Leitsatz (amtlich)
Vermag der Antragsteller im Wiederaufnahmeverfahren zu belegen, dass das erkennende Gericht bei der Inaugenscheinnahme einer Fehlwahrnehmung unterlegen war, bringt er ein neues Beweismittel im Sinne von § 359 Nr. 5 StPO bei.
Tenor
Die sofortigen Beschwerden werden als unbegründet auf Kosten der Beschwerdeführer verworfen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführer sind nach Maßgabe des Berufungsurteils des Landgerichts Wuppertal vom 13. Februar 2012 (31 Ns 31/11) rechtskräftig wegen Untreue und Diebstahls (B) bzw. wegen Diebstahls (J), jeweils begangen zum Nachteil ihres Vaters S, verurteilt. Den Verurteilungen wegen (gemeinschaftlichen) Diebstahls liegt die Wegnahme von Goldbarren und -münzen sowie von Besteckkästen, Porzellan und Fotografien nebst Negativen zugrunde. Mit ihren Anträgen vom 27. Februar 2013 begehren die Verurteilten jeweils die Wiederaufnahme des Verfahrens, der Verurteilte S zudem die Anordnung der Vollstreckungshemmung.
Mit dem angefochtenen Beschluss, den Verteidigern jeweils zugestellt am 4. Juli 2013, hat das Landgericht Mönchengladbach die Wiederaufnahmeanträge als unzulässig verworfen. Hiergegen richten sich die am 9. Juli 2013 eingegangenen sofortigen Beschwerden der Verurteilten.
II.
Die zulässigen Rechtsmittel haben keinen Erfolg. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht die Wiederaufnahmeanträge als unzulässig verworfen. Die Voraussetzungen des § 359 Nr. 5 StPO als dem hier allein in Betracht kommenden Wiederaufnahmegrund zugunsten der Beschwerdeführer liegen nicht vor. Zwar bringen diese neue (Tatsachen und) Beweismittel bei (dazu 1.), aber an deren Eignung, ein taugliches Wiederaufnahmeziel zu erreichen, fehlt es (dazu 2.).
1.
Das erkennende Landgericht hat die für ein Schließfach des Zeugen S bei der Sparda-Bank geführte Besucherkartei in Augenschein genommen und verlesen (Hauptverhandlungsprotokoll S. 3, 7). Es kann dahinstehen, ob ein neues Beweismittel im Sinne von § 359 Nr. 5 StPO schon deshalb beigebracht ist, weil die Beschwerdeführer nunmehr eine von ihnen hergestellte Ausschnittsvergrößerung dieser Besucherkartei vorlegen. Ob darin ein eigenständiger neuer Beweisträger gesehen werden kann, ist zweifelhaft. Jedenfalls belegt aber die Vergrößerung, dass das Landgericht die Eintragung der Jahreszahl in der 3. Zeile fehlerhaft wahrgenommen hat. Diese wurde - wie nunmehr klar zu Tage liegt - durch einen andersfarbigen Bogen in die Jahreszahl "08" anstelle der zuvor handschriftlich vermerkten Zahl "07" geändert. In den landgerichtlichen Urteilsgründen (vgl. UA S. 18) heißt es hingegen, dass die Jahreszahl "08" nicht nachträglich von 2007 in 2008 abgeändert worden sei.
Die gegenteilige Behauptung der Beschwerdeführer kann daher zwar keine neue Tatsache im Sinne von § 359 Nr. 5 StPO sein (vgl. hierzu Gössel, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Auflage 2013, § 359 Rn. 99 f.). Aufgrund der feststehenden Fehlwahrnehmung der Kammer liegt aber ein neues Beweismittel vor. Nach dem Sinn und Zweck der Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens ist ein Novum bereits dann zu bejahen, wenn das erkennende Gericht einer Fehlwahrnehmung unterlegen war. Entscheidend ist allein, dass dem Gericht tatsächliche Umstände unbekannt geblieben sind. Ob dies darauf beruht, dass Beweis nicht oder unter Fehlwahrnehmungen erhoben worden ist, begründet normativ keinen entscheidenden Unterschied. Denn das Missverständnis führt nur zusätzlich zu einer Fehlvorstellung. Es ändert aber nichts daran, dass die zutreffenden Umstände nicht zur Kenntnis des Gerichts gelangt sind (vgl. Gössel a.a.O. § 359 Rn. 97, 121; KMR/Eschelbach § 359 Rn. 178; AnwK-StPO/Rotsch, 2. Auflage 2010, § 359 Rn. 29 a.E.; s. auch bereits Senat NJW 1987, 2030, zu Beweispersonen). Unerheblich ist, ob den Antragstellern die nunmehr vorgebrachten Umstände bereits bekannt waren (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage 2013, § 359 Rn. 30).
Gleichfalls "neu" im Sinne von § 359 Nr. 5 StPO ist die den Wiederaufnahmeanträgen ebenfalls zugrunde gelegte Vermögensaufstellung, die im Schließfach des Beschwerdeführers B aufgefunden wurde, nebst dem zugehörigen Tatsachenvortrag. Mit diesen Aspekten hat sich das Landgericht ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls und der Urteilsgründe nicht befasst. Gegenteiliges gilt hingegen für die von den Beschwerdeführern weiter herangezogenen Buchungsbelege. Diese Unterlagen sind im Wege des Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt worden (Hauptverhandlungsprotokoll S. 8, 9 i.V. mit Anlage 1). Da die Urteilsgründe (UA S. 16) auf die "im Wege des Urkundenbeweises eingeführten Bestandteile" der Akte eingehen, hat bereits das erkennende Gericht die Belege berücksichtigt.
2.
Die beigebrachten Nova sind nicht geeignet, allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung der Angeklagten zu begründen. Dabei würde es genügen, wenn die Verurteilung wegen einer von mehreren in Tatmehrheit begangenen Taten in Wegfall geriete (vgl. Schmidt, in: Karlsruher Komment...