Leitsatz (amtlich)

StPO §§ 203, 204, 306, 311 Abs. 2, 464 Abs. 3

Leitsätze

1.

Bei der Prognoseentscheidung über den hinreichenden Tatverdacht steht dem Tatgericht auch im Falle der Nichteröffnung gem. § 204 StPO ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu.

2.

Die sofortige Beschwerde ist unzulässig, wenn nicht innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO hinreichend deutlich erkennbar ist, gegen wen sich das Rechtmittel richtet.

3.

Der Anfechtbarkeit der Kostenentscheidung steht § 464 Abs. 3 S. 1, 2. HS StPO nicht entgegen, wenn gegen die Hauptentscheidung zwar ein Rechtsmittel statthaft ist, dieses aber dem Beschwerdeführer nicht zusteht.

Oberlandesgericht Düsseldorf, 3. Strafsenat

Beschluss vom 29. März 2012 - III 3 Ws 28-32/12

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft wird hinsichtlich des Angeschuldigten H. als unzulässig, hinsichtlich der übrigen Angeschuldigten als unbegründet verworfen.

Auf die sofortigen Beschwerden der Angeschuldigten wird der angefochtene Beschluss wie folgt ergänzt:

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen

Auslagen der Angeschuldigten trägt die Staatskasse.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen der Angeschuldigten werden der Staatskasse auferlegt.

 

Gründe

I.

Unter dem 19. April 2010 hat die Staatsanwaltschaft Krefeld Anklage gegen die Angeschuldigten wegen in der Zeit von 2002 bis 2009 in K. und anderenorts begangener Straftaten Anklage vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Krefeld erhoben. Darin wird ihnen u. a. vorgeworfen, gemeinschaftlich in 53 Fällen handelnd Mineralölsteuern bzw. ab 1. August 2006 Energiesteuer hinterzogen zu haben. Im Einzelnen ist dazu ausgeführt:

Die Angeschuldigten P.-H.S., M.-M.W., G.H. sind Gesellschafter der im Mineralölhandel tätigen T.S. KG, geschäftsansässig auf der N.str. 48, 4G. Der Angeschuldigte P.-H.S. ist faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft. Die Angeschuldigten M.-M.W und G.H. sind für die Buchführung der Gesellschaft verantwortlich. Der Angeschuldigte H.-T.H. ist angestellter Kraftfahrer der Gesellschaft.

Aufgrund eines gemeinsamen Tatentschlusses lieferten die Angeschuldigten dem gesondert Verfolgten M.K., der im Tatzeitraum an der Geschäftsanschrift E 9 in D eine Tankstelle betrieb, nicht voll versteuerten Dieselkraftstoff. Den Dieselkraftstoff erlangten die Angeschuldigten, indem sie Kunden der T.S. KG, die bei der Gesellschaft Heizöl (HEL) bestellten, weniger auslieferten als über die Messanlagen der Tankwagen angegeben. Über sogenannte Reibachleitungen wurde bereits als geliefert erfasstes Heizöl wieder in den Tankwagen zurückgepumpt. Durch den anschließenden Produkttausch Heizöl HEL/Dieselkraftstoff wurde nicht eingefärberter Dieselkraftstoff erwirtschaftet, der sodann an den gesondert verfolgten K. geliert wurde. ...

Neben der Hinterziehung von Mineralöl-/Energiesteuer legt die Staatsanwaltschaft den Angeschuldigten zu 1. bis 3. die Hinterziehung von Umsatz- und Einkommenssteuer zur Last. Der Angeschuldigte P.-H.S. wird darüber hinaus des Betruges, der falschen Versicherung an Eides Statt, der Urkundenfälschung sowie diverser Eichdelikte beschuldigt.

Mit Beschluss vom 7. Juli 2011 hat die 2. große Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Krefeld die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, soweit den Angeschuldigten Hinterziehung von Mineralöl-/Energiesteuer in 53 Fällen zur Last gelegt wird. Zugleich hat sich das Landgericht gemäß § 16 StPO für im Übrigen örtlich unzuständig erklärt.

Das Landgericht hat seine Entscheidung damit begründet, es bestehe kein hinreichender Tatverdacht im Sinne von § 204 StPO betreffend die Hinterziehung von Mineralöl-/Energiesteuer. Die Staatsanwaltschaft berechne den Verbrauchssteuerschaden aus der Differenz der Steuersätze für Heizöl- und Dieselkraftstoff. Sie gehe davon aus, dass die Angeschuldigten dem K. Dieselkraftstoff geliefert hätten, der zuvor aus einer Vielzahl nicht aufgeklärter Betrugstaten zum Nachteil von Heizölkunden generiert worden sei. Die Steuerschadensschätzung der Staatsanwaltschaft beruhe auf der Annahme, die Betrugstaten seien ausschließlich zum Nachteil von Heizölkunden verübt worden. Hiervon könne aber nicht ausgegangen werden. Sofern die Angeschuldigten Schwarzmengen an Dieselkraftstoff erwirtschaftet und diese an K. geliefert hätten, scheide eine Hinterziehung von Mineralöl-/Energiesteuer aus. Diese Vorgehensweise liege nicht außerhalb des Denkbaren. Denn angeklagt sei ein Fall des Betruges zum Nachteil eines Dieselkunden (Fall 78 der Anklage). Auch aus dem Ermittlungsbericht des Hauptzollamtes Krefeld vom 31. August 2009 ergebe sich, dass ein Betrug zum Nachteil von Dieselkunden nicht ausgeschlossen werden könne, wenn dies in der zur Rede stehenden Größenordnung hier auch sehr unwahrscheinlich sei.

Derartige Wahrscheinlichkeitsüberlegungen müssten indessen bei der Beurteilung des hinreichenden Tatverdachts außer Betracht bleiben.

Zudem fehle es in der Anklageschrift an verlässlichen Grundlagen zur Scha...

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