzrichter, sachgerechte Kriterien für ein Vorauswahlverfahren zu bestimmen, danach eine Vorauswahlliste für mögliche Insolvenzverwalter anzulegen und aufgrund der entwickelten Kriterien einen bestimmten Antragsteller zu bescheiden. Als materiell richtigen Antragsgegner und demnach entscheidungszuständig für einen Antrag auf Aufnahme in die Vorauswahlliste als Insolvenzverwalter hat der Senat nunmehr - im Anschluss an die Rechtsprechung der OLG Hamm (NJW-RR 2008, 722; ZIP 2008, 1189) und Köln (NZI 2007, 105) - den oder die Insolvenzrichter, der einzeln oder die gemeinsam die Entscheidung über die Aufnahme getroffen hat/haben, angesehen. Diese Änderung seiner Rechtsprechung hat der Senat auf die Erwägung gestützt, die betreffende Entscheidung sei zwar kein Akt der Rechtsprechung, erfolge aber nach der Rechtsprechung des BVerfG in richterlicher Unabhängigkeit; dann jedoch unterliege sie nicht dem Einfluss eines Behördenleiters und sei deshalb von diesem auc...