Verfahrensgang

LG Duisburg (Entscheidung vom 23.05.2006)

 

Tenor

Unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wird das am 23. Mai 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Duisburg abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 68.676,21 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz aus 37.083,08 EUR seit dem 31.12.1999, aus 24.002,43 seit dem 31.12.2000 sowie aus 7.590,70 EUR seit dem 31.03.2001 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 5 % und die Beklagte zu 95 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin und die Klägerin die Vollstreckung der Beklagten jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf (teilweise) Rückzahlung von Trassenentnutzungsentgelten in Anspruch, die sie in der Zeit zwischen Ende April 1999 und dem 31. März 2001 für die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur der Beklagten an die Beklagte gezahlt hat.

Die Klägerin ist ein nach den Bestimmungen des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (nachfolgend: AEG) zugelassenes Eisenbahnverkehrsunternehmen. Sie erbringt Eisenbahnverkehrsleistungen im Personen- und Güterverkehr. Die Beförderung im Schienenpersonennahverkehr bietet sie unter Inanspruchnahme ihrer eigenen Schieneninfrastruktur auf der Grundlage eines langjährigen Vertrages mit dem zuständigen Aufgabenträger an. Für die Güterverkehrsdienste nutzt sie auch das Schienennetz der Beklagten und die dazugehörigen Infrastruktureinrichtungen.

Die Beklagte ist ein nach dem Bestimmungen des AEG zugelassenes Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Sie unterhält nahezu das gesamte bundesdeutsche Eisenbahnschienennetz. Sie ist ein Konzernunternehmen der D. AG. Schwestergesellschaft von ihr sind die R. D. AG, vormals D. C. AG, die Eisenbahnverkehrsleistungen im Güterverkehr erbringt, und die D. R. AG, die Eisenbahnverkehrsleistungen im Personenverkehr erbringt.

Am 27./29.04.1997 schloss die Klägerin mit der Beklagten einen Vertrag über die Nutzung der Schieneninfrastruktur. Gemäß § 4 des Vertrages in Verbindung mit Ziff. 7 (1) der Allgemeinen Bedingungen über die Nutzung der Eisenbahninfrastruktur der D. AG (ABN) ist Grundlage für die Berechnung des Entgelts für die Streckennutzung die jeweils gültige Trassenpreisliste. Für den in Rede stehenden Zeitraum galt das sog. Trassenpreissystem 1998 (nachfolgend: TPS 98), das gleichermaßen für Güter- und Personenverkehr Anwendung fand. Dieses Preissystem sah zwei verschiedene Tarife, den "InfraCard-Tarif" und den "Vario-Tarif", vor. Beim "InfraCard-Tarif" hat der Nutzer der Eisenbahninfrastruktur einen festen jährlichen Grundpreis pro Streckenkilometer sowie zusätzlich einen Betrag pro gefahrenen Zugkilometer zu zahlen. Im Schienengüterverkehr schwankte der jährliche Grundpreis je nach Streckenkategorie (K1 bis K6) zwischen 4.700 DM und 49.000 DM pro Streckenkilometer. Darüber hinaus musste die InfraCard für den Schienengüterverkehr für eine "Mindestnetzgröße" von wenigstens 250 km erworben werden. Der Kilometerpreis richtete sich nach der Belastungsklasse der in Anspruch genommenen Eisenbahnstrecke (B I bis B III). Zusätzlich zu dem jährlichen Grundpreis fiel ein von der tatsächlichen Streckennutzung abhängiger Preis pro gefahrener Kilometer an, der - abhängig von der Belastungsklasse - zwischen 3,38 DM und 2,50 DM lag. Der "Vario-Tarif" sah dagegen allein die Zahlung eines Nutzungsentgelts pro gefahrenen Zugkilometer vor, dessen Höhe sich zum einen nach der Streckenkategorie und zum anderen nach der Belastungsklasse richtete. Der Streckenkilometerpreis lag je nach Belastungsklasse (B I bis B III) und unabhängig davon, ob es sich um Güter-, Fern- oder Nahverkehr handelte, z.B. in der Streckenkategorie K 1 zwischen 15,49 DM und 14,61 DM und in der Streckenkategorie K 2 zwischen 14,42 DM und 13,54 DM.

Der "InfraCard-Tarif" zeichnete sich dadurch aus, dass das Nutzungsentgelt mit steigender Inanspruchnahme des Schienennetzes sank und ab einer gewissen Inanspruchnahme deutlich unter dem Nutzungsentgelt lag, welches sich nach dem "Vario-Tarif" ergab. Der "InfraCard-Tarif" konnte wegen des hohen Grundpreises allein von den zum Konzern der Beklagten gehörenden Schienenverkehrsunternehmen in Anspruch genommen werden. Nur die Konzernunternehmen der Beklagten verfügten über eine hinreichende Zugzahl, um die Preisvorteile des "InfraCard-Tarifs" auszunutzen. Die degressive Ausgestaltung des TPS 98 führte dazu, dass die Schwestergesellschaften der Beklagten durchschnittlich ein wesentlich geringeres Entgelt pro gefahrenen Streckenkilometer an die Beklagte entrichten mussten als die Klägerin.

Zum 1. April 2001 ist das TPS 98 durch das Trassenpreissystem TPS 01 ersetzt worden. Dieses sieht einen einstufigen, fahrleistungsunabhängigen, linearen Tarif vor, der erheblich unter dem Vario-Tarif des TPS 98 liegt und allen Eisenbah...

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