Leitsatz (amtlich)
1. Ist in einem handschriftlichen Testament die Passage über die Berufung zum einzigen eingesetzten Erben durchgestrichen, so kann dem ein Aufhebungswille des Erblassers nicht, auch nicht im Sinne einer Vermutung, entnommen werden, solange nicht feststeht, dass der Erblasser (selbst) die Veränderung vorgenommen hat.
2. Soweit bei - unterstellter - Urheberschaft des Erblassers in Bezug auf die Streichung grundsätzlich eine Vermutung für einen entsprechenden Aufhebungswillen spricht, ist diese widerlegt, wenn sich (wie hier aus dem weiteren Inhalt des Testaments sowie Zeugenbekundungen) der Wille des Erblassers ergibt, dass der durch die Streichung nahe gelegte Widerruf der Verfügung bloß eine neue letztwillige Verfügung mit der Bestimmung eines neuen Erben vorbereiten, bis zu deren Errichtung indes die alte fortgelten sollte.
3. Die Bindung des Erstgerichts (hier: Nachlassgericht) an eine Anweisung des Beschwerdegerichts besteht nicht bei geänderter Sach- und Rechtslage aufgrund - ggf. ermittelter (§ 26 FamFG) - neuer berücksichtigungsbedürftiger Tatsachen.
4. Zur Bejahung der Beschwerdeberechtigung des Rechtsmittelführers im Erbscheinsverfahren genügt regelmäßig bereits die Behauptung eines (ihm zu Unrecht versagten) Erbrechts und die Feststellung des Beschwerdegerichts, dass eine solche Beeinträchtigung möglich, jedenfalls aber nicht ausgeschlossen erscheint.
Normenkette
BGB §§ 2255, 2353, 2359; FamFG § 26
Verfahrensgang
AG Langenfeld (Aktenzeichen 46 VI 438/13) |
Tenor
Auf das Rechtsmittel wird der angefochtene Beschluss geändert.
Das Nachlassgericht wird angewiesen, den Beteiligten zu 1 und 2 den auf der Basis des handschriftlichen Testaments vom 24. März 2006 nachgesuchten gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen.
Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Wert: bis zu 500.000,- Euro
Gründe
I. Der Erblasser war mit den Beteiligten zu 1 und 2 befreundet; die Beteiligte zu 3, eine angeheiratete Cousine, war seine Lebensgefährtin.
Der Erblasser hinterließ ein handschriftliches Testament vom 24. März 2006, in dem es u. a. heißt:
"Ich, ... berufe zu meinem Erben die Eheleute Frau AA ... Herrn BB ... ersatzweise von dem Überlebenden den von Ihnen und für den Fall das beide vor mir verstorben sein sollten deren Tochter Frau CC ... gleichviel ob und welche Pflichtteilsberechtigten bei meinem Tode vorhanden sein werden.
Meiner angeheirateten Cosine Frau DD, ... vermache ich einen Betrag
in Höhe von monatlich 500 EUR fünfhundert Euro bis an ihr Lebensende. ...
Meine sämtlichen Verwandten väterlich und mütterlicherseits schliesse ich von
der Erfolge aus"
Die unterstrichenen Passagen des mit schwarzem Kugelschreiber geschriebenen Textes sind mit blauem Kugelschreiber durchgestrichen.
Beigefügt war dem Testament ein ebenfalls den Eröffnungsvermerk tragender Zettel mit Namen, Geburtsdatum und Anschrift der Beteiligten zu 7, der Lebensgefährtin des Sohnes der Beteiligten zu 3.
Die Beteiligten zu 1 und 2 haben, gestützt auf das handschriftliche Testament, beantragt, ihnen einen gemeinschaftlichen Erbschein auszustellen.
Sie haben geltend gemacht, der Erblasser sei ein guter Freund von ihnen gewesen. Er habe zu Lebzeiten ihnen gegenüber mehrfach bekundet, dass seine Freunde ihn beerben sollten, nicht hingegen seine Verwandten väterlicherseits und mütterlicherseits. Es sei "davon auszugehen, dass die Streichungen bezüglich der Erbeinsetzung nicht vom Erblasser stammen bzw. nicht seinem wirklichen Willen entsprechen".
Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 21. Oktober 2013 den Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 zurückgewiesen, weil sie im Testament vom 24. März 2006 als Erben durchgestrichen seien; der Erblasser habe damit in Aufhebungsabsicht am Testament Veränderungen vorgenommen, durch die der Wille, diese Erbeinsetzung aufzuheben, ausgedrückt zu werden pflege (§ 2255 BGB).
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 hiergegen hat der Senat mit Beschluss vom 28. März 2014 das Nachlassgericht angewiesen, den Erbschein nicht mit der Begründung zu versagen, dass der Erblasser die sie begünstigenden Passagen in dem Testament gestrichen habe. Dass der Erblasser Urheber der Streichungen gewesen sei, lasse sich nicht feststellen. Dafür möge der erste Anschein sprechen. Da sich das Testament allerdings nicht bis zuletzt im Gewahrsam des Erblassers befunden habe, sondern von der Beteiligten zu 3 und 7 nicht in einem verschlossenen Umschlag eingereicht worden sei, streite der Anschein nicht dafür, dass der Erblasser es gewesen sei, der die Streichungen vorgenommen habe. Die Beteiligten zu 3 und 7 hätten zwar kein erkennbares Interesse an einem Fortfall der Beteiligten zu 1 und 2, weil sie hierdurch nicht ihrerseits in die Erbenstellung hätten einrücken können. Andererseits sei es wenig plausibel, dass der Erblasser die fraglichen Passagen gestrichen habe, weil der Ausschluss seiner sämtlichen Verwandten väterlicher- und mütterlicherseits von der Erbfolge nicht aufgehoben und nicht anzunehmen sei, dass der Erblasser dem Er...