Leitsatz (amtlich)
1. Bei nach Aktenlage nicht zu ermittelndem Eintritt der Rechtskraft der Unzuständigerklärungen am negativen Kompetenzkonflikt beteiligter (Nachlass-) Gerichte reicht es für die Annahme der Rechtskraft aus, dass beide Gerichte sich ausdrücklich in Beschlussform unter Bekanntmachung dieser Entscheidung an die Beteiligten für unzuständig erklärt haben.
2. Hat eines der Gerichte sich nicht nur für unzuständig erklärt, sondern die Sache ausdrücklich durch Beschluss an das andere Gericht verwiesen, so ist dieser nicht bindend, wenn das verweisende Gericht die für die Annahme seiner Unzuständigkeit maßgeblichen Umstände nicht nachvollziehbar aufgezeigt hat.
3. Verstirbt der Erblasser in einem "Pflegewohnzentrum", so stellt dieses seinen letzten Wohnsitz dar, wenn nicht mit einer Rückkehr des Betroffenen in seine Wohnung zu rechnen war.
Normenkette
FamFG § 3 Abs. 3 S. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 4, § 343 Abs. 1, § 5 Hs 1; RPflG § 11 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Düsseldorf (Beschluss vom 27.09.2012; Aktenzeichen 93 VI 735/12) |
Tenor
Als örtlich zuständiges Nachlassgericht gem. § 343 Abs. 1 FamFG wird das AG Wuppertal bestimmt.
Gründe
I. Ende Mai 2012 beantragte die Beteiligte die Erteilung eines Erbscheins nach dem Erblasser, ihrem Ehemann, beim AG Wuppertal. Das Nachlassgericht teilte ihr mit, es sei beabsichtigt, das Verfahren an das zuständige AG Düsseldorf abzu-geben.
Sodann hat das AG - Rechtspflegerin - Wuppertal mit Beschluss vom 11.9.2012 ausgesprochen, das Nachlassgericht Wuppertal erkläre sich für unzuständig und verweise die Nachlasssache an das für den letzten Wohnsitz des Erblassers zuständige Nachlassgericht Düsseldorf; hieran schließt sich eine Rechtsmittelbelehrung an. Unter demselben Datum hat es die Übersendung einer Ausfertigung des Beschlusses an die Beteiligte sowie die Übersendung der Akten an das AG Düsseldorf verfügt. Dieses - Rechtspflegerin - hat mit Beschluss vom 27.9.2012 beschlossen, die Übernahme der Sache werde abgelehnt, das AG - Nachlassgericht - Düsseldorf erkläre sich für unzuständig und lege die Sache nunmehr dem OLG Düsseldorf zur weiteren Entscheidung gem. § 5 FamFG vor; auch die Übersendung dieses Beschlusses an die Beteiligte ist verfügt worden.
Der Senat hat die Akten des Betreuungsverfahrens für den Erblasser, 59 XVII 8/12 AG Wuppertal beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Nachlassakte Bezug genommen.
II. Der Senat hat das zuständige Nachlassgericht gem. § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG zu bestimmen. Zuständig für die weitere Bearbeitung der Nachlasssache ist das AG Wuppertal, denn gem. § 343 Abs. 1, Halbs. 1 FamFG bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Wohnsitz, den der Erblasser zur Zeit des Erbfalls hatte, und dieser befand sich im Bezirk des AG Wuppertal.
1. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 4 FamFG wird das zuständige Gericht - hier das Nachlassgericht - durch das nächsthöhere gemeinsame Gericht - hier das OLG Düsseldorf - bestimmt, wenn sich verschiedene Gerichte, von denen eines für das Verfahren zuständig ist, rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Allerdings reicht es in Fällen, in denen die Bestimmung der Rechtskraft der Entscheidungen Schwierigkeiten aufwirft, aus, dass jedes der beteiligten Gerichte seine Kompetenz ausdrücklich und förmlich in einer den Beteiligten bekannt gemachten Weise geleugnet hat; dieses weite Verständnis des Begriffes der Rechtskraft ist im vorliegenden Zusammenhang im Interesse einer raschen Klärung negativer Kompetenzkonflikte geboten (OLG Hamm NJW 2010, 2066 f.; OLG Brandenburg FamRZ 2011, 56f m.w.N.).
Im vorliegenden Fall sind die Entscheidungen der beiden AG zwar anfechtbar, da sie von Rechtspflegern getroffen wurden (§ 11 Abs. 2 RPflG). Indes ist der Eintritt ihrer Rechtskraft nach Aktenlage nicht zu ermitteln, da sie von beiden Gerichten - ersichtlich im Hinblick auf den Wohnsitz der Beteiligten in Portugal - an die Beteiligte lediglich formlos übersandt, nicht zugestellt worden sind, so dass sich der Beginn der Rechtsmittelfrist für den Senat nicht zuverlässig feststellen lässt. Angesichts dessen reicht es aus, dass beide Nachlassgerichte sich ausdrücklich in Beschlussform unter Bekanntmachung dieses Beschlusses an die Beteiligte für unzuständig erklärt haben.
2. In der Sache ist nach § 343 Abs. 1, Halbs. 1 FamFG ausschlaggebend, dass sich der Wohnsitz des Erblassers zur Zeit des Erbfalls im Bezirk des Nachlassgerichts Wuppertal befand.
a) Dem steht nicht entgegen, dass sich das Nachlassgericht Wuppertal im Beschluss vom 11.9.2012 nicht nur für unzuständig erklärt, sondern darüber hinaus die Nachlasssache ausdrücklich an das Nachlassgericht Düsseldorf verwiesen hat. Zwar ordnet § 3 Abs. 3 Satz 2 FamFG für einen Verweisungsbeschluss an, er sei für das als zuständig bezeichnete Gericht bindend. Diese Bindungswirkung tritt jedoch ausnahmsweise dann nicht ein, wenn die Verweisung objektiv willkürlich und offensichtlich gesetzwidrig erfolgt. Dies wiederum ist u.a. dann der Fall, wenn das verweisende Gericht die für seine ...