Leitsatz (amtlich)
1. Ist dem Erblasser bewusst, dass er mit der Streichung des weiteren Ersatzerben - abweichend von seinen sämtlichen zuvor getroffenen letztwilligen Verfügungen - auf eine testamentarische Vorkehrung für den Fall verzichtet, dass seine zur Ersatzerbin berufene Schwägerin in der Erbfolge wegfallen sollte, scheidet eine ergänzende Testamentsauslegung mangels planwidriger Regelungslücke aus.
2. Eine ergänzende Testamentsauslegung dahin, dass statt des testamentarisch bedachten (Ersatz-)Erben dessen Abkömmlinge bei der Erbfolge zum Zuge kommen sollen, kommt im Allgemeinen dann nicht in Betracht, wenn zwar der Erste des Stamms bedacht ist, aber der Zweite des Stamms von der Erbfolge ausgeschlossen wird.
3. Die Vorstellung des Erblassers, dass sein Nachlass zunächst seiner Schwägerin und sodann im Wege der weiteren Erbfolge deren Enkeln zufallen soll, kann den mutmaßlichen Erblasserwille ergeben, die Enkel im Falle eines Vorversterbens der Schwägerin zu eigenen Ersatzerben zu berufen.
Er trägt aber nicht ohne weiteres die Annahme eines dahingehenden mutmaßlichen Erblasserwillens, wenn die zur Erbin berufene Schwägerin nicht vorverstorben ist, sondern den Nachlass des Erblassers aus freien Stücken ausgeschlagen hat.
Normenkette
BGB § 1937
Tenor
I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Ratingen vom 6. April 2023 wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligten zu 1. hat die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und dem Beteiligten zu 4. die ihm in der Beschwerdeinstanz entstandenen notwendigen Aufwendungen zu ersetzen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
IV. Der Beschwerdewert wird auf bis 62.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Der ledig und kinderlos verstorbene Erblasser hatte eine Schwester (Ilse...) und zwei Brüder (Kurt... und Walter...). Alle Geschwister sind vorverstorben - der Bruder Kurt im Jahr 1986 und der Bruder Walter im Jahr 2016 - und haben Abkömmlinge hinterlassen. Die Beteiligten zu 1. bis zu 3. sind die in den Jahren 1986, 1989 und 1991 geborenen Enkel des Bruders Walter; ihr Vater ist Jörg... Der Beteiligte zu 4. ist der Sohn des Bruders Kurt.
Der Erblasser errichtete mehrere letztwillige Verfügungen. Mit notariellem Testament vom 19. März 1991 setzte er seine Schwester und ersatzweise deren Ehemann Heinz... als Erben ein; für den Fall, dass er weder von seiner Schwester noch von seinem Schwager beerbt werden sollte, berief er Beate und Anja... zu weiteren Ersatzerben.
Mit notariellem Testament vom 17. August 1999 änderte der Erblasser das vorgenannte Testament in Bezug auf die zugunsten von Beate und Anja... getroffene Bestimmung. Er berief statt ihrer zu Ersatzerben seinen Neffen Jörg... zu 1/2-Anteil sowie seinen Bruder Walter...... und dessen Ehefrau Ursula.... je zu 1/4-Anteil. Für den Fall, dass einer dieser weiteren Ersatzerben wegfällt, traf der Erblasser Regelungen, nach denen die schon berufenen Ersatzerben an die Stelle des weggefallenen Ersatzerben treten sollen.
Unter dem 6. Februar 2003 ließ der Erblasser erneut seinen letzten Willen notariell beurkunden. Er erklärte den Widerruf seiner früheren Verfügungen von Todes wegen und bestimmte seinen Bruder Walter... zum Alleinerben, dessen Ehefrau Ursula... zur Ersatzerbin und deren Sohn Jörg... zu deren Ersatzerben.
Mit weiterem notariell beurkundetem Testament vom 9. November 2020 änderte der Erblasser das Testament vom 6. Februar 2003 in Bezug auf die Ersatzerbenberufung und verfügte, dass Jörg... als Ersatzerbe seiner Mutter ersatzlos gestrichen werde. Anlass waren Streitigkeiten zwischen dem Erblasser und Jörg...
Ursula... erklärte mit notarieller Urkunde vom 8. August 2022 die Ausschlagung der Erbschaft und focht die Versäumung der Ausschlagungsfrist an. Grund für die Ausschlagung war die Tatsache, dass sie Grundsicherungsleistungen bezieht und die Annahme der Erbschaft zum Fortfall oder einer Kürzung dieser Leistungen geführt hätte.
Unter dem 8. August 2022 hat der Beteiligte zu 1. die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der ihn und seine beiden Geschwister als Miterben zu je 1/3-Anteil ausweist. Die Testamente vom 6. Februar 2003 und 9. November 2020 seien - so macht er geltend - im Wege erläuternder, hilfsweise ergänzender Auslegung dahin zu verstehen, dass der Erblasser allein den Erbenstamm aus der Linie seines Bruders Walter habe bedenken wollen. Ausschließlich ihren Vater Jörg... habe der Erblasser nicht zum Ersatzerben berufen wollen.
Das Amtsgericht hat die Voraussetzungen für eine ergänzende Testamentsauslegung verneint und den Erbscheinantrag zurückgewiesen.
Dagegen wendet sich der Beteiligte zu 1. mit seiner Beschwerde. Er behauptet, seine Großmutter Ursula... habe mit dem Erblasser stets darüber gesprochen, dass die im Eigentum des Erblassers stehende Wohnung... von ihr unmittelbar an die Enkel (also die Beteiligten zu 1. bis zu 3.) vererbt werden würde. Dies sei stets im Sinne des Erblassers gewesen. Ursula... sei zunächst als Erbin berufen worden, um ihr für d...