Entscheidungsstichwort (Thema)
Statut für Ehescheidungssachen; Vorfrage des Bestehens einer wirksam im Ausland geschlossenen Ehe; Eheschließungsstatut; Wirksamkeit der Eheschließung nach libanesischem Recht; Verpflichtung zur Beifügung Heiratsurkunde bei Scheidungsantrag
Leitsatz (amtlich)
1. Haben beide Beteiligte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, ist für den vor einem deutschen Gericht gestellten Scheidungsantrag gemäß Art. 8 lit. a) EuScheidVO 2010 das materielle deutsche Scheidungsrecht anwendbar.
2. Die Vorfrage des Bestehens einer wirksam geschlossenen Ehe ist nicht nach dem Ehescheidungsstatut gemäß EuScheidVO 2010, sondern autonom nach dem Eheschließungsstatut aus Art. 13 EGBGB in Verbindung mit dem Formstatut nach Art. 11 EGBGB zu beantworten.
3. Die nach den einschlägigen kollisionsrechtlichen Vorschriften anwendbaren Vorschriften über die Eheschließung nach libanesischem Recht beinhalten bei Zugehörigkeit der Beteiligten zur muslimischen Glaubensgemeinschaft das Formerfordernis, der Eheschließung vor dem zuständigen religiösen Richter und der Anwesenheit von Zeugen. Waren bei der Eheschließung Zeugen in der erforderlichen Anzahl nicht zugegen, hindert dies nach dem Recht der sunnitischen Glaubensgemeinschaft die Wirksamkeit der Ehe, während nach dem für die Schiiten geltenden Recht die Zeugen lediglich der Beweiserleichterung dienen.
4. Die Vorlagepflicht aus § 133 Abs. 2 FamFG gilt grundsätzlich auch für ausländische Urkunden und damit auch für die ausländische Heiratsurkunde. Die Verpflichtung zur Beibringung einer Heiratsurkunde nach § 133 Abs. 2 FamFG entfällt, wenn der Antragsteller nicht in deren Besitz ist und er diese Urkunde (oder eine Ersatzurkunde) nicht oder nicht in zumutbarer Weise beschaffen kann. Hierzu bedarf es plausiblen und hinreichend substantiierten Vortrag zu den diesbezüglichen Bemühungen und dessen Scheitern.
Normenkette
EGBGB Art. 11, 13; EuScheidVO 2010 Art. 8 lit. a); FamFG § 133 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Kleve (Aktenzeichen 48 F 105/19) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 19.02.2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht- Kleve vom 17.01.2020 (48 F 105/19) wird zurückgewiesen.
Gründe
I) Die 1994 geborene Antragstellerin hat mit Antragsschrift vom 22.07.2019 Verfahrenskostenhilfe für den von ihr gestellten Antrag auf Ehescheidung begehrt. Sie hat hierin vorgetragen, libanesische Staatsangehörige zu sein und im Jahre 2012 im Libanon auf Veranlassung der Familie den 1986 geborenen und aus dem Libanon stammenden Antragsgegner, der bereits seit 1990 mit der Familie nach Deutschland gezogen war, geheiratet zu haben und diesem nach der Eheschließung nach Deutschland gefolgt zu sein. Aus der ehelichen Beziehung sei die am 09.08.2014 geborene Tochter M hervorgegangen. Seit Juli 2018 sei sie von dem Antragsgegner dauerhaft getrennt, nachdem sie mit dem Kind die Zuflucht im Frauenhaus in Kleve gefunden habe und seit dem 15.09.2019 in einer eigenen Wohnung in Kleve wohnhaft sei, wobei sie ihre Adresse dem Antragsgegner nicht mitgeteilt wissen wollte.
Auf amtsgerichtliche Aufforderung hat die Antragstellerin ihren Vortrag dahingehend ergänzt, dass beide Eheleute Muslime seien, die Eheschließung durch einen muslimischen Iman in E im Libanon vollzogen worden sei, sie darüberhinaus keine Kenntnis habe, ob die staatliche Anerkennung der Ehe im Libanon erfolgt sei und und schließlich dass eine Anerkennung der Ehe in Deutschland von ihr nicht veranlasst worden sei. Da sie nach der Rückkehr von einem Libanonaufenthalt, bei dem die Familie des Antragsgegners sie zur Fortsetzung der Ehe habe zwingen wollen, nach Deutschland im Juni 2019 nicht mehr in die eheliche Wohnung zurückgekehrt sei, habe sie keinerlei Zugriff auf persönliche Papiere namentlich auf die Heiratsurkunde oder die Geburtsurkunde der Tochter.
Mit Beschluss vom 17.01.2020, dem Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin am 21.01.2020 zugestellt, hat das Amtsgericht Kleve den Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe unter Verweis auf nicht hinreichende Erfolgsaussichten des Scheidungsantrages zurückgewiesen und dies im Einzelnen damit begründet, dass das zwischenzeitlich als Heiratsurkunde vorgelegte Schriftstück in mutmaßlich arabischer Sprache nicht verwertbar sei und darüber hinaus Angaben zum genauen Datum der Heirat fehle und von Bedeutung sei, ob die Heiratsurkunde die Höhe von gelegentlich der Eheschließung geleisteter Zahlungen ausweise, die ggfls zur Deckung der Verfahrenskosten einzusetzen seien. Schließlich fehlten weiterhin Angaben zum Wohnort der Antragstellerin und des gemeinsamen Kindes, ohne dass Gründe für eine Verfahrensführung aus dem Versteck heraus dargetan worden seien.
Zur Begründung ihrer mit Schriftsatz vom 19.01.2020 eingelegten und am selben Tag beim Amtsgericht eingegangenen sofortigen Beschwerde hat die Antragstellerin vorgetragen, die Ehe sei am 03.06.2012 unter der ZivilregisterNr. 1../E im Libanon geschlossen und unter der Registernummer 343/20.. im...