Verfahrensgang
LG Düsseldorf (Beschluss vom 14.09.1978; Aktenzeichen 25 AktE 3/77) |
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die … – im folgenden … genannt –, die ca. 2.400 Arbeitnehmer beschäftigt, ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der Firma … – im folgenden … genannt – und besitzt ihrerseits eine Reihe von Tochter- und Enkelgesellschaften, im einzelnen aufgezählt auf Seite 2 der Antragsschrift von 30. September 1977 (Bl. 2 d.A.). Die Arbeitnehmerzahl dieser Untergesellschaften liegt jeweils wesentlich unter 2.000 und macht zusammen ca. 2.600 aus. Zum … Konzern gehören ca. 50.000 Arbeitnehmer. In der sogenannten …-Gruppe sind ca. 45 % der Lackaktivitäten des …-Konzerns zusammengefaßt. Die Gruppe ist dadurch entstanden, daß Hoechst 100 % der Anteile an … mit deren Tochter- und Enkelgesellschaften übernommen und anschließend andere Lackbeteiligungen, die … besaß, auf … übertragen hat.
Bei der Vorbereitung der Aufsichtsratswahlen bei … entstand Meinungsverschiedenheit zwischen dem Betriebsrat und der Geschäftsleitung darüber, ob … konzernleitendes Unternehmen im Sinne von § 5 Abs. 1 MitbestG ist und die Arbeitnehmer der Tochter- und Enkelgesellschaften von … nicht nur bei … sondern auch bei … im Aufsichtsrat mitbestimmen.
Daraufhin hat … das Verfahren nach § 98 AktG eingeleitet, … ist beigetreten.
Das Landgericht hat durch den angefochtenen Beschluß dem Antrag stattgegeben und demgemäß festgestellt, daß der Aufsichtsrat von … ohne gleichzeitige Anwendung von § 5 Abs. 1 MitbestG zu bilden ist.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der beteiligten Betriebsräte.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Der Aufsichtsrat von … ist nicht auch gemäß § 5 Abs. 1 MitbestG zusammenzusetzen.
Nach dieser Vorschrift bestimmen im Aufsichtsrat des herrschenden Unternehmens eines Konzerns auch die Arbeitnehmer der Konzernunternehmen mit. Herrschendes unternehmen eines Konzerns ist … jedoch nicht.
1. Das steht allerdings nicht allein deswegen fest, weil … eine Tochtergesellschaft von … ist und die … zum … gehört. Mitbestimmungs- rechtlich kann es einen sogenannten Konzern im Konzern geben; Obergesellschaft und Zwischenobergesellschaft können herrschende Unternehmen im Sinne von § 5 Abs. 1 MitbestG sein (vgl. Bayer DB 1975, 1167 und ZGR 1977, 173; Duden ZHR 141, 145; Fitting/Wlotzke/Wiessmann, MitbestG, § 5 Anm. 22; Gessler BB 1977, 1313; Klinkhammer DB 1977, 1601; Kaiser, MitbestG, § 5 Anm. 17; anderer Ansicht: Emmerich-Sonnenschein, Konzernrecht, 2. Aufl., S. 68; Hoffmann BB 1974, 1276; Lutter/Schneider BB 1977, 553; Lutter ZGR 1977, 195; Meilicke/Meilicke, MitbestG, § 5 Anm. 7 und BB 1978, 406; Rehbinder ZGR 1977, 581; Säcker, die Wahlordnungen zum Mitbestimmungsgesetz, Randnummer 171; Schilling ZHR 1940, 528; Schneider GK-MitbestG § 5 Randnummer 75; Semmler DB 1977, 805; von Hoyningen-Huene ZGR 1978, 515; Werner NJW 1977, 749; weitere Nachweise zu der Streitfrage auch aus früherer Literatur vgl. von Hoyningen-Huene a.a.O. 518; zur früheren Behandlung der Streitfrage vgl. auch Gessler a.a.O. 1313, 1314).
Maßgeblich für diese Beurteilung sind der allgemeine Konzernbegriff und der Zweck des Mitbestimmungsgesetzes (vgl. Gessler a.a.O. 1313, 1314).
a) Der allgemeine Konzernbegriff schließt es jedenfalls nicht von vornherein aus, § 5 Abs. 1 MitbestG sowohl auf die Obergesellschaft als auch auf die Zwischenobergesellschaft eines Konzerns anzuwenden.
Allerdings gehört zum Begriff des herrschenden Unternehmens eines Konzerns, daß Konzernunternehmen unter seiner einheitlichen Leitung stehen (zur Schlüsselfunktion dieses Begriffs vgl. von Hoyningen-Huene a.a.O. 524). Davon geht auch § 5 Abs. MitbestG mit dem Bezug auf § 18 AktG aus. Einheitliche Leitung ist weder durch das Aktiengesetz noch durch das Mitbestimmungsgesetz begrifflich festgelegt oder näher beschrieben (vgl. von Hoyningen-Huene a.a.O. 524 mit Hinweis auf die Begründung zum Regierungsentwurf). Sie findet sich im Wirtschaftsleben in vielfältigen Erscheinungsformen. Im Schrifttum wird der Begriff der einheitlichen Leitung im allgemeinen sehr weit ausgelegt (vgl. Emmerich-Sonnenschein a.a.O. S. 63 mit weiteren Machweisen). Als wesentliches Merkmal einer solchen Leitung kann man betrachten, daß sie originär und nicht delegiert ist (vgl. Lutter, ZGR 1977, 212; von Koyningen-Huene a.a.O. 528; einschränkend Klinkhammer a.a.O. 1605, 1606). Dann wird vom Begriff her allein eine delegierte Leitung die Zwischenobergesellschaft nicht zu einem herrschenden Unternemen des Konzerns machen. Damit ist aber noch nicht ausgeschlossen, daß in der Realität die Konzernleitung auf verschiedene Stufen des Konzerns verteilt sein kann (vgl. Bayer a.a.O. 183, 184). Der Begriff der Delegation ist vom Ursprung der Leitung her zu verstehen und muß nicht für jeden Fall den geeigneten Maßstab bieten, die tatsächliche Erscheinungsform der Konzernleitung zu beurteilen. Eine Aufteilung der Konzernleitung wird sich allerdings nicht dadurch bewirken oder daraus erkennen lasse...