Leitsatz (amtlich)
Für die Frage, ob ein inländisches Konzernzwischenunternehmen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG von den Regelungen des Mitbestimmungsgesetzes erfasst wird, gilt das Konzernzwischenunternehmen auch dann als herrschendes Unternehmen im Sinne des § 5 Abs. 3 MitbestG, wenn die ausländische Konzernleitung die anderen inländischen Konzernunternehmen nur noch über die kapitalmäßige Beteiligung des Konzernzwischenunternehmens beherrscht, nachdem sich die anderen inländischen Konzernunternehmen in Beherrschungsverträgen der Leitung eines ausländischen Konzernunternehmens unterworfen haben (im Anschluss an OLG Stuttgart, Be-schluss vom 30.3.1995 – 8 W 355/93, AG 1995, 380 ff = ZIP 1995, 1004 ff = NJW-RR 1995, 1067 ff).
Verfahrensgang
LG Köln (Beschluss vom 04.05.2006) |
Tenor
Auf die sofortigen Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss der 22. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 4. Mai 2006 abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin verpflichtet ist, einen Auf-sichtsrat nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes vom 4. Mai 1976 (BGBl. I S. 1153) zu bilden.
Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten in beiden Instanzen zu tragen.
Die Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.
Beschwerdewert: 50. 000 EUR
Tatbestand
I.
Die G-Unternehmensgruppe ist ein international tätiger Konzern. Konzernmutter ist die in Großbritannien ansässige G. plc., die mittelbar bzw. unmittelbar zu 100 % an den beiden britischen Zwischengesellschaften G. D.H. Ltd. und G. S. Ltd. sowie an der in Deutschland ansässigen Antragsgegnerin beteiligt ist. Die Antragsgegnerin hält 100 % der Geschäftsanteile an acht deutschen G.-Untergesellschaften. Seit einigen Jahren führen die beiden britischen Zwischengesellschaften das Management der Konzernsparten „D." und „O.H.", ohne kapitalmäßig an den G.-Untergesellschaften beteiligt zu sein. Am 9.8.2004 und 11./15.11.2004 schlossen sie Beherrschungsverträge mit den deutschen G.-Untergesellschaften und Koordinations- und Ausgleichsverträge mit der Antragsgegnerin, wonach die Leitung der G.-Untergesellschaften auch rechtlich vollständig auf sie übergehen sollte.
Die Antragstellerin zu 1 ist die Industriegewerkschaft Metall. Die Antragsteller zu 3 – 8 sind die Betriebsräte von sechs der insgesamt acht deutschen G.-Untergesellschaften. Der Antragsteller zu 2 ist der Betriebsrat der Antragsgegnerin. Der Antragsteller zu 9 ist der Betriebsrat der E. G. mbH (nachfolgend: E. GmbH), an der die Antragsgegnerin und die S. AG im Rahmen eines Joint Ventures je zur Hälfte beteiligt sind.
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob bei der Antragsgegnerin wie bisher ein Aufsichtsrat nach den Vorschriften des Mitbestimmungsgesetzes 1976 zu bilden ist. Die Antragsteller wollen eine dahingehende Verpflichtung der Antragsgegnerin festgestellt wissen, weil die Antragsgegnerin seit Abschluss der Beherrschungsverträge die Legitimation des vorhandenen mitbestimmten Aufsichtsrates bestreitet.
Das Landgericht hat den Feststellungsantrag zurückgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Die Antragsgegnerin sei nicht verpflichtet, einen mitbestimmten Aufsichtsrat zu bilden. Sie beschäftige nicht die nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG erforderliche Anzahl von mehr als 2000 Arbeitnehmern. Die Arbeitnehmer der G.-Untergesellschaften seien ihr nicht nach § 5 Abs. 1 MitbestG zuzurechnen. Die Antragsgegnerin habe die Vermutungstatbestände der §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 1 S. 3 AktG widerlegt. Mit Blick auf die Beherrschungs-, Koordinations- und Ausgleichsverträge habe sie keine Möglichkeit mehr, die Untergesellschaften ihrem Willen zu unterwerfen. Auch eine Zurechnung der Arbeitnehmer der Untergesellschaften gemäß § 5 Abs. 3 MitbestG scheide aus. Nach dem Zweck der Norm müsse die Konzernzwischengesellschaft eine gewisse Leitungsfunktion ausüben. Daran fehle es auf Seiten der Antragsgegnerin. Die deutschen Untergesellschaften würden nur noch von den britischen Zwischengesellschaften geleitet. Die Antragsgegnerin gelte für die Anwendung des Mitbestimmungsgesetzes auch nicht als herrschend unter dem Gesichtspunkt, dass sie die Beherrschung der Untergesellschaften ihrer Konzernmutter G. plc. vermittele.
Dagegen wenden sich die sofortigen Beschwerden der Antragsteller. Zur Begründung tragen sie vor: Die vertraglich konzipierten Teilkonzerne mit den britischen Zwischengesellschaften als Teilkonzernspitzen hätten den deutschen, durch die Mehrheitsbeteiligungen der Antragsgegnerin gebildeten Unterordnungskonzern nicht abgelöst. Die vom Landgericht angestellte rein gesellschaftsrechtliche Betrachtung liefe den Zwecken des Mitbestimmungsgesetzes zuwider. Die Antragsgegnerin übe weiterhin tatsächlich einen beherrschenden Einfluss auf die G.-Untergesellschaften aus. Jedenfalls gelte sie gemäß § 5 Abs. 3 MitbestG als herrschendes Unternehmen. Für die Anwendung der Vorschrift genüge es, wenn – wie hier – die deutsche Zwischengesellschaft eine Mehrheitsbeteiligung an den deutschen Untergesellschaften halte und allein hierüber der aus...