Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrenskostenhilfe in Scheidungsverfahren; Personalstatut für in Deutschland aufhältige Asylberechtigte als Antragsteller und für im Sudan als Flüchtling aufhältiger Antragsgegner; Ehescheidungsstatut des angerufenen deutschen Gerichts bei geteilten Personalstatut der Beteiligten; Wirksamkeit der Eheschließung nach sudanesischem Recht
Leitsatz (amtlich)
1. Das Statut für Ehescheidungssachen wird für ein deutsches Gericht durch die Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates vom 20. Dezember 2010 zur Durchführung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (EuScheidVO 2010) bestimmt. Bei geteilten Personalstatut der Beteiligten, also bei Fehlens einer gemeinsamen Anknüpfung für beide Ehegatten ist gemäß Artikel 8 lit. b) EuScheidVO 2010 für den Scheidungsantrag das Recht des angerufenen Gerichts mithin das materielle deutsche Recht maßgebend.
2. Die Scheidung der Ehe nach deutschen Recht setzt die von Amts wegen zu prüfende Tatsache voraus, dass die Beteiligten miteinander die Ehe geschlossen haben. Hierbei handelt es sich um eine Vorfrage, die nicht nach dem Ehescheidungsstatut gemäß dem EuScheidVO 2010, sondern autonom nach dem Eheschließungsstatut aus Art. 13 EGBGB in Verbindung mit dem Formstatut nach Art. 11 EGBGB zu beantworten ist.
3. Die Wirksamkeit der Eheschließung nach (hier anwendbaren) sudanesischen materiellen (moslemischen) Rechts erfordert weder, dass sie vor einem öffentlichen Bediensteten oder einem religiösen Würdenträger stattfindet, noch dass sie registriert wird. Einziges Formerfordernis ist, dass die Eheschließung vor zwei Zeugen erklärt worden ist bzw. die "Zeugen die Vereinbarungen der Verlobten vernommen haben", wobei es sich bei den beiden Zeugen entweder um "zwei erwachsene Moslems oder einen moslemischen Mann und zwei moslemischen Frauen" gehandelt haben muss.
4. Für den Scheidungsantrag ist die Vorlage einer Heiratsurkunde kein zwingendes Antragserfordernis; vielmehr kann die Vorfrage der Eheschließung auch durch andere Beweismittel zur Überzeugung des Gerichts geklärt werden.
Normenkette
EGBGB Art. 11, 13; EuScheidVO 2010
Verfahrensgang
AG Kleve (Aktenzeichen 4 F 284/18) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Kleve vom 04.10.2018 - 4 F 284/18 - aufgehoben und das Verfahren an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung über den Antrag der Antragstellerin, ihr Verfahrenskostenhilfe für ihren Scheidungsantrag vom 21.09.20018 zu bewilligen, zurückverwiesen.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Die Entscheidung ist unanfechtbar.
Gründe
I) Mit Antragsschrift vom 21.09.2018, eingegangen beim Amtsgericht Kleve am selben Tag, hat die Antragstellerin den Antrag gestellt, "die in 2011 vor einem islamischen Geistlichen im Sudan geschlossene Ehe der Beteiligten zu scheiden". Für diesen Antrag begehrt sie die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe.
Zur Begründung ihres Scheidungsantrages hat die Antragstellerin vorgetragen:
sie sei am 1.6.19... in Asara/Eritrea geboren, habe - wie der Antragsgegner - die eritreanische Staatsangehörigkeit und habe mit dem Antragsgegner im Jahre 2011 im Sudan, wo die Beteiligten als Flüchtlinge gelebt hätten, die Ehe durch einen islamischen Geistlichen geschlossen, wobei eine staatliche Registrierung nicht erfolgt sei. Sie sei ca. zwei Jahre nach der Eheschließung - ohne den Antragsgegner, der im Sudan verblieben sei - nach einer Flucht durch Libyen über das Mittelmeer am 6.9.2013 in Deutschland eingereist. Eine Heiratsurkunde könne sie nicht vorlegen, da sie diese wie ihren Personalausweis bei der Überfahrt im Mittelmeer verloren habe. Die Beteiligten hätten einen gemeinsamen Sohn, A., geboren am 7.9.20... Die Antragstellerin sei Mutter eines weiteren Kindes, des am 26.03.20... geborenen I., dessen biologischer Vater nicht der Antragsgegner sondern ein neuer Partner der Antragstellerin sei. Zum Antragsgegner bestehe seit der Flucht aus dem Sudan kein Kontakt mehr, auch nicht über Verwandte oder Bekannte. Es bestehe keine Möglichkeit der Kontaktaufnahme zwischen den Beteiligten.
Das Amtsgericht hat mit dem der Antragstellerin über ihren Verfahrensbevollmächtigten am 5.10.2018 zugestellten Beschluss vom 4.10.2018 den Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung biete keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die begehrte Scheidung der Ehe setze eine rechtsgültige Ehe voraus. Das Bestehen einer Ehe habe die Antragstellerin durch den Vortrag in der Antragsschrift vom 21.9.2018 nicht vorgetragen. Die schlichte Behauptung, dass die Ehe der Beteiligten zu einem nicht näher benannten Zeitpunkt im Jahre 2011 im Sudan (Ort?) nach islamischem Ritus geschlossen worden sei, genüge für den Nachweis der bestehenden Ehe nicht.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit der am 31.10.2018 beim Amtsgericht Kleve eingegangenen s...