Leitsatz (amtlich)
1. § 2 StrEG setzt rechtmäßig angeordnete und vollzogene vorläufige Strafverfolgungsmaßnahmen voraus.
2. Eine Entschädigung für rechtswidrige und schuldhafte Eingriffe in die persönliche Freiheit des Bürgers ist allein nach den Grundsätzen der Amtshaftung möglich.
Das gilt insbesondere bei (irrtümlich) erfolgter Festnahme aufgrund eines zuvor aufgehobenen Haftbefehls.
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe
I.
1.
Das Landgericht hat durch die angefochtene Entscheidung eine Haftentschädigung für den Zeitraum vom 27. Juli bis 28. Juli 1999 abgelehnt, weil der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung vom 28. Januar 2000 ausdrücklich auf eine solche verzichtet habe.
Auf die dagegen vom Angeklagten eingelegte sofortige Beschwerde unterliegt der Beschluß der Aufhebung.
2.
Nachdem der Angeklagte in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Mülheim/Ruhr wiederholt nicht erschienen war, hatte das Amtsgericht die Vorführung des Angeklagten zu der auf den 18. Februar 1998 anberaumten Hauptverhandlung angeordnet. Der am 13. November 1997 erlassene Vorführungsbefehl konnte nicht vollstreckt werden, da sich der Angeklagte unter der dem Gericht bekannten Anschrift nicht mehr aufhielt. Am 13. Februar 1998 erließ das Amtsgericht daraufhin einen Haftbefehl, aufgrund dessen der Angeklagte am 6. April 1998 festgenommen wurde. In der Hauptverhandlung vom 8. April 1998 wurde der Angeklagte wegen Betruges zu einer Freiheitsstrafe von vier Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Der Haftbefehl wurde aufgehoben, der Angeklagte am selben Tage aus der JVA Duisburg-Hamborn entlassen. Mit der gegen das Urteil des Amtsgerichts Mülheim/Ruhr eingelegten Berufung erstrebte die Staatsanwaltschaft das Ziel einer Verurteilung ohne Strafaussetzung zur Bewährung. Der Angeklagte wurde am 27. Juli 1999 erneut inhaftiert, weil offensichtlich eine Löschung des Festnahmeersuchens aufgrund des ursprünglichen Haftbefehls vom 13. Februar 1998 nicht erfolgt war. Nach telefonischer Rücksprache des Haftrichters, dem der Angeklagte nach seiner polizeilichen Festnahme vorgeführt worden war, mit der Strafkammervorsitzenden wurde der Angeklagte am 28. Juli 1998 aus der JVA Osnabrück entlassen. Mit Schreiben vom 10. August 1999 beantragte der Angeklagte eine Entschädigung für die zwei Hafttage vom 27. bis 28. Juli 1999. In der Hauptverhandlung vom 28. Januar 2000 nahm die Staatsanwaltschaft ihre Berufung zurück. Der Angeklagte erklärte, daß er "auf die Haftentschädigung für die Zeit vom 06. 04. - 08. 04. 98 und 27. 07. - 28. 07. 1999" verzichte. Auf eine telefonische Anfrage des Angeklagten vom 10. März 2000 bezüglich seines Entschädigungsantrages teilte ihm die Staatsanwaltschaft am 18. April 2000 mit, daß eine Entschädigung nicht veranlaßt sei, da er ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls auf eine solche verzichtet habe. Dagegen remonstrierte der Angeklagte mit einem am 29. Mai 2000 bei der Staatsanwaltschaft eingegangenen Schreiben. Daraufhin hat die Staatsanwaltschaft die Akten dem Landgericht zugeleitet und beantragt, eine Entschädigung abzulehnen. Dem hat das Landgericht durch Beschluß vom 10. Juli 2000 entsprochen. Mit einem am 14. Juli 2000 eingegangenen Fax wendet sich der Angeklagte gegen die Ablehnung einer Entschädigung.
II.
Der Beschluß des Landgerichts ist aufzuheben, weil eine Entscheidung auf der Grundlage des Gesetzes über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG) im vorliegenden Fall nicht zu treffen war.
Der Geltungsbereich der §§ 2 ff. StrEG erstreckt sich nur auf rechtmäßig angeordnete und vollzogene vorläufige Strafverfolgungsmaßnahmen. Eine Entschädigung für rechtswidrige Strafverfolgungsmaßnahmen ist jedenfalls nicht aufgrund dieser Regelungen vorgesehen. Davon ist auch der Gesetzgeber ausgegangen, weil für solche ohnehin bereits vor Inkrafttreten des Gesetzes ein Schadensersatzanspruch nach allgemeinen Grundsätzen auf der Grundlage von § 839 BGB, Art. 34 GG bestand (vgl. BT-Drucksache VI/460 Seite 5, 6; VIII/473 Seite 5). Eine analoge Ausdehnung der Entschädigungspflicht nach § 2 StrEG auf Maßnahmen, die nach Aufhebung einer vorläufigen Strafverfolgungsmaßnahme irrtümlich noch getroffen oder aufrecht erhalten werden, scheidet angesichts des klaren Wortlauts und des gesetzgeberischen Willens aus. Denn § 2 StrEG eröffnet eine Entschädigungspflicht nur für die dort erwähnten und aufgrund rechtmäßiger Anordnung getroffenen Strafverfolgungsmaßnahmen; der Katalog der entschädigungsfähigen vorläufigen Strafverfolgungsmaßnahmen hat insoweit abschließenden Charakter (vgl. OLG Schleswig SChlHA 1990, 132; OLG Stuttgart GA 1979, 71, 72; LG Duisburg JurBüro 1984, 244, 245; Meyer, 3. Aufl. , § 2 StrEG Rdnrn. 5, 8 m. w. N. und Einl. Rdnrn. 42, 49 a).
Eine Entschädigung für rechtswidrige und schuldhafte Eingriffe in die persönliche Freiheit des Bürger...