Leitsatz (amtlich)
›Ein sog. qualifizierter Rotlichtverstoß liegt nicht vor, wenn der Kraftfahrzeugführer vor der Rotlichtzeigenden Verkehrsampel anhält, dann aber nach länger als eine Sekunde andauernder Rotphase der besonderen Rechtsabbiegerampel nach rechts abbiegt, nachdem die für den Geradeaus- und Linksabbiegerverkehr bestimmten Lichtzeichenanlagen auf Grünlicht gewechselt haben und der Querverkehr den Kreuzungsbereich bereits verlassen hat, weil der Fahrzeugführer infolge Unachtsamkeit das Grünlicht der Ampel auch auf den Rechtsabbiegerverkehr bezogen hat.‹
Verfahrensgang
StA Düsseldorf (Aktenzeichen 915 Js 123/99) |
Gründe
I.
Das Amtsgericht Neuss hat den Betroffenen wegen "fahrlässigen Verstoßes gegen §§ 37 Abs. 2, 49 StV0, § 24 StVG" zu einer Geldbuße von 250,-- DM verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der die Sachrüge erhebt und sich ausschließlich gegen die Anordnung des Fahrverbotes wendet.
II.
Das Rechtsmittel hat (vorläufigen) Erfolg.
Da zwischen Geldbuße und Fahrverbot eine Wechselwirkung besteht, indem das Gericht einerseits unter Erhöhung der Geldbuße von der Verhängung eines Fahrverbotes absehen und andererseits bei Verhängung eines Fahrverbotes die Geldbuße niedriger festsetzen kann, erfaßt die auf den Ausspruch des Fahrverbotes beschränkte Rechtsbeschwerde den gesamten Rechtsfolgenausspruch einschließlich der Geldbuße (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. VRS 60, 50; Senatsbeschlüsse vom 13. Juli 1999 2b Ss (OW1) 175/99 - (OWi) 68/99 1 - und 24. August 1999 - 2b Ss (OW1) 162/99 - (OWi) 90/99 I; BGHSt 24, 11).
Danach ist der Schuldspruch mit den zugehörigen Feststellungen, nach denen der Betroffene eines qualifizierten Rotlichtverstoßes nach §§ 37 Abs. 2, 49 StVO, § 24 StVG schuldig ist, in Rechtskraft erwachsen.
2.
Das Amtsgericht hat folgendes festgestellt:
"Am 18.09.1998 befuhr der Betroffene die H Landstraße in N mit seinem Pkw, polizeiliches Kennzeichen .... An der Einmündung B. wollte er nach rechts abbiegen und hielt deshalb an der Lichtzeichenanlage an. Im Einmündungsbereich ist die H Landstraße insgesamt dreispurig; für Rechtsabbieger besteht eine eigene Ampelregelung durch Pfeilzeichen, während Geradeaus- und Linksabbiegerampeln die übliche Form haben. Nachdem der Betroffene längere Zeit an der Lichtzeichenanlage gewartet hatte, schlug die Ampelphase für Geradeaus- und Linksabbiegerverkehr auf "grün" um. Weil die Ampelanlage mit den für den Betroffenen maßgeblichen Pfeilzeichen unmittelbar neben den für Geradeaus- und Linksabbiegerampeln angebracht ist, fuhr der Betroffene in den Kreuzungsbereich ein, obwohl die Lichtzeichenanlage für seine Fahrtrichtung nochmal länger als eine Sekunde "rot" zeigte. Hierdurch veranlaßt folgte dem Betroffenen noch ein Lkw, der ebenfalls anschließend von den Zeugen S und E angehalten wurde."
Das Amtsgericht hat die nach Nr. 34.2 BKat bei Überfahren der Lichtzeichenanlage bei schon länger als eine Sekunde andauernder Rotphase vorgesehene Regelgeldbuße von 250,-- DM sowie das Regelfahrverbot von einem Monat verhängt.
Darin liegt ein sachlich-rechtlicher Fehler.
Die Rechtsfolgen der Nr. 34.2. BKat sind nicht bindend, sondern befreien den Tatrichter nicht von einer Einzelfallentscheidung, bei der nach § 17 Abs. 3 OWiG die Bedeutung der Ordnungswidrigkeit und des Tatvorwurfs sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters zu berücksichtigen sind. Aus der Natur des Regelsatzes ergibt sich, daß das Recht und die Pflicht bestehen, bei Vorliegen von Milderungsgründen oder bei erschwerenden Umständen den für den Regelfall bestimmten Betrag der Geldbuße zu unterschreiten oder zu erhöhen (Senatsbeschluß VRS 90, 141). Insgesamt muß die Höhe der Geldbuße zu dem Grad des vorwerfbaren Handelns des Täters in einem angemessenen Verhältnis stehen (Senatsbeschluß aaO m.w.N.). Hier liegen Milderungsgründe vor, die eine Unterschreitung des
Regelsatzes der Geldbuße und ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes rechtfertigen.
Die durch die 12. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 15. Oktober 1991 (BGBl I S. 1992) in den BKat eingefügte Nr. 34.2 soll eine schärfere Ahndung besonders schwerwiegender und gefährlicher Rotlichtverstöße erlauben. Die - häufig im Zusammenhang mit überhöhter Geschwindigkeit begangene - Mißachtung eines Wechsellichtzeichens, obwohl die Rotlichtphase bereits länger als eine Sekunde andauert, soll nach der amtlichen Begründung (VKBl. 1991, 702, 702), weil sie besonders gefährlich ist und sich der Querverkehr - insbesondere auch Fußgänger - nach dieser Zeit schon in dem Bereich der durch Rotlicht gesperrten Fahrbahn befinden kann, durch eine erhöhte Geldbuße und ein Fahrverbot geahndet werden.
Ein derartiger gefährlicher Rotlichtverstoß fällt dem Betroffenen nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen nicht zur Last. Er hat zunächst vorschriftsmäßig vor der Signalanlage angehalten. Wenn er sich anschließend, nachdem die Fa...