Entscheidungsstichwort (Thema)
Sittenwidrigkeit eines Immobilienkaufvertrages
Leitsatz (amtlich)
Der Vertrag, mit dem Immobilienkaufleute einem ortsfremden und nicht fachkundigen Arzt Eigentumswohnungen zu einem Kaufpreis verkauft haben, der ihren Wert um mehr als 100 % übersteigt, ist sittenwidrig und nichtig, wenn die Immobilienkaufleute dem Kaufinteressenten ein auf ihren Auftrag hin erstelltes Wertgutachten vorgelegt haben, das – wie auch in anderen Fällen – grob falsch war, weil es auf weit überhöht angesetzten erzielbaren Mieten basierte, so dass die fachkundigen Immobilienkaufleute das besonders grobe Missverhältnis zwischen ermitteltem Wert und realistischem Verkehrswert erkannt oder sich jedenfalls der Erkenntnis leichtfertig verschlossen haben (Abgrenzung zu OLG Düsseldorf, Urt. v. 1.10.2001 – 9 U 265/00, OLGReport Düsseldorf 2002, 343).
Verfahrensgang
LG Mönchengladbach (Urteil vom 09.11.2002; Aktenzeichen 1 O 81/99) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 9.11.2002 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des LG Mönchengladbach wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Vollstreckung des Klägers gegen Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Hohe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Im Jahre 1997 beauftragte der Kläger einen Herrn B. mit der Suche nach geeigneten Hausobjekten, in die er investieren könne.
Über Herrn B. nahm der Kläger Kontakt mit dem zwischenzeitlich verstorbenen Herrn I. auf. Dieser hatte bereits zuvor auf Provisionsbasis Objekte der Beklagten vermittelt, die in der Rechtsform einer GbR eine „Immobilienvertriebs- und Vermögensgesellschaft” betrieben (GA 56). Die Beklagten waren Eigentümer einer Wohnanlage in F., die sie von der Sch.H.L.H. AG erworben hatten, der in dem Zwangsversteigerungsverfahren 9 K 45/94 AG B. am 31.8.1995 der Zuschlag erteilt worden war.
Die Beklagten beauftragten das Sachverständigenbüro D. und F., das für sie auch in anderen Fällen tätig war, ein Gutachten zur Ermittlung des Verkehrswertes zu erstellen. Diese Sachverständigen stellten in einem Gutachten vom 3.5.1996 fest, für die Wohnungen der Wohnungseigentumsanlage sei ein Mietzins von 15 DM/qm zu erzielen, für die dazugehörenden Einstellplätze sei eine monatliche Miete von 50 DM zu erlangen (GA 23). Dieses Gutachten und weitere Unterlagen über das Objekt überreichten die Beklagten Herrn I. zur Verkaufsvermittlung.
Der Kläger, der über Herrn I. Kenntnis von der Wohnungseigentumsanlage in F. erhalten hatte, beauftragte diesen im Zeitraum Mai/Juni 1997 damit, den Erwerb der Eigentumswohnungen Nr. 10, 21 und 23 vorzubereiten. Nach Nr. 2 des notariellen Kaufvertrages des Notars D.L. vom 21.7.1997 (UR-Nr. …), den seitens des Klägers Herr I. als Vertreter ohne Vertretungsmacht schloss, betrug der Kaufpreis 950.000 DM. Hiervon entfielen 302.000 DM auf die Wohnung Nr. 10, 277.000 DM auf die Wohnung Nr. 21 und 371.000 DM auf die Wohnung Nr. 23. Wegen der weiteren Einzelheiten der Vereinbarung wird auf die Vertragsurkunde verwiesen (GA 33). In der Urkunde des Notars H. vom 12.8.1997 (Ur.-Nr. …) genehmigte der Kläger die von Herrn I. abgegebene Erklärung (GA 48). Von dem Kaufpreis entrichtete der Kläger einen Teilbetrag i.H.v. 759.000 DM an die Beklagten. Den restlichen Kaufpreis i.H.v. 191.000 DM ließen die Beklagten dem Kläger am 22.9.1999 nach (GA 75).
Der Kläger hat behauptet, anlässlich eines Treffens im Mai/Juni 1991 habe Herr I. die Wohnanlage als erstklassiges Renditeobjekt dargestellt, in dem alle Wohnungen zu guten Preisen von 15 DM/qm vermietet seien. Die Finanzierung der Wohnungen sei deswegen problemlos möglich. Hierzu habe er auf das Wertgutachten der Sachverständigen D. und F. verwiesen. Erst im Juli 1998, nach Erwerb der Wohnungen, habe er – der Kläger – erkannt, dass in dem Objekt allenfalls Kaltmieten von 7,50 DM/qm zu erzielen seien. Der tatsächliche Wert der Wohnungen sei bei Abschluss des Kaufvertrages wesentlich geringer gewesen, als es dem Gutachten der Sachverständigen D. und F. zu entnehmen gewesen sei. Der Verkehrswert aller drei Wohnungen habe tatsächlich nur 410.400 DM betragen. Die ca. 80 qm große Wohnung Nr. 10 habe einen Wert von ca. 130.300 DM gehabt, die ca. 75 qm große Wohnung Nr. 21 sei 119.900 DM, die ca. 100 qm große Wohnung Nr. 23 sei etwa 160.200 DM wert gewesen.
Nachdem der Kläger ursprünglich beantragt hatte, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 950.000 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückübertragung der streitgegenständlichen Wohnungen, hat er seine Klage mit Schriftsatz vom 30.8.1999 teilweise zurückgenommen.
Der Kläger hat beantragt,
1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 759.000 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Rückübertragung zu ...