Leitsatz (amtlich)

1. Auch wenn der Mandant im Regressprozess eine anwaltliche Pflichtverletzung durch fehlerhafte und unvollständige Beratung (hier vor Abschluss einer das Arbeitsverhältnis beendenden Aufhebungsvereinbarung) darzulegen und zu beweisen hat, trifft den Rechtsanwalt eine sekundäre Darlegungslast dafür, welche Belehrungen und Ratschläge er erteilt und wie der Mandant darauf reagiert hat.

2. Die Kausalität des anwaltlichen Beratungsdefizits für den Schaden des Mandanten ist nicht feststellbar, wenn der Abschluss der Aufhebungsvereinbarung als interessengerechte Handlungsalternative zu betrachten ist.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 675, 280

 

Verfahrensgang

LG Düsseldorf (Urteil vom 23.03.2010; Aktenzeichen 6 O 169/09)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 23.3.2010 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des LG Düsseldorf - Einzelrichter - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Berufungsstreitwert: 442.422,50 EUR (28.038,50 EUR + 414.384 EUR)

 

Gründe

Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Das LG hat die Klage unter Aufrechterhaltung des Versäumnisurteils vom 17.11.2009 zu Recht abgewiesen. Die gegen die Entscheidung vorgebrachten Berufungsgründe rechtfertigen keine dem Kläger günstigere Entscheidung.

I. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen nimmt der Senat Bezug auf seinen Hinweisbeschluss vom 30.9.2010. Dort hat er im Wesentlichen ausgeführt:

Welchen Inhalt das Mandatsverhältnis zwischen den Parteien im Einzelnen hatte, kann der Senat ebenso wie das LG offen lassen. Denn selbst dann, wenn man von einem umfassenden Inhalt des Mandatsverhältnisses in dem Sinne ausginge, dass der Beklagte den Kläger allgemein bei Abschluss des Aufhebungsvertrages habe rechtlich beraten sollen, lässt sich weder feststellen, dass der Beklagte hieraus bestehende Pflichten verletzt hat (dazu im Folgenden unter 1.), noch dass eine etwaige Pflichtverletzung kausal für einen Schaden des Klägers geworden wäre (dazu unter 2.).

1. Der Kläger wirft dem Beklagten vor, ihn nicht über die für ihn geltenden Kündigungsfristen belehrt zu haben, so dass ihm nicht hinreichend deutlich geworden sei, auf welche Positionen er mit Abschluss des Aufhebungsvertrages verzichte. Hierzu habe es der Beklagte auch versäumt, sich den Arbeitsvertrag vorlegen zu lassen. Zudem habe der Beklagte ihm nicht verdeutlich, dass die Erfolgsaussichten für eine betriebsbedingte Kündigung durch seinen Arbeitgeber allenfalls gering gewesen wären.

Die fragliche Beratung hat hier in Form eines mündlichen, von dem Beklagten mit Schreiben vom 12.6.2008 zusammengefassten Gesprächs und eines Telefonats stattgefunden. Zu dem Inhalt dieser Gesprächs und der durch ihn erteilten Beratung hat der Beklagte mit Klageerwiderungsschriftsatz vom 8.6.2009 im Einzelnen vorgetragen.

Ausgehend von dem dort dargestellten Ablauf der Beratung ist eine Pflichtverletzung des Beklagten nicht erkennbar.

a) Grundsätzlich ist der Rechtsanwalt aufgrund des Anwaltsvertrages in den Grenzen des ihm erteilten Mandats (BGH MDR 1998, 1378; MDR 1996, 2648 f.; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, Handbuch der Anwaltshaftung, 2. Aufl., Rz. 482 m.w.N.) verpflichtet, die Interessen seines Mandanten nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen und Schädigungen seines Auftraggebers, mag deren Möglichkeit auch nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden können, zu vermeiden. Soweit der Mandant nicht eindeutig zu erkennen gibt, dass er des Rates nur in einer bestimmten Richtung bedarf, ist der Rechtsanwalt zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Auftraggebers verpflichtet. In den Grenzen des Mandats hat er dem Mandanten diejenigen Schritte anzuraten, die zu dem erstrebten Ziel zu führen geeignet sind, und Nachteile für den Auftraggeber zu verhindern, soweit solche voraussehbar und vermeidbar sind. Dazu hat er dem Auftraggeber den sichersten und gefahrlosesten Weg vorzuschlagen und ihn über mögliche Risiken aufzuklären, damit der Mandant zu einer sachgerechten Entscheidung in der Lage ist (BGH WM 1993, 1376; WM 2007, 419; NJW 2007, 2485; WM 2008, 1560). Der konkrete Umfang der anwaltlichen Pflichten richtet sich nach dem erteilten Mandat und den Umständen des einzelnen Falles (BGH WM 1996, 1824; 2008, 1560). Ziel der anwaltlichen Rechtsberatung ist es, dem Mandanten eigenverantwortliche, sachgerechte (Grund-) Entscheidungen ("Weichenstellungen") in seiner Rechtsangelegenheit zu ermöglichen (BGH NJW 2007, 2485; WM 2008, 1560; Zugehör/Fischer/Sieg/Schlee, a.a.O., Rz. 558).

Darlegungs- und beweispflichtig für eine anwaltliche Pflichtverletzung ist im Regressprozess der Anspruchsteller (Zugehör/Fischer, a.a.O., Rz. 952 m.w.N.); hierauf hat bereits das LG den Kläger zutreffend hingewiesen (mündliche Verhandlung vom 16.2.2010, vgl. Bl. 125 GA). Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn es sich um negative Tatsachen handelt. Allerdings ist das Bestreiten des Beraters nur erheblich, wenn er konkret darlegt, wie die Beratung ausgesehen hat, die er erbracht haben will. Ein Recht...

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