Leitsatz (amtlich)
1. In Erbfällen nach dem 01.1.2010 erstreckt sich die Wirkung eines Zuwendungsverzichts grundsätzlich auch auf die Abkömmlinge des Verzichtenden, und zwar selbst dann, wenn der Zuwendungsverzicht vor dem 01.1.2010 vereinbart worden ist.
2. Ergibt sich aus dem Inhalt der Urkunde - hier aufgrund einer notariellen Belehrung ("Der amtierende Notar hat darauf hingewiesen, dass dieser Zuwendungsverzicht nicht gilt für die Abkömmlinge von ... (dem Beteiligten zu 3), die im Erbvertrag für ihn als Ersatzerben berufen wurden. Der amtierende Notar empfiehlt deshalb den ... (Eltern des Beteiligten zu 3), den Erbvertrag in der Weise zu ändern, dass ...(der Beteiligte zu 3) nicht mehr zum Miterben nach dem Ableben des Längstlebenden ... berufen ist.") -, dass die Vertragsparteien bei Vertragsschluss davon ausgegangen sind, der Zuwendungsverzicht erstrecke sich nicht auf Abkömmlinge des Verzichtenden, so führt eine auf den Inhalt der Urkunde gestützte Auslegung des Willens der Beteiligten in der Regel dazu, dass die Vertragsparteien diese Rechtsfolge in ihren Willen aufgenommen haben.
Normenkette
EGBGB Art. 229 § 36; BGB §§ 2349, 2352 S. 3
Verfahrensgang
AG Ratingen (Beschluss vom 23.06.2015; Aktenzeichen 14 VI 378/14) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 vom 3. Aug. 2015 gegen den Beschluss des AG - Nachlassgericht - Ratingen vom 23.6.2015 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Wert des Streitgegenstandes: 29.000 EUR
Gründe
I. Die Beteiligten zu 1 - 3 sind die Kinder des Erblassers, die Beteiligten zu 4 und 5 sind die Kinder des Beteilgiten zu 3, also die Enkel des Erblassers.
Der Erblasser und seine vorverstorbene Ehefrau hatten am 7.5.1991 einen notariellen Erbvertrag geschlossen. Darin hatten sie sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt und zu Erben des Längstlebenden ihre gemeinschaftlichen Kinder - ersatzweise deren Abkömmlinge nach Stämmen zu gleichen Teilen - zu je 1/3 Anteil berufen.
Mit Notarvertrag vom 13. Okt. 1995 schenkten die Eheleute dem Beteiligten zu 3 eine Teilfläche von ca. 266 qm aus dem ihnen gehörenden Grundbesitz in Düsseldorf, auf der der Beteiligte zu 3 auf eigene Kosten ein Einfamilienhaus mit Einliegerwohnung errichtet hatte. Im Gegenzug erklärte der Beteiligte zu 3 sich für vollständig abgefunden an den künftigen Nachlässen seiner Eltern und verzichtete auf sein gesetzliches Pflichtteilsrecht und auf die Zuwendungen, die ihm im Erbvertrag vom 7.5.1991 ausgesetzt worden waren. Weiter heißt es in dem Schenkungsvertrag:
"Der amtierende Notar hat darauf hingewiesen, dass dieser Zuwendungsverzicht nicht gilt für die Abkömmlinge von ... (dem Beteiligten zu 3), die im Erbvertrag für ihn als Ersatzerben berufen wurden. Der amtierende Notar empfiehlt deshalb den ... (Eltern des Beteiligten zu 3), den Erbvertrag in der Weise zu ändern, dass ...(der Beteiligte zu 3) nicht mehr zum Miterben nach dem Ableben des Längstlebenden ... berufen ist."
Dies haben die Eltern der Beteiligten zu 1 - 3 nicht getan.
Die Beteiligte zu 1 hat am 4. Aug. 2014 einen Erbschein für sich und die Beteiligte zu 2 als Miterben zu je 1/2 beantragt.
Sie hat gemeint, der Zuwendungsverzicht des Beteiligten zu 3 erstrecke sich auch auf dessen Kinder, die Beteiligten zu 4 und 5, nachdem durch die Erbrechtsreform zum 1. Jan. 2010 § 2349 BGB (Erstreckung auf Abkömmlinge) in die Verweisungskette des § 2352 Satz 3 BGB (Verzicht auf Zuwendungen) aufgenommen worden sei. Seit dem könne der Zuwendungsverzicht auf ersatzberufene Abkömmlinge erstreckt werden; ob dies geschehen sei, sei im Wege ergänzender Vertragsauslegung festzustellen. Jedenfalls wenn der Verzichtende eine vollwertige Abfindung erhalten habe, sei davon auszugehen, dass die Abfindung ihm als "Repräsentant seines Stammes" gewährt worden sei, so dass auch er mit der Erstreckung auf seine Abkömmlinge einverstanden gewesen wäre, hätte es diese Möglichkeit bei Vertragsschluss bereits gegeben. Hier seien auch die Beteiligten zu 4 und 5 aus der Erbfolge ausgeschieden, weil der Beteiligte zu 3 sich "für vollständig abgefunden" erklärt habe.
Die Beteiligten zu 4 und 5 sind dem entgegen getreten. Die Eltern seien vom Notar belehrt worden, dass der Verzicht sich nicht auf die Abkömmlinge erstrecke. Dennoch hätten sie von der empfohlenen Änderung des Erbvertrages keinen Gebrauch gemacht, eben weil sie gewollt hätten, dass ihre Enkel, die Beteiligten zu 4 und 5 nach dem zuletzt Versterbenden Miterben werden sollten.
Das Nachlassgericht hat nach Beweisaufnahme über den Willen der Eltern den Erbscheinsantrag zurückgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe fest, dass der Erblasser und seine Ehefrau eine Beteiligung ihrer Enkelkinder, der Beteiligten zu 4 und 5, an ihrem Erbe zu gleichen Teilen wie ihre Töchter, die Beteiligten zu 1 und 2, gewollt hätten. Dies werde bestätigt dadurch, dass der Erblasser und seine Ehefrau trotz des notariellen Hinweises zu dem vereinbarten Zuwendungsverzicht ihren Erbvertrag nicht geändert hätten.
Die Beschwerde beanstandet, dass der Betei...