Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB; regelmäßig keine Prüfung der Herabsetzung oder zeitlichen Begrenzung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs gemäß § 1578b Abs. 1 BGB im VKH-Prüfungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Ob die Voraussetzungen für eine Befristung oder Herabsetzung des Unterhalts des nachehelichen Unterhaltsanspruchs gegeben sind, ist im Verfahrenskostenhilfeverfahren im Regelfall nicht Gegenstand der Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung für einen innerhalb des Scheidungsverfahrens geltend gemachten nachehelichen Unterhaltsanspruchs.
Bei der Prüfung der Erfolgsaussichten eines innerhalb des Scheidungsverfahrens geltend gemachten Unterhaltsanspruchs ist auf die zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Verfahrenskostenhilfeantrag aktuellen Einkommensverhältnisse der Eheleute abzustellen. Mögliche zukünftige Veränderungen der Einkommensverhältnisse, deren Eintritt nicht mit der notwendigen Sicherheit prognostiziert werden können, haben regelmäßig an dieser Stelle keinen Einfluss auf die Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten oder der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten.
Normenkette
BGB § 1573 Abs. 2, § 1578b Abs. 1; FamFG § 76 Abs. 1; ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
AG Kleve (Aktenzeichen 19 F 258/21) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 26.04.2022 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Kleve vom 31.03.2022 aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Verfahrenskostenhilfeantrag der Antragsgegnerin mit der Maßgabe zurückverwiesen, dass der Antrag nicht wegen fehlender Erfolgsaussichten zurückgewiesen werden kann.
Gründe
I) Der Antragsteller hat mit am 29.09.2021 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz vom 02.09.2021 den Antrag auf Scheidung der mit der Antragsgegnerin am 02.03.2017 geschlossenen Ehe gestellt. Die Antragsgegnerin hat mit Schriftsatz vom 21.01.2021 die Folgesache Geschiedenenunterhalt anhängig gemacht und den Antrag auf Verpflichtung des Antragstellers zur Zahlung einer monatlich im Voraus fälligen Unterhaltsrente in Höhe von mindestens 362,00 EUR ab Rechtskraft der Scheidung angekündigt, wofür sie die Bewilligung Verfahrenskostenhilfe begehrt.
Die Beteiligten, aus deren Beziehung keine Kinder hervorgegangen sind, leben seit Juni 2020 getrennt voneinander. Die Antragsgegnerin, die aus einer früheren Beziehung die am 23.12.2009 geborene und in ihrem Haushalt lebende Tochter S... zu versorgen hat, begann im April 2020 eine Ausbildung zur Pflegefachfrau, die voraussichtlich zum 31.03.2023 endet. Zuvor hatte die Antragsgegnerin seit Juli 2019 bei der H... S... GmbH, zwischen Januar und August 2019 zudem bei "N... M... Discount" gearbeitet.
Im Scheidungsverbund wird der Versorgungsausgleich auf Antrag der Antragsgegnerin vom 16.12.2021 durchgeführt.
Die Antragsgegnerin hat - zumindest im Beschwerdeverfahren unbestritten - ein monatliches Nettoeinkommen des Antragstellers in Höhe von mindestens 3.331,- EUR vorgetragen.
Der Antragsgegner ist dem Unterhaltsbegehren entgegengetreten und hält es bereits dem Grunde nach für unbegründet. Jedenfalls seien Unterhaltszahlungen für seine zwei minderjährigen in Ungarn lebenden Kinder von jeweils 500,- EUR sowie hohe Umgangskosten für die Aufrechterhaltung des Kontaktes mit den Kindern zu berücksichtigen.
Das Amtsgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung das Gesuch der Antragsgegnerin auf Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen folgende Erwägungen angestellt:
Die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe keine hinreichenden Erfolgsaussichten. Derzeit sei weder dargelegt noch sonstwie absehbar, dass der Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Ehescheidung ein Anspruch auf Zahlung nachehelichen Unterhalt zustehe.
Ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt gemäß § 1575 Abs. 1 BGB scheitere daran, dass die Antragsgegnerin nicht dargelegt habe, dass sie ihre Ausbildung im Hinblick auf die Eheschließung aufgegeben oder nicht begonnen habe. Auch sei nicht absehbar, ob das Ausbildungsverhältnis zum Zeitpunkt der Ehescheidung überhaupt noch bestehe. Das Ende der Ausbildung sei für März 2023 geplant. Die Dauer des Verbundverfahrens zum Versorgungsausgleich sei insbesondere aufgrund der Beteiligung niederländischer Versorgungsträger nicht absehbar.
Ein Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach §§ 1573 Abs. 2, 1578 b BGB sei derzeit nicht dargetan. Vorliegend betrage die Ehezeit für die kinderlose Ehe 4 1/2 Jahre. Ehebedingte Nachteile irgendwelcher Art habe die Antragsgegnerin nicht dargetan.
Im Übrigen sei ein Unterhaltsanspruch auch der Höhe nach nicht schlüssig dargetan. Selbst wenn von dem seitens der Antragsgegnerin behaupteten Nettoeinkommen des Antragstellers von 3.331,- EUR ausgegangen werde, lasse das Vorbringen nicht erkennen, ob und ggfls in welcher Höhe von diesem Betrag noch, wie bei Erwerbstätigkeit in den Niederlanden obligatorisch, Beiträge für die Krankenversicherung abzusetzen seien.
Auch seien die ...