Entscheidungsstichwort (Thema)
Eigenbedarfskündigung bei Wohnraummiete: Erstreckung der Anbietungspflicht auf frei werdende möblierte Wohnung im selben Haus
Leitsatz (amtlich)
Der Vermieter ist bei einer Wohnraumkündigung wegen Eigenbedarfs grundsätzlich verpflichtet, dem Mieter eine im selben Haus bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zur Verfügung stehende vergleichbare Wohnung zur Anmietung anzubieten. Anderenfalls ist die Kündigung wegen Rechtsmissbrauchs unwirksam. Die Anbietungspflicht erstreckt sich aber nicht auf eine Wohnung, die seit 5 Jahren zum Zwecke der Erzielung einer höheren Miete möbliert vermietet worden ist (Rz. 16)(Rz. 21).
Normenkette
BGB § 573 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
AG Düsseldorf (Urteil vom 01.07.2008) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerinnen wird das am 1.7.2008 verkündete Urteil des AG Düsseldorf abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerinnen die im 3. Obergeschoss (Vorderhaus) des Hauses F. 39, 4. D. gelegene Wohnung, bestehend aus 3 Zimmern, einer Küche, einer Diele, eingerichtetem Bad, Balkon und einem Kellerraum geräumt herauszugeben.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten als Gesamtschuldnerinnen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 9.000 EUR abzuwenden, wenn nicht die Klägerinnen ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis zum 20.6.2009 eingeräumt.
Gründe
I. Die Klägerinnen sind gemeinschaftlich Eigentümerinnen des Grundstücks F. 39 in D. Die Beklagte zu 1) ist aufgrund eines Mietvertrages auf unbestimmte Zeit aus dem Jahr 1985 Mieterin einer etwa 90 qm großen Dreizimmerwohnung im 3. Obergeschoss. Die Beklagte zu 2) ist Mitbewohnerin der Beklagten zu 1).
Mit Kündigungserklärung vom 12.6.2007 erklärten die Klägerinnen unter Berufung auf Eigenbedarf der Klägerin zu 2) und ihres Ehemannes die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses zum 31.3.2008.
In der dritten Etage des Hauses befindet sich eine weitere aus zwei Zimmern bestehende und 69 qm große Wohnung, die bis zum 31.12.2007 möbliert vermietet war. Ebenfalls zum 31.12.2007 wurden die zuvor als Arztpraxis vermieteten ca. 200 qm großen Räumlichkeiten im 1. Obergeschoss frei. Am 15.11.2008 ist im Souterrain des Hauses eine etwa 80 qm große Wohnung frei geworden. Diese Wohnungen sind den Beklagten nicht zur Anmietung angeboten worden.
Die Klägerinnen begehren die Räumung und Herausgabe der von den Beklagten inne gehaltenen Wohnung.
Das AG hat die Klage abgewiesen, weil eine wirksame Eigenbedarfskündigung nicht vorliege. Hiergegen haben die Klägerinnen form- und fristgerecht Berufung eingelegt.
Sie beantragen, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie die im 3. Obergeschoss (Vorderhaus) des Hauses F, 39, 4. D. gelegene Wohnung, bestehend aus 3 Zimmern, einer Küche, einer Diele, eingerichtetem Bad, Balkon und einem Kellerraum geräumt herauszugeben.
Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.
10Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen und auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
II. Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere vor dem zuständigen OLG als Berufungsgericht erhoben worden. Das OLG ist gem. § 119 Abs. 1 Ziff. 1b GVG für die Berufung zuständig, weil eine Partei, die Klägerin zu 2), ihren allgemeinen Gerichtsstand zur Zeit der Klageerhebung außerhalb Deutschlands hatte. Die zweitinstanzlich erhobene Rüge der Beklagten, die Klägerin zu 2) habe bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung ihren allgemeinen Gerichtsstand in D. gehabt, führt nicht zum Erfolg. Die Klage ist hinsichtlich der Klägerin zu 2) unter der Anschrift 3. D. S. N. O., U., erhoben worden. Diese Angabe ist von den Beklagten nicht angegriffen worden. Unter diesen Umständen ist die Überprüfung der Richtigkeit des angegebenen Gerichtsstandes dem Rechtsmittelgericht entzogen (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 119 GVG, Rz. 14; BGHR 2004, 983 = BB 2004, 1077).
Die Berufung ist auch begründet.
Die Klägerinnen haben gegen die Beklagten einen Räumungs- und Herausgabeanspruch aus § 546 BGB. Denn durch die schriftliche Kündigung der Klägerinnen mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 12.6.2007 (GA 38) ist das Mietverhältnis zwischen den Klägerinnen und der Beklagten zu 1) zum 30.6.2008 beendet worden. Die Beklagte zu 2), die nicht Vertragspartei des Mietvertrages ist, aber mit Einverständnis der Beklagten zu 1) Mitbesitz an der Wohnung hat, ist nach § 546 Abs. 2 BGB ebenfalls zur Herausgabe und Räumung verpflichtet.
Der Mietvertrag ist zwischen der Beklagten zu 1) und der Klägerin zu 1) und ihrem verstorbenen Vater am 25.6.1985 auf unbestimmte Zeit geschlossen worden. Der Streit der Parteien darüber, ob die Klägerinnen die Kündigungsfrist nach § 573c Abs. 1 BGB mit neun Monaten richtig berechn...