Tenor

1. Soweit der Angeklagte wegen Angabe falscher Personalien zur

Beschaffung einer Duldung am 24. Juli 2007 verurteilt worden ist, wird das angefochtene Urteil aufgehoben. Wegen dieses Tatvorwurfs wird der Angeklagte freigesprochen.

2. Darüber hinaus wird das angefochtene Urteil abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Der Angeklagte wird wegen Angabe falscher Personalien zur

Beschaffung einer Duldung in acht Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10,00 Euro verurteilt.

3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen.

4. Die im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden zur Hälfte der Staatskasse auferlegt; die im

Revisionsverfahren angefallene Gerichtsgebühr, die der Angeklagte zu tragen hat, wird um die Hälfte ermäßigt.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht - Strafrichterin - hat den Angeklagten wegen Angabe falscher Personalien zur Beschaffung einer Duldung in neun Fällen zu einer Gesamtgeld-

strafe von 50 Tagessätzen zu je 15,00 Euro verurteilt. Hiergegen richtet sich die (Sprung-)Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt.

II.

Die zulässige Revision hat in der Sache den aus dem Tenor ersichtlichen Erfolg.

Die Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Angabe falscher Personalien zur Beschaffung einer Duldung in acht Fällen. Sie bilden eine ausreichende Grundlage für die revisionsrechtliche Überprüfung der Rechtsfolgenentscheidung.

Das Amtsgericht hat festgestellt:

"Der Angeklagte reiste am 08.12.2003 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 09.12.2003 erstmalig einen Antrag auf Durchführung eines Asylver- fahrens. Er gab bei der Antragstellung folgende Personalien an: A., P., geboren am 24.03.1978 in N., Staatsangehörigkeit liberianisch. Ein Identifikationspapier legte er nicht vor. Der Asylantrag wurde am 22.10.2004 abgelehnt. Am 04.02.2010 gab der Angeklagte durch seinen Rechtsanwalt seine echten Personalien an. Bis zu diesem Zeitpunkt nutzte der Angeklagte die falschen Personalien und bewirkte dadurch, dass ihm 9 Duldungen mit den falschen Personalien ausgestellt wurden, und zwar am 24.07., 26.10.2007, 21.01, 16.04., 16.07., 17.10. 2008, 16.01, 21.04., 20.07.2009.

Dies geschah in der Form, dass der Angeklagte persönlich bei der Ausländerbehörde vorsprach und die von der Behörde ausgestellte Bescheinigung durch einen neuen Aufkleber mit der neuen Duldungsfrist versehen wurde."

Mit der Neufassung des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufentG durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 28. August 2007 eine zuvor bestehende Strafbarkeitslücke in Bezug auf die Duldungserschleichung geschlossen, die durch das Zuwanderungesetz vom 30. Juli 2004 entstanden war. Gemäß § 95a Abs. 2 Nr. 2 AufenthG n.F. macht sich strafbar, wer unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder benutzt, um sich einen Aufenthaltstitel oder eine Duldung zu beschaffen.

Durch die unzutreffenden Angaben zu seinem Namen, seinem Geburtstag und seinem Herkunftsland hat sich der Angeklagte nach dieser Vorschrift strafbar gemacht. Identität - individualisiert durch Name, Geburtsdatum und -ort - sowie Nationalität sind für das Aufenthaltsverfahren von Bedeutung. Unerheblich ist, dass dem Angeklagten möglicherweise auch bei Preisgabe seiner wahren Identität eine Duldungsverfügung ausgestellt worden wäre. Denn bei § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufentG handelt es sich um ein abstraktes Gefährdungsdelikt, dessen Tatbestand bereits erfüllt ist, wenn die Falschangaben grundsätzlich zur Verschaffung einer unrechtmäßigen Duldung geeignet sind (vgl. BGH NJW 2010, 248; OLG Stuttgart NStZ-RR 2009, 387).

Da indes - wie bereits erwähnt - die Gesetzesänderung erst am 28. August 2007 in Kraft getreten ist und die Tat vom 24. Juli 2007 vor diesem Zeitpunkt liegt, war das angefochtene Urteil bezüglich dieses Vorwurfs aufzuheben und der Angeklagte insoweit freizusprechen. Gemäß § 1 StGB kann eine Tat nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.

Der Wegfall einer von neun Taten wirkt sich auf die Bildung der Gesamtgeldstrafe nicht aus, so dass es keiner Zurückverweisung bedarf. Der Senat kann ausschließen, dass das Amtsgericht in diesem Fall auf eine noch geringere Gesamtgeldstrafe erkannt hätte.

2. Die Strafzumessungserwägungen sind lediglich hinsichtlich der Höhe der Tagessätze fehlerhaft.

Der Tagessatz war gemäß § 40 Abs. 2 StGB auf 10,00 Euro - und nicht auf 15,00 Euro - festzusetzen. Ausweislich der Urteilsgründe lebt der Angeklagte von Sozialleistungen in Höhe von 364,00 Euro. Daraus ergibt sich ein Tagessatz von 10,00 Euro.

Der Senat kann die Tagessatzhöhe selbst bestimmen, da das angefochtene Urteil die maßgeblichen Grundlagen hierfür enthält (vgl. BGHSt 27, 70).

III.

Die Kostenentscheidung im Verfahren über die (teilweise erfolgreiche) Revision beruht auf § 47...

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