Leitsatz (amtlich)
1. Der Rechtsanwalt darf ihm überlassene, zweckgebundene Fremdgelder des Mandanten (hier: Abfindung nach Scheidung) nicht um seinen Honoraranspruch kürzen.
2. Wird dem Mandanten Prozesskostenhilfe zu Unrecht entzogen, so büßt der Rechtsanwalt, der dagegen nicht Rechtsmittel einlegt, seinen Honoraranspruch ein.
Normenkette
BGB §§ 242, 396, 675; BRAO § 43a Abs. 5; BORA § 4 Abs. 5; ZPO §§ 120, 124
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Aktenzeichen 10 O 325/04) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurück zu weisen. Dem Beklagten wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen 2 Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.
Gründe
Die Berufung des Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg. Zur Begründung verweist der Senat auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils. Die hiergegen in der Berufungsbegründung erhobenen Angriffe bieten keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.
1. Ein Erfolg ist der Berufung schon deshalb verwehrt, weil die Aufrechnung des Beklagten gegen den Anspruch der Klägerin auf Auszahlung des aufgrund des Vergleichs der Eheleute zu ihren Gunsten auf ein Konto des Beklagten überwiesenen Abfindungsbetrages mit eigenen Gebührenansprüchen unzulässig ist.
a) Die Aufrechnung ist nach § 242 BGB ausgeschlossen, wenn die Eigenart des Schuldverhältnisses oder der Zweck der geschuldeten Leistung die Aufrechnung als mit Treu und Glauben unvereinbar erscheinen lässt (BGH v. 14.7.1994 - IX ZR 110/93, MDR 1995, 139 = NJW 1994, 2885; Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 387 Rz. 15, m.w.N. Hausler/Prüting, BRAO, 2. Aufl., § 43a Rz. 177, Hartung/Holl BORA, 2. Aufl., § 4 Rz. 28). Hier hindert die zweckgebundene Leistung die Aufrechnung; denn der Beklagte hat nach eigenem Vortrag (Berufungsbegründung S. 3) aus einem Vergleich in einem Scheidungsverbundverfahren 35.000 EUR erlangt, die der frühere Ehemann der Klägerin dieser als Abfindung zu zahlen hatte. Da die finanziellen Verhältnisse der Klägerin beengt waren, wie die frühere Bewilligung von Prozesskostenhilfe belegt, musste die Summe auch dem künftigen Lebensunterhalt der Klägerin dienen. In diesem Falle würde ein Zweck der Leistung, die Sicherung des künftigen Unterhalts, nicht nur erschwert, sondern geradezu vereitelt und es bestünde die Gefahr, dass die Klägerin bei zulässiger Aufrechnung alsbald wieder unterhaltsbedürftig würde, und zwar zu Lasten öffentlicher Kassen oder - je nach Ausgestaltung des Vergleichs - wiederum ihres damaligen Ehemannes. Bei einer solchen Sachlage bedarf es deshalb nicht der Feststellung, ob der Beklagte die Abfindungssumme nicht auch als Treuhänder entgegengenommen hat und die Aufrechnung aus diesem Grunde unzulässig wäre (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Aufl., § 387 Rz. 15 f.; BGH WM 2003, 92, jeweils m.w.N.).
b) Im Übrigen hat die neuere Fassung von § 43a Abs. 5 S. 2 BRAO i.V.m. § 4 Abs. 5 der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) i.d.F. vom 1.11.2001 sowie Ziff. 3.8.1.5b der Anlage 1 hierzu (Berufsregeln der Rechtsanwälte der Europäischen Union, zuletzt geändert am 28.11.1998) zu einer deutlichen Einschränkung der Befugnisse eines Rechtsanwalts geführt, mit Fremdgeldern eines Mandanten zu verfahren. Nach Ziff. 3.8.1.5b ist nämlich vorbehaltlich entgegenstehender gesetzlicher Vorschriften oder gerichtlicher Anordnung und vorbehaltlich der ausdrücklichen oder stillschweigenden Einwilligung des Mandanten, für den die Zahlung vorgenommen wird, die Auszahlung von Mandantengeldern an dritte Personen unzulässig, und dies gilt ausdrücklich auch für den Ausgleich der Honorarforderungen des Rechtsanwaltes (Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, Rz. 823), was die Aufrechnung insoweit ausschließt.
2. Selbst wenn dies anders zu beurteilen wäre, würde der Berufung der Erfolg zu versagen sein; denn auch das Vorbringen des Beklagten zu den materiell-rechtlichenVoraussetzungen seiner Aufrechnungs(gebühren-)forderungen ist nicht schlüssig.
a) Anders als noch in erster Instanz ist inzwischen unstreitig, dass die Parteien seinerzeit durch mehrere Mandatsverhältnisse miteinander verbunden waren, und jedenfalls mit der Berufungsbegründung hat die Klägerin auch die zuvor von ihr vermissten ordnungsgemäßen Honorarabrechnungen erhalten. Ferner ist zugrunde zu legen, dass der Klägerin im Oktober 2001 ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden war in einem Verfahren auf einstweilige Anordnung betreffend die Herausgabe persönlicher Gegenstände, ferner dass die PKH-Bewilligung sich auch auf das Scheidungsverfahren und die Folgesachen Zugewinnausgleich und Unterhalt erstreckte (Beschl. v. 28.3.2002), und schließlich dass die PKH-Bewilligung durch Beschl. v. 18.9.2003 aufgehoben wurde, und zwar aufgrund der Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach Zufluss von 35.000 EUR. Dies ist aber entgegen einer früher in der Rechtsprechung vertretenen Tendenz kein ausreichender Grund für eine Aufhebung der PKH-Bewilligung, wenn nicht weitere Bedingungen, etwa die Vortäuschung der Voraussetzungen oder abs...