Leitsatz (amtlich)

1. Nur wenn sich der Veräußerer einer Immobilie zu Bauleistungen verpflichtet, die insgesamt nach Umfang und Bedeutung Neubauarbeiten vergleichbar sind, haftet er nicht nur für die ausgeführten Umbauarbeiten, sondern auch für die in diesem Bereich vorhandene Altbausubstanz nach den Gewährleistungsregeln des Werkvertragsrechts (Anschluss an BGH BeckRS 2007, 10153; OLG München IBRRS 2022, 1969);

2. Bei einer Renovierungsverpflichtung oder bei einer sonstigen Umbauverpflichtung, die nicht den Umfang eines Bauvertrages erfüllt, ist § 650u BGB demzufolge nicht anwendbar; auf derartige Verträge ist vielmehr neben dem Kaufrecht das Werkvertragsrecht anzuwenden: Das gilt etwa, wenn sich die baulichen Verpflichtungen nach Art und Umfang in Maßnahmen erschöpfen, die einer (aufwändigen) Renovierung - im Gegensatz zu einer "Kernsanierung" - entsprechen.

3. Die Regelung zum Ausschluss des Rücktritts gem. § 323 Abs. 6 BGB wird nicht durch § 645 BGB verdrängt.

4. Eine Rücktrittserklärung iSv § 349 BGB kann zwar auch konkludent, z.B. im Wege einer auf Rückzahlung einer vertraglich geschuldeten Leistung gerichteten Klageerhebung erfolgen; jedoch reicht dafür nicht schon die bloße Bezugnahme auf einen vorgerichtlichen Schriftsatz, in dem ein früherer, nicht wirksamer Rücktritt erklärt worden ist (Anschluss an OLG München BeckRS 2016, 10096).

 

Verfahrensgang

LG Duisburg (Aktenzeichen 12 O 29/19)

 

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Kläger gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen. Den Klägern wird Gelegenheit gegeben, hierzu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.

Der auf den 6. Dezember 2022 bestimmte Termin zur mündlichen Verhandlung wird aufgehoben.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf bis zu EUR 125.000,- festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Kläger begehren von der Beklagten die Rückabwicklung eines als "Wohnungskaufvertrag" bezeichneten notariellen Vertrages vom 04.05.2018 (UR-Nr. ... des Notars ..., nachstehend auch kurz "notarieller Vertrag", Anlage K 1, GA 8ff) über den Erwerb einer Eigentumswohnung und den Ersatz von diversen ihnen im Zusammenhang mit dem Erwerb der Eigentumswohnung entstandenen Kosten, die Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten betreffend die Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz einschließlich der dort gestellten Anträge der Parteien wird auf das angefochtene Urteil vom 01.03.2021 (GA 194ff) gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO verwiesen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:

Den Klägern stehe kein Anspruch auf Rückzahlung der von ihnen an die Beklagte gezahlten Kaufpreisrate iHv EUR 110.600,- zu. Weder sei ein vertragliches Rücktrittsrecht vereinbart worden noch stehe den Klägern ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu. Letzterem stehe entgegen, dass die Parteien unter § 6 Abs. 3 und Abs. 4 des notariellen Vertrages rechtswirksam die Gewährleistung für Mängel am Sonder- und Gemeinschaftseigentum ausgeschlossen hätten. Deshalb müsse die Beklagte für den am Gemeinschaftseigentum bestehenden Hausschwamm nicht einstehen. Insbesondere habe die Beklagte keine Einstandspflicht für eine bestimmte Eigenschaft der Kaufsache übernommen. Die Eigentumswohnung sei ausdrücklich in dem bestehenden, von den Käufern besichtigten Zustand verkauft worden. Der Regelung des § 6 Abs. 4 des notariellen Vertrages hätten die Kläger auch entnehmen können, dass die Verkäuferin das Kaufobjekt gerade nicht auf versteckte Mängel untersucht hatte und deshalb weder eine Beschaffenheits- noch eine Garantieerklärung habe abgeben wollen. Abweichendes ergebe sich auch nicht aus der in § 2 letzter Abs. des notariellen Vertrages übernommenen Sanierungsverpflichtung der Verkäuferin; namentlich sei dort keine Garantie für einen "kernsanierten" Zustand der Wohnung erklärt worden.

Auch auf eine Nichterfüllung der vereinbarten Instandsetzungsarbeiten nach Leistungsverzeichnis hätten die Kläger den Rücktritt vom Vertrag jedenfalls am 13.12.2018 nicht mehr stützen können. Die Leistung sei nicht (wieder) fällig gewesen, so dass die am 12.11.2018 gesetzte Nachfrist ein Rücktrittsrecht nach § 323 Abs. 1 BGB nicht habe begründen können: Der vertraglich vereinbarte Fertigstellungstermin sei nämlich durch die Entdeckung des Hausschwamms am Gemeinschaftseigentum am 27.06.2018 hinfällig geworden. Mit der von den Klägern veranlassten Öffnung der (zweiten) Abhangdecke, bei der augenscheinlich schwere Schäden an der Deckenkonstruktion sichtbar geworden seien, habe ein Leistungshindernis bestanden, das die Beklagte berechtigt habe, die Arbeiten zunächst einzustellen, um Ausmaß und Folgen des Schadens aufzuklären. Die weitere Sanierung der Wohnung nach Leistungsverzeichnis wäre zwar technisch weiterhin möglich, jedoch wirtschaftlich sinnlos gewesen. Hinzu kämen die gravierenden Sicherheitsbedenken, nachdem die X GmbH in ihrem Gutachten v...

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