Leitsatz (amtlich)
1. Bestimmen Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament:
"Wir (...) setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.
Nach dem Tode des Überlebenden soll der Nachlass zu gleichen Teilen an unsere Kinder (...) fallen."
und verstirbt eines der beiden Kinder nach Testamentserrichtung, so geht - wenn sich ein widersprechender Erblasserwille aus dem Inhalt der Testamentsurkunde und den bekannten Nebenumständen nicht feststellen lässt - die gesetzliche Regelung des § 2069 BGB von einem zum maßgeblichen Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung vorliegenden typischen hypothetischen Willen der Ehegatten aus, ihre Verfügung auf die Abkömmlinge des verstobenen Kindes zu erstrecken.
2. Allein der Umstand, dass das gemeinschaftliche Testament, anders als eine zwei Monate zuvor errichtete letztwillige Verfügung, eine ausdrückliche Regelung zur Ersatzerbfolge der verstorbenen Kinder nicht enthält, genügt nicht zur zweifelsfreien Feststellung, dass die Erblasserin und ihr vorverstorbener Mann bereits zur Zeit der Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments einen der Auslegungsregel des § 2069 BGB widersprechenden Willen hatten, die Enkelkinder (bewusst) als Ersatzerben auszuschließen.
Normenkette
BGB §§ 2069, 2084
Verfahrensgang
AG Erkelenz (Beschluss vom 11.03.2015; Aktenzeichen 25 VI 629/11) |
Tenor
Das Rechtsmittel wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Wert: bis 110.000 EUR
Gründe
I. Die Beteiligte zu 1) ist die jüngere Tochter der Erblasserin. Die ältere Tochter ist am 17.8.1995 vorverstorben. Deren Kinder sind die Beteiligten zu 2) - 4).
Die Erblasserin errichtete mit ihrem am 7.5.1995 vorverstorbenen Ehemann zwei handschriftliche gemeinschaftliche Testamente.
Unter dem 28.2.1989 verfügten sie:
"Wir (...) setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.
Nach dem Tode des Überlebenden, sollen unsere beiden Kinder zu gleichen Teilen Nacherben sein.
Ersatzerben für verstorbene Kinder sollen dessen Kinder sein."
Das unter dem 24.4.1989 errichtete Testament lautet:
"Wir (...) setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein.
Nach dem Tode des Überlebenden soll der Nachlass zu gleichen Teilen an unsere Kinder (...) fallen."
Am 11.7.2011 errichtete die Erblasserin eine handschriftliche Urkunde, in der sie anordnete:
"Hiermit verfüge ich (...), dass meine Tochter (die Beteiligte zu 1)) die alleinbegünstigte meiner Depotpapiere bei der Sparkasse ist.
(...) Dies ist mein letzter Wunsch und Wille."
Die Beteiligte zu 1) beantragte am 15.11.2011 gestützt auf das Testament vom 28.4.1989 einen Alleinerbschein. Der Beteiligte zu 2) äußerte sich zu dem Antrag nicht. Daraufhin erließ das AG unter dem 29.12.2011 antragsgemäß den Alleinerbschein zugunsten der Beteiligten zu 1).
Am 28.8.2014 hat der Beteiligte zu 2) zunächst beantragt, den vorgenannten Erbschein einzuziehen. Sodann hat er am 16.10.2014 einen gemeinschaftlichen Erbschein beantragt, der die Beteiligte zu 1) als Miterbin zu 1/2 und ihn sowie die Beteiligten zu 3) und 4) als Miterben zu je 1/6 ausweist.
Er hat geltend gemacht, nach der gesetzlichen Auslegungsregel des § 2069 BGB sei im Zweifel davon auszugehen, dass die Beteiligten zu 2) - 4) als gesetzliche Erben der älteren Tochter der Erblasserin an deren Stelle treten sollen. Davon sei auch die Erblasserin ausgegangen. Anderenfalls hätte die kurz vor ihrem Tod errichtete weitere letztwillige Verfügung, mit der sie die Beteiligte zu 1) zur Alleinbegünstigten zweier ihrer Spardepots bestimmte, keinen Sinn gemacht.
Die Beteiligte zu 1) ist den beiden Anträge des Beteiligten zu 2) entgegengetreten.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Auslegungsregel des § 2069 BGB gelte im vorliegenden Fall nicht. Dies ergebe sich aus dem Umstand, dass dieses Testament anders als das knapp zwei Monate vorher errichtete Testament die Ersatzerbenregelung nicht enthalte und diese Regelung von den Eltern bewusst nicht aufgenommen worden sei.
Sie hat weiter vorgebracht, die Erblasserin habe über Jahre weder Kontakt zu ihrer älteren Tochter noch zu ihren Enkelkindern gehabt, worüber sie sehr enttäuscht gewesen sei. Deshalb habe sie alle ihre Vermögenswerte der Beteiligten zu 1) übertragen wollen. Bezüglich des zum Nachlass gehörenden Grundbesitzes sei schon ein Termin mit dem Notar N. in Hückelhoven vereinbart worden, der jedoch auf Grund der Erkrankung der Erblasserin habe abgesagt werden müssen.
Nach Anhörung der Beteiligten zu 1) und 2) hat das AG durch den angefochtenen Beschluss vom 11.3.2015 festgestellt, dass der am 29.12.2011 erteilte Erbschein als unrichtig einzuziehen ist und die zur Erteilung des vom Beteiligten zu 2) beantragten Erbscheins erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet.
Es hat ausgeführt, maßgeblich für die Erbfolge sei das gemeinschaftliche Testament vom 24.4.1989, in dem die Eheleute sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt und bestimmt haben, dass nach dem Tode des Überlebenden der Nachlass an die Beteiligten zu 1) und die Mutter der Beteiligten zu 2) - 4) Erben zu gleichen Teilen fallen sollte. Da die dadurch zur Miterb...