Leitsatz (amtlich)
Ungeklärte Eigentumsverhältnisse an Pfandsachen berechtigen den Gerichtsvollzieher im Anwendungsbereich des § 366 Abs. 3 HGB nicht zur Ablehnung der Pfandverwertung.
Normenkette
EGGVG §§ 23 ff.; BGB §§ 185, 1234 ff.; HGB § 366 Abs. 3, §§ 441, 464; Gerichtsvollzieherordnung (GVO) § 26 Nr. 1/2; Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) § 238 Nr. 2 S. 5
Tenor
Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 29.1.2008 wird aufgehoben. Die Antragsgegnerin wird angewiesen, die Zwangsverwertung nicht mit der Begründung abzulehnen, die Eigentumsverhältnisse an den Pfandsachen seien ungeklärt.
Geschäftswert: 18.000 EUR.
Gründe
I. Die Antragstellerin hat bei der Antragsgegnerin einen Antrag auf Pfandverwertung gestellt und zur Begründung ausgeführt, als Speditionsunternehmen stehe ihr ein gesetzliches Pfandrecht an sechs sog. Swap-Anlagen, die im Zuge der Verwertung des Pfandrechts öffentlich versteigert werden sollten, zu. Diesen Antrag hat die Beteiligte zu 2. mit Bescheid vom 29.1.2008 abgelehnt, da die Eigentumsverhältnisse an den Pfandsachen ungeklärt seien.
Daraufhin hat die Antragstellerin unter dem 14.2.2008 einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach §§ 23 ff. EGGVG gestellt mit dem Ziel, die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Pfandverwertung durch öffentliche Versteigerung vorzunehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte Bezug genommen.
II. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und begründet.
1. Anerkanntermaßen ist gegen eine von einem Gerichtsvollzieher ausgesprochene Ablehnung einer öffentlichen Versteigerung in einem ihm gesetzlich zugewiesenen Bereich, insbesondere bei einem Pfandverkauf nach §§ 1234 ff. BGB aufgrund gesetzlicher Ermächtigung, ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 23 ff. EGGVG eröffnet (OLG Hamm, Beschluss vom 2.3.1998 in Sachen 15 VA 1/98; OLG Frankfurt DGVZ 1998, S. 121 f.; OLG Köln OLGReport Köln 2000, S. 340 ff.; OLG München, Beschluss vom 15.3.2006 in Sachen 9 VA 1/06; Zöller/Gummer, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 23 EGGVG Rz. 10). Um eine Versteigerung aufgrund gesetzlicher Ermächtigung geht es hier, da sich die Antragstellerin eines gesetzlichen Pfandrechts berühmt.
2. Der Antrag hat auch - in dem aus dem Beschlussausspruch ersichtlichen Umfange - Erfolg. Die Eigentumsverhältnisse an den Pfandsachen sind im vorliegenden Fall, soweit die Tätigkeit der Antragsgegnerin betroffen ist, ohne Belang.
a) Nach § 26 Nr. 1 der Gerichtsvollzieherordnung (GVO) hat ein Gerichtsvollzieher nur Aufträge zur Vornahme unzulässiger Amtshandlungen abzulehnen; nach den bestehenden Vorschriften zulässige Aufträge, für deren Erledigung er zuständig ist, darf er nur dann ablehnen, wenn er dies nach der Geschäftsanweisung oder sonstigen Verwaltungsbestimmungen muss oder kann (§ 26 Nr. 2 Satz 1 GVO). Ein derartiger Ablehnungsfall ist in § 238 Nr. 2 Satz 5 GVGA geregelt, wonach der Gerichtsvollzieher einen Auftrag zu einem offenbar unzulässigen Pfandverkauf abzulehnen hat. Eine Unzulässigkeit des beabsichtigten Pfandverkaufs ergibt sich hier jedoch nicht aus den Eigentumsverhältnissen an den Pfandsachen.
aa) Die gesetzlichen Pfandrechte des Spediteurs nach § 464 HGB und des Frachtführers nach § 441 HGB entstehen auch dann, wenn der Versender bzw. Absender nicht Eigentümer des Gutes ist; es genügt, dass er Verfügungsmacht gem. § 185 BGB über das Gut hat (Baumbach/Hopt-Merkt, HGB, 33. Aufl. 2008, § 441 Rz. 1). Im Anwendungsbereich des § 366 Abs. 3 HGB - der hier einschlägig ist - entsteht das gesetzliche Pfandrecht des Spediteurs oder Frachtführers aber auch dann, wenn dieser in gutem Glauben an die Verfügungsmacht des Verfügenden ist; mit anderen Worten kann in diesen Fällen das gesetzliche Pfandrecht an beweglichen Sachen gutgläubig erworben werden (OLG Hamm, a.a.O., m.w.N.). Auf dieser Grundlage darf die Antragsgegnerin davon ausgehen, dass die Antragstellerin das von ihr beanspruchte Pfandrecht entweder deshalb erworben hat, weil die Versenderin bzw. Absenderin Eigentümerin des Gutes war oder deshalb, weil sie in gutem Glauben von diesem Eigentum ausging oder von der Befugnis der Versenderin bzw. Absenderin, über das Gut einen Speditions- bzw. Frachtvertrag abschließen zu können (§ 366 Abs. 3 HGB i.V.m. § 1207 BGB).
Für die Durchführung des Auftrags zur Pfandverwertung unerheblich ist, dass die Antragstellerin auch bösgläubig gewesen sein und dass es sich bei dem Pfandgut um abhandengekommene Sachen i.S.d. § 935 BGB handeln, ein gutgläubiger Erwerb des Pfandrechts mithin ausgeschlossen sein könnte. Diese Möglichkeiten stehen einer öffentlichen Versteigerung indes nicht entgegen, weil ein solcher Sachverhalt hier nicht "offenbar" ist. Insoweit hatte die Antragsgegnerin lediglich ihren Hinweispflichten nach § 238 Nr. 2 Satz 4 GVGA zu genügen. Darüber hinaus ist jedoch nicht sie als Gerichtsvollzieherin, sondern der Auftraggeber dem etwaigen anderweitigen Eigentümer der Pfandsachen dafür verantwortlich, dass das Pfand unter den gesetzlichen Voraussetzungen ...