Leitsatz (amtlich)

1. Eine systematische Benachteiligung oder Unterschätzung der Versorgungsaufgabe sog. "kombinierter Versorger" im Rahmen des Effizienzvergleichs für Gasverteilnetzbetreiber für die 3. Regulierungsperiode lässt sich nicht feststellen.

2. Aufwendungen für Gasspürgeräte, die der Netzbetreiber der örtlichen Feuerwehr als Ausrüstung für gastechnische Unfälle spendet, haben keinen Bezug zum Netzbetrieb und sind daher nicht anerkennungsfähig.

3. Ungewöhnlich niedrige Kosten im Basisjahr können nicht im Wege der Analogie als Besonderheit des Geschäftsjahres angesehen werden und auf diese Weise bei der Ermittlung des Ausgangsniveaus außer Betracht bleiben.

 

Normenkette

ARegV § 6 Abs. 1-2, § 12 Abs. 1 S. 1, § 13 Abs. 2-3; EnWG § 21a Abs. 5 S. 1; GasNEV § 4 Abs. 1

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Betroffenen vom 01.04.2020 wird der Beschluss der Bundesnetzagentur vom 04.03.2020, BK9-16/8186, aufgehoben und die Bundesnetzagentur wird verpflichtet, die kalenderjährlichen Erlösobergrenzen der Betroffenen für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 31.12.2022 (dritte Regulierungsperiode Gas) unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzulegen.

Die Betroffene hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Bundesnetzagentur zu 95 % zu tragen. Die Bundesnetzagentur hat die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Betroffenen zu 5 % zu tragen.

Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird für die Zeit bis zum 15.08.2022 auf ... EUR, danach bis zum 30.03.2023 auf ... EUR und für die Zeit danach auf ... EUR festgesetzt.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Betroffene, die durch Verschmelzung der T. GmbH (T.) auf die O. GmbH (O.) zum 01.01.2014 entstanden ist, betreibt ein Gasverteilernetz, das sich innerhalb des Stadtgebietes von D. sowie über die Landkreise N., A., den W.- und den F.-kreis erstreckt. Insgesamt versorgt die Betroffene Kunden in ca. ... Kommunen. Das Netzgebiet, welches sich über ... Gemeinden erstreckt, ist gekennzeichnet durch ein Ballungszentrum mit großstädtischem Charakter einerseits und durch ein regionales, ländlich geprägtes Flächennetz andererseits. Zum anderen betreibt die Betroffene in erheblichem Umfang (≫ 1.000 km) überörtliche Transportleitungen mit Drücken von 4 bar bis 84 bar, die dem Gastransport zur Weiterverteilung zu den Städten und Gemeinden im Netzgebiet und an andere Netzbetreiber dienen.

Im Jahr 2016 leitete die Bundesnetzagentur von Amts wegen ein Verfahren zur Bestimmung der Erlösobergrenzen nach § 4 Abs. 1 und 2 ARegV i.V.m. § 21a Abs. 2 S. 1 EnWG für die dritte Regulierungsperiode Gas (Jahre 2018 bis 2022) ein. Zur Ermittlung des Ausgangsniveaus führte sie eine Kostenprüfung durch. Die erforderlichen Kostendaten wurden auf der Grundlage der Festlegung vom 22.04.2016 (BK 9-15/605-1-6) erhoben. Mit Schreiben vom 14.07.2017 teilte die Bundesnetzagentur der Betroffenen die aus ihrer Sicht berücksichtigungsfähigen Gesamtkosten (Ausgangsniveau) mit (VV Bl. 1315).

Für den der Festlegung der Erlösobergrenzen zugrunde liegenden Effizienzvergleich hat die Bundesnetzagentur auf das von der Frontier Economics Ltd. in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Berlin unter Mitarbeit von Prof. Kuosmanen und Dr. Andor erstellte Gutachten "Effizienzvergleich Verteilernetzbetreiber Gas (3. RP)" vom 17. Mai 2019 (nachfolgend: Gutachten; auch: Bericht des Beraterkonsortiums) zurückgegriffen. In den Effizienzvergleich wurden folgende Vergleichsparameter einbezogen: "Anzahl der Ausspeisepunkte der Netzebenen HD2, HD3 und HD4", "Zeitgleiche Jahreshöchstlast aller Ausspeisungen", "Rohrvolumen", "Gewichtung des Anteils der vorherrschenden Bodenklassen 4, 5 und 6 (Tiefenstufe 0-1 m) mit der Netzlänge", "Anzahl Messstellen bei Letztverbrauchern/Netzkopplungspunkten". Insgesamt wurden Daten von 183 Gasverteilernetzen berücksichtigt.

Zur Vorbereitung des Effizienzvergleichs hatte die Bundesnetzagentur auf der Grundlage der Festlegung vom 17.05.2016 (BK 9-15-603) eine Strukturdatenabfrage bei den Netzbetreibern durchgeführt. Die erhobenen Strukturdaten wurden zunächst einer Plausibilitätskontrolle unterzogen. Unplausible Daten wurden den Netzbetreibern mitgeteilt und von diesen korrigiert. In einem zweiten Schritt wurden aus diesen Strukturdaten potentielle Vergleichsparameter ermittelt. Im Rahmen des Verfahrens wurden den Netzbetreibern zeitlich gestaffelt mehrere Datenquittungen übersandt, die von ihnen zu bestätigen waren. Vor der Durchführung des Effizienzvergleichs wurde eine Kostentreiberanalyse durchgeführt, die im Gutachten im Einzelnen dargestellt ist. Dabei wurde anhand von statistischen sowie ingenieurwissenschaftlichen Analysen ein Modell bestimmt, das die aus Sicht des Beraterkonsortiums relevanten Kostentreiber beinhaltet. Bei der Auswahl der finalen Vergleichsparameter wurden Vertreter der betroffenen Wirtschaftskreise und der Verbraucher gehört. Im Juli 2017 fand eine...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge